Österreich befindet sich in der größten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Zweiten Republik. Die Regierungsmaßnahmen helfen kaum gegen Massenarbeitslosigkeit und Rezession. Die Arbeitsmarktpolitik von Bruno Kreisky und seinem Sozialminister Alfred Dallinger könnte Vorbild für neue Maßnahmen sein. Damals wurde die Arbeitslosigkeit mit einem staatlichen Jobprogramm und Arbeitszeitverkürzung erfolgreich bekämpft.
Die Wirtschaft ist von Oktober bis Dezember 2020 achtmal so stark geschrumpft wie im EU-Schnitt. Fast eine Million Menschen befinden sich in Kurzarbeit oder sind arbeitslos. 115.000 Menschen haben durch die Corona-Krise ihren Job verloren. Die Maßnahmen der Regierung scheinen nicht zu greifen – die 31 Milliarden Euro, die an Corona-Hilfen an Unternehmen ausgeschüttet wurden, heben uns nicht aus der Rezession. Wie auch: Mit den Hilfen wurde das Überleben von Unternehmen zwar teilweise gesichert, durch Kurzarbeit und hohe Arbeitslosigkeit ist die Kaufkraft aber enorm gesunken. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, kaum jemand traut sich zu investieren. Das führt zu einer Spirale, die Österreichs Wirtschaft nach unten zieht. Und selbst wenn die Pandemie vorbei ist, wird sich die Krise noch länger negativ auswirken.
„Es ist einfach falsch, davon auszugehen, dass wir einen starken Wirtschaftsaufschwung bekommen werden, wenn die Pandemie überwunden ist. Wer soll in dieser Situation massiv Investitionen tätigen und wie sollen sich die Konsumausgaben groß ausweiten? Die, die es könnten, werden es nicht tun und weiter sparen, weil unklar ist, wie sich die Weltwirtschaft entwickeln wird. Und die ärmeren Haushalte können es nicht tun, weil sie die Kaufkraft nicht haben. Darum muss die Kaufkraft der sozial Schwächeren gestärkt werden und es braucht öffentliche Investitionen, die unmittelbar soziale und ökologische Probleme lösen. Ein solches Programm ist derzeit nicht vorhanden“, erklärt der Ökonom Stephan Schulmeister.
Doch wie könnte ein derartiges Programm ausschauen? Inspiration könnte sich die Regierung in der Kreisky-Zeit holen. Als sich zwischen 1980 und 1983 die Arbeitslosigkeit von 1,9 Prozent auf 4,5 Prozent mehr als verdoppelte, startet der damalige Sozialminister Alfred Dallinger (SPÖ) die „experimentelle Arbeitsmarktpolitik“. Bis in das Jahr 1980 hatte Österreich praktisch Vollbeschäftigung. Zu Beginn des Jahres stieg die Zahl der Arbeitslosen aber an. Eine internationale Wirtschaftsflaute und die Stahlkrise wirkten sich auf die heimische verstaatlichte Wirtschaft (VOEST und Zuliefer-Betriebe) und den Arbeitsmarkt aus.
Jetzt sind die 4,5 Prozent Arbeitslosigkeit von damals Werte, von denen wir heute nur träumen können. Doch für Dallinger war auch das zu viel. Er erkannte, dass die alten Maßnahmen, die im Wesentlichen nur vorübergehende Lohnausfälle ausgleichen sollten, nicht mehr tauglich waren. Er startete intensive Beratungsleistungen für Arbeitslose und Umschulungsmaßnahmen. Gleichzeitig wurde die Arbeitszeit fairer verteilt: Mit der Einführung der 5. Urlaubswoche und der Vorarbeit für die Einführung der 38,5 Stunden Woche wurden zwischen 1980 und 1990 die Arbeitszeiten für die Österreicher effektiv verkürzt. Dallingers experimentelle Arbeitsmarktpolitik zielte aber auch auf die Schaffung von Jobs im öffentlichen, sozialen und kulturellen Bereich ab.
Die Regierung Kreisky setzte dabei auch auf die Aktion 8.000. Menschen, die länger als 12 Monate keine Arbeit hatten, bekamen Jobs bei Gemeinden, Sozialvereinen oder Kultureinrichtungen. Anfangs wurden die Arbeitsplätze noch stark gefördert, schrittweise zog sich dann der Staat aus der Finanzierung zurück. Die Grundidee war einfach: Statt den Arbeitssuchenden das Arbeitslosengeld zu überweisen, soll etwas mehr Geld in die Hand genommen werden, um einen Arbeitsplatz mit ordentlichem Gehalt in einem gesellschaftlich nützlichen Bereich zu finanzieren. Die Ergebnisse des Jobprogramms konnten sich sehen lassen: Zwischen 1983 und 1995 wurden rund 11.500 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen.
Einer dieser Jobs entstand bei der heute international bekannten Organisation „Vier Pfoten“. Der Verein gründete sich 1988 und arbeitete anfangs rein ehrenamtlich. Mit der Aktion 8.000 wurde eine erste Festanstellung beim Verein finanziert. Vier Pfoten konnte sich professionalisieren, wuchs, konnte neue Einnahmequellen etwa aus Spenden aufstellen und die Aktion 8.000-Stelle wurde später vom Verein selbst finanziert. Heute beschäftigt Vier Pfoten an mehreren Standorten in Österreich rund 100 Mitarbeiter. Die Geschichte der Tierschutzorganisation ist nur ein Beispiel von vielen: 36 Prozent der durch die Aktion 8.000 geförderten Personen haben einen langfristigen Arbeitsplatz erlangt.
Auf ebenso gute Zahlen kommt die vom damaligen Bundeskanzler Christian Kern gestartete Aktion 20.000 – sie funktionierte nach einem ähnlichen Prinzip wie Dallingers Jobprogramm. Jeder dritte Teilnehmer der Aktion bekam nach Auslaufen der Förderung einen langfristigen Arbeitsplatz. Schon nach dem ersten Jahr ersparte sich der Staat rund 17 Mio. Euro Arbeitslosengeld. Seine volle Wirkung konnte das Projekt nicht entfalten, es wurde von Kurz’ schwarz-blauer Regierung eingestellt. Doch gerade jetzt in der Krise wäre sie sinnvoll. Das findet auch der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer:
„Jetzt müsste man die Aktion sofort wieder starten, um den 30.000 Covid-Langzeitbeschäftigungslosen gemeinnützige oder kommunale Beschäftigung zu ermöglichen und so Armut zu verhindern. Im nächsten Schritt soll für alle Langzeitbeschäftigungslosen eine Jobgarantie gelten“, sagt der Ökonom im Kontrast-Interview.
Die SPÖ setzte sich im Nationalrat für eine Neuauflage der Aktion ein und will sie auch gleich an die Herausforderungen der Krise anpassen. Statt 20.000 Arbeitsplätze zu fördern, sollen gleich doppelt so viele Menschen davon profitieren. Die von der SPÖ geforderte Aktion 40.000 wurde am Mittwoch im Parlament von ÖVP, Grünen und Neos abgelehnt.
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