Frauen & Chancengleichheit

Der Frauenstreik in der Schweiz bewegte das Land, die Rechts-Regierung ignoriert ihn

In der Schweiz haben über 500.000 Menschen am Frauenstreik teilgenommen. Unter dem Slogan Lohn.Zeit.Respekt. fordern sie eine gerechtere Gesellschaft für Frauen. Zwar ist die Schweiz eines der reichsten und modernsten Länder der Welt, doch hinkt sie im Bereich Gleichberechtigung hinterher. Sarah Schilliger, eine der Mitorganisatorinnen des Frauenstreiks, im Gespräch mit Kontrast.

Die Innenbezirke aller großen Schweizer Städte waren voller Menschen. Auch in vielen Kleinstädten und Dörfern fanden Kundgebungen und Demonstrationen statt. Beim landesweiten Frauenstreik forderten über eine halbe Millionen Menschen die längst überfällige Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Bereichen.

Tausende Frauen haben sich im ganzen Land zusammengeschlossen, um einen landesweiten Frauenstreik zu organisieren. Der Streik am 14. Juni 2019 war jedoch nicht der erste.

Denn am 14. Juni 1991 fand der erste Frauenstreik in der Schweiz statt. Arbeiterinnen aus der Uhrenindustrie führten ihn an und forderten den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen. Gefordert wurde dabei die Umsetzung des Gleichstellungsartikels, der seit 1981 Jahren in der Verfassung stand. Der Frauenstreik 2019 schließt an diese Bewegungen an und kritisiert das Schleich-Tempo, mit dem die Gleichberechtigung voranschreitet.

Eine violette Schnecke dient dem Schweizer Frauenstreik als Symbol. Das Tier verkörpert die Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Geschlechter-Gleichberechtigung.

Sarah Schilliger, eine der Organisatorinnen des Frauenstreiks, war in Wien und hat über ihre Erfahrungen im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft gesprochen.

„Wir sind eine breite Bewegung“

Schilliger berichtete, dass der Frauenstreik in allen Teilen der Gesellschaft Resonanz findet:

„Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten waren dabei. Wir hatten Pensionistinnen, junge Akademikerinnen, migrantische Arbeiterinnen, Queer-Feministinnen. Es war uns wichtig, dass wir breit aufgestellt sind.“

Die Gewerkschaften waren schon früh eine der wichtigsten Stützen in der Streik-Organisation. Es marschierten aber auch verschiedene konfessionelle Gruppen mit, etwa der Frauenverband der katholischen und evangelischen Kirche. Zentral war für die Initiatorinnen auch, dass jene Frauen im Streik präsent sind, die oft am Rande der Gesellschaft stehen – etwa Arbeiterinnen mit Migrationshintergrund.

Schilliger schildert, dass auch Frauen aus Lateinamerika und Spanien eine zentrale Rolle in den Streiks spielten. Spanien galt den Eidgenossinnen auch als Vorbild für ihren Streik. Dort beteiligten sich letztes Jahr mehr als 5,3 Millionen Menschen am Frauenstreik zum 8. März. Weitere Inspiration war der Women’s March in der USA und die #metoo-Debatte.

„Das ganze Land den Frauen“

Neben den Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen, die in etlichen Städten und Dörfern stattfanden, verließen viele Frauen ihren Arbeitsplatz früher als gewöhnlich oder machten längere Pausen und holten sich so anderthalb Stunden ihres Arbeitstages zurück. In der Schweiz verdienen Frauen heute noch etwa 20% weniger als ihre männlichen Kollegen. Gerechnet auf 8 Stunden arbeiten Frauen also jeden Tag eineinhalb Stunden „gratis“. Diese Zeit haben sie sich am 14. Juni zurückgeholt.

AktivistInnen des Frauenstreiks in der Schweiz dekorierten Statuen im Sinne des Gleichberechtigung um.

Auch Männer beteiligten sich an den Streik-Bemühungen. Sie marschierten auf den Kundgebungen mit oder übernahmen Haus- und Erwerbsarbeit von Frauen, damit diese sich am Streik beteiligen konnten. Viele der Frauen, die nicht am Streik teilnehmen konnten, trugen als Zeichen der Solidarität violette Buttons oder hängten die Fahne der Streikbewegung aus ihren Fenstern.

Der Anspruch des Frauenstreiks, die Vielfalt der Teilnehmerinnen darzustellen, wirkte sich auch auf die Aktionsformen des Streiks aus. Neben einer Kinderwagen-Parade gab es auch ein Rollator-Rennen, Performances und Musik. Auch die Städte selbst wurden dekoriert. So wurde eine Vielzahl von Statuen dem Anlass entsprechend gekleidet. Zusätzlich haben Aktivistinnen Straßen umbenannt, um Leistungen von Frauen hervorzuheben.

Zum Frauenstreik in der Schweiz wurden viele Straßennamen nach bedeutenden Frauen umbenannt. Anni Lanz ist eine Schweizer Menschenrechts-Aktivistin.

„Noch Tage nach dem Streik spürte ich ein Gefühl von Solidarität zwischen Frauen. Wildfremde Frauen lächelten sich auf der Straße an, umarmten sich und unterstützten einander“, erzählt Schilliger.

Frauenstreik-Manifest: Forderungen für eine gerechtere Welt

Die Forderungen des Frauenstreiks haben die Aktivistinnen in einem Manifest aufgeschrieben. Es spiegelt die Vielfalt der Bewegung wider und erfasst alle Bereiche der Gesellschaft.

  • Ende von Lohnungleichheit und Diskriminierung in der Arbeitswelt

Nicht nur muss der Grundsatz Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für alle Bereiche der Arbeitswelt gelten, sondern mehr Frauen sollen in Führungspositionen aufsteigen. Außerdem müssen sogenannte Frauenberufe angemessene Wertschätzung und Entlohnung erfahren. Das muss sich auch in den Pensionen widerspiegeln.

  • Gerechte Aufteilung von Pflege- und Hausarbeit

Frauen erledigen den Großteil der Pflege von Alten und Kranken, der Kindererziehung sowie der Hausarbeit. Und das meist unentgeltlich. Das stellt eine enorme Belastung dar. Diese Tätigkeiten müssen endlich als Arbeit anerkannt werden. Nicht nur müssen Männer ihren Anteil an dieser Arbeit leisten, auch muss der Staat den Wert dieser Arbeit akzeptieren und unterstützend tätig werden.

  • Arbeitszeit-Verkürzung

Die Arbeitszeit ist immer noch am Modell eines Vollzeit arbeitenden Mannes und einer Hausfrau orientiert. Dieses Modell entspricht nicht mehr der Realität. Es führt dazu, dass Frauen überdurchschnittlich stark belastet werden. Eine Arbeitszeit-Verkürzung zu gleichem Lohn für alle würde vor allem Frauen entlasten.

  • Kampf gegen sexuelle Gewalt

In der Schweiz sterben monatlich zwei Frauen unter den Attacken ihres (Ex)-Partners. 2 von 5 Frauen erfahren in der Partnerschaft im Laufe ihres Lebens physische und/oder sexuelle Gewalt. Neben Präventiv-Programmen, die bereits in der Schulzeit ansetzen müssen, braucht es auch mehr Unterstützung für die Opfern sexueller Gewalt.

  • Ende der patriarchalen Strukturen

Viele Institutionen des täglichen Lebens sind auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten und benachteiligen Frauen. In der Medizin etwa werden Medikamente dem männlichen Körper angepasst. In der Schule werden diskriminierende Rollen weitergegeben. Um Sexismus zu bekämpfen, müssen sich diese Institutionen ändern und die Diskriminierung von Frauen beenden.

Parallelen Frauenstreik Schweiz und Frauenvolksbegehren Österreich

Die meisten Forderungen des Frauenstreiks in der Schweiz finden sich auch im österreichischen Frauenvolksbegehren des letzten Jahres. Fast eine halbe Millionen Menschen haben es unterschrieben. Dennoch wurden die Forderungen im Parlament von der schwarz-blauen Regierung abgeschmettert.

Fast eine halbe Millionen Menschen haben das Frauenvolksbegehren in Österreich unterschrieben.

Einen ähnlichen Widerspruch zwischen Bevölkerung und Regierung sieht Schilliger auch in der Schweiz. Während die Bewegung das ganze Land mitriss, reagierte das konservativ dominierte Parlament kaum. In der Woche nach dem Frauenstreik wurde im Schweizer Parlament über einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub debattiert, was die rechte Ratsmehrheit immer noch viel zu teuer fand.

Der Frauenstreik 2019 wird eines der prägenden Erlebnisse einer jungen, bewegten Generation sein, die endlich keinen «Patriarkater» mehr haben will, wie auf einem Demotransparent stand. Einfluss hat der Frauenstreik auch auf die Schweizer Sozialdemokratie. Nicht nur sind Gewerkschaften und die JungsozialistInnen der Schweiz an der Organisation des Streiks beteiligt gewesen; auch Inhalte des Frauenstreiks finden ihren Weg in das Parteiprogramm der Schweizer Sozialdemokratie.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 60%, 1366 Stimmen
    60% aller Stimmen 60%
    1366 Stimmen - 60% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 344 Stimmen
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    344 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 286 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    286 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 197 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    197 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 102 Stimmen
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    102 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2295
12. März 2024
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