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Können wir gewinnen? Gedanken nach der Großdemonstration

Am Samstag fand mit über 100.000 Menschen die größte Demonstration seit 15 Jahren statt (2003). Am Montag ging es weiter mit Betriebsversammlungen bei der ÖBB, Standorten der VOEST, Andritz, Böhler und der OMV. Spannend ist, dass dieses vehemente Auftreten der Gewerkschaften gegen den 12-Stunden-Tag die Regierung das erste Mal richtig in die Defensive bringt. Was können wir daraus lernen und wie können wir wieder die Mehrheit der Bevölkerung für eine soziale Politik gewinnen?

Laut einer Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek lehnen 59% der Österreicherinnen und Österreicher die geplanten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes ab. Letzte Woche kritisierte die Bischofskonferenz die Regierungspläne mit scharfen Worten. Konservative Medien wie die Tageszeitung die Presse berichten ungewöhnlich kritisch. Karikaturisten nicht eben SPÖ- freundlicher Zeitungen wie Bruno Haberzettel und Pamesberger machen sich in den Sonntagsausgaben von Kurier und Krone über den Begriff der “Freiwilligkeit“ bei 12-Stunden-Tagen lustig. Die ehemalige VP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky spricht von einem Kniefall der Regierung vor der Industrie.

Warum nimmt die öffentliche Meinung plötzlich eine Bahn, die von der Regierung, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung so nicht vorausgesehen wurde? Es gibt viele Ursachen – eine davon ist die entschlossene Reaktion der Gewerkschaften. Wir sind in der Frage der Arbeitszeit authentisch. Wir treten als Bewegung auf und wir haben glaubwürdige Repräsentantinnen und Repräsentanten: Barbara Teiber, Roman Hebenstreit, Wolfgang Katzian, Renate Anderl, Günther den Pflasterer und nicht zuletzt tausende Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die sich für ihre Leute ehrenamtlich aufs Gleis hauen.

Für eine breite Allianz mit der Zivilgesellschaft

Seit langem waren die Worte eines ÖGB-Vorsitzenden nicht so entschlossen wie die von Wolfgang Katzian. “Wenn die Sozialpartnerschaft von der Arbeitgeberseite aufgekündigt wird, was bleibt denn dann übrig als zu kämpfen?“ und “Heute ist erst der Beginn der Bewegung!“ Das macht Mut. Aber viele fragen sich jetzt auch: Wie wird es weitergehen? Wird die Regierung einlenken? Wird Sebastian Kurz mit dem Thema Migration weiter populär bleiben? Wird die Arbeitgeberseite die Sozialpartnerschaft endgültig beenden?

Wolfgang Katzian hat auf Demonstration von der Notwendigkeit gesprochen, eine breite Allianz mit der Zivilgesellschaft zu schaffen. Der 12-Stunden-Tag soll auf der Ebene der Kollektivvertragsverhandlungen weiter bekämpft werden. Das ist sicher die richtige Vorgehensweise. Aber können wir gewinnen? Können wir die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher wieder für eine soziale Politik begeistern? Ich denke die folgenden Punkte sind eine Voraussetzung dafür:

1.)  Sozialpartnerschaft muss erkämpft werden

Die Sozialpartnerschaft ist nicht selbstverständlich. Dauerhaft ist sie nur möglich, wenn Regierung und Wirtschaft wissen, dass der Preis des Ausstiegs aus der Partnerschaft höher ist als der Preis des Verbleibes. Das gilt es jetzt deutlich zu machen.

2.)  Keine Kompromisse, die sich wie Niederlagen anfühlen

Wenn es gelingt, die Arbeitgeberseite wieder an den Verhandlungstisch zu holen, dürfen die Gewerkschaften keine Kompromisse aushandeln, die sich wie Niederlagen anfühlen. Das ist in der Vergangenheit immer wieder passiert. Denken wir an die Pensionskürzung 2003, die zwar etwas abgefedert wurden, aber für die heutige Generation voll schlagend wird.

3.) Die SPÖ muss zur Bewegung werden

Wir brauchen eine SPÖ, die sich als authentische und glaubwürdige Bewegung der 95% aufstellt – an der Seite der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft. In Fragen des 12 Stundentages oder des Arbeitnehmerschutzes muss sie unmissverständlich und ohne Zögern die Schutzmacht der arbeitenden Menschen sein. Dazu braucht es Visionen für ein gutes Leben der Zukunft (30-Stunden-Woche, Pflegeversicherung….). Es geht darum, als Kraft aufzutreten, die die Interessen der 95% gegen die Profitgier der wenigen organisiert.

4.) Die SPÖ muss für Veränderung stehen

Sollte die SPÖ wieder eine Regierung anführen, muss sie anders als 2006 ihre Versprechen einhalten. Koalitionen wie zwischen 2006 und 2017, in denen es hauptsächlich darum ging Schlimmeres zu verhindern, höhlen uns innerlich aus.

5.) Keine Angst vor dem Thema Migration!

Die Regierung ist im Wesentlichen nur in einem Thema wirklich stark. Das ist das Thema Migration. Die Kernkompetenz der Sozialdemokratie ist die soziale Frage. Aber es gilt auch aufzuzeigen, dass Kurz und Strache in der Frage der Migrationspolitik völlig versagen.

Die wesentlichen Migrationsursachen sind die Ausbeutung Afrikas durch Agrarmultis, Rohstoffkonzerne und unfairen Handel, sowie die direkte und indirekte (Waffenhandel) kriegerische Einmischung westlicher Großmächte und Russlands im Nahen Osten (Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan,…).  Schlussendlich der Klimawandel.

Alle drei Migrationsursachen sind aufs Engste damit verwoben, dass Profite mehr zählen als Menschen. Wenn wir das nicht grundsätzlich ändern, sind immer größere Migrationswellen unvermeidlich. Keine Militarisierung irgendwelcher Außengrenzen, keine Anlandelager können das aufhalten. Sebastian Kurz, HC Strache und seine Freunde werden niemals wirklich Fluchtursachen bekämpfen, weil sie aufs engste mit den Profitinteressen der Großkonzerne verwoben sind und genau das turbokapitalistische Wirtschaftssystem bedienen, das immer wieder neue Migrationswellen hervorbringt.

Migrationskrisen können nur verhindert werden, wenn die Bewegung der 95% gegen die maßlose Profitgier einiger weniger zu einer internationalen Bewegung auf allen Kontinenten wird, wie es dem ursprünglichen Gedanken der Gewerkschaftsbewegung und der Sozialdemokratie entspricht.

 

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 60%, 1296 Stimmen
    60% aller Stimmen 60%
    1296 Stimmen - 60% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 328 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    328 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 267 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    267 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 8%, 181 Stimme
    8% aller Stimmen 8%
    181 Stimme - 8% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 95 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    95 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2167
12. März 2024
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Josef Falkinger

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