Frauen & Chancengleichheit

Salzburgs Frauen bekommen von ÖVP & FPÖ Herdprämie statt Kindergärten

Seit Mai 2023 ist es fix: In Salzburg wird eine schwarz-blaue Koalition regieren. Neben ausländerfeindlichen Maßnahmen – wie etwa die Einführung einer Deutschpflicht bei geförderten Mietwohnungen – und der Beschneidung der Landesumweltanwaltschaft, stoßen vor allem die frauenpolitischen Vorhaben auf breite Kritik. Mütter und – seltener – Väter sollen gefördert werden, wenn sie ihre Kinder lange zu Hause betreuen. Eine „Herdprämie“, die Rollenbildern aus den 1950ern entspricht, lautet die breite Kritik. Auch gegen Schwangerschaftsabbrühe wollen ÖVP und FPÖ mobil machen.

Im Mai haben sich ÖVP und FPÖ in Salzburg auf eine gemeinsame Regierung geeinigt. Und das, obwohl ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer im Wahlkampf noch davor gewarnt hat, dass mit den Freiheitlichen in Salzburg auch „Kickl, Landbauer und Waldhäusl im Gepäck“ sind. Ähnlich wie in Niederösterreich. Dort hat ÖVP-Landeshauptfrau Mikl-Leitner im Wahlkampf auch noch ausgeschlossen, mit der FPÖ unter Udo Landbauer zu koalieren – doch hat kurz nach der Wahl genau das getan. Nach Niederösterreich und Oberösterreich gibt es also ein drittes schwarz-blau regiertes Bundesland. Aus frauenpolitischer Sicht heißt das nichts Gutes, wie ein Blick in das Regierungsprogramm zeigt.

Herd-Prämie für Frauen – statt Kindergarten-Ausbau und Vereinbarkeit

FPÖ-Salzburg-Chefin Marlene Svazek behauptet, Familie sei „das Wichtigste überhaupt“. Sie wird neben den Umweltschutz- und Integrationsagenden auch für die Kinderbetreuung zuständig sein. Auch im Regierungsprogramm sind „unsere Familien“ als „Keimzelle der Gesellschaft“ festgeschrieben. 

Man soll wertschätzen, wenn Familien ihre Kinder „familienintern“ betreuen. Wenn Mütter – denn diese kümmern sich in den meisten Fällen um die Kinderbetreuung – zuhause bei den Kindern bleiben, will sie Salzburg künftig finanziell fördern. Für alle Familien werde das freilich nicht gelten – denn „klare Reglementierungen in Hinblick auf Spracherwerb und Integration“ sollen geprüft werden. Frauen sollen die „Wahlfreiheit“ haben, so die Argumentation von ÖVP und FPÖ. 

Wenn die ÖVP kann, koaliert sie am liebsten mit der FPÖ – egal, wie sehr deren Aushängeschilder im braunen Sumpf versinken. Mit Salzburg ist nun das dritte Bundesland Schwarz-Blau regiert.

Breite Kritik von Grüne, Neos, SPÖ, AK und Frauenorganisationen

SPÖ, Grüne, Neos und Arbeiterkammer kritisieren die „Herdprämie“ scharf. Derartige Prämien sind nicht existenzsichernd und machen am Ende Frauen von ihren Partnern abhängig. Zudem kann von Wahlfreiheit  keine Rede sein, wenn flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung nicht vorhanden ist – so die Kritik. Im EU-Vergleich ist Österreich „sehr hintennach, was die Kleinkindbetreuung betrifft“, erklärt AK Wien Leiterin Frauen und Familie Ingrid Moritz im ORF. Viele Frauen wollen einen Kindergartenplatz, bekommen aber keinen. „Wenn man jetzt noch Frauen bezahlt, die ihre Kinder zuhause betreuen, schreibt man dieses Versagen fort“, sagt auch AK-Expertin Katharina Mader im Profil. Hinzu komme laut Mader, dass solche Maßnahmen den Müttern den Wiedereinstieg ins Berufsleben massiv erschweren.

Dabei sind die Berufsunterbrechungen von Frauen hierzulande bereits jetzt schon länger als in anderen EU-Ländern, erklärt Moritz. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Frauengehälter und -Pensionen. „Wahlfreiheit würde es geben, wenn man einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung hat“, sagt die Expertin. Darüber hinaus fordert Moritz mehr Maßnahmen, um die Betreuung zwischen Vätern und Müttern partnerschaftlicher aufteilen.

Rollenbilder aus den 1950er Jahren

„Das ist ein uralter Hut und ist ein Schritt zurück in die 1950er Jahre“, sagt Publizistin Elfriede Hammerl gegenüber Kontrast. „In Wirklichkeit schreibt man damit die alten Rollenmuster fort: Die Frauen bekommen Geld fürs Zuhausebleiben, die Männer sind die Familienerhalter.“ Denn diese Rollenbilder und die fehlenden Kindergärten hindern Frauen daran, berufstätig zu sein, was sie finanziell von ihrem Ehemann abhängig mache, so Hammerl weiter. „Die Scheidungsrate wird dabei völlig außer Acht gelassen. Frauen gehen da ein großes Risiko ein.“ Es sei auch „idiotisch“, dass mit einer kleinen Förderung die verlorenen Karrierechancen von Frauen kompensiert werden könnten. Stattdessen würde die Landesregierung einfach weniger Geld für Kinderbetreuung ausgeben:

„Es ist absurd, von Wahlfreiheit zu sprechen, wenn Kinderbetreuung nicht zur Wahl steht, weil sie nicht verfügbar ist.“

Salzburg folgt den Vorhaben in Niederösterreich 

Damit folgt Salzburg dem niederösterreichischen Vorhaben. Auch dort sieht das Regierungsprogramm vor, eine Arbeitsgruppe „zur Erarbeitung einer finanziellen Aufwertung für die Kinderbetreuung im Familienverband“ einzusetzen.   Auch hier sollen Spracherwerb und Integration eine Rolle spielen. 

Die niederösterreichische Gemeinde Berndorf könnte dabei eine Blaupause sein. Dort bezuschusst die Gemeinde bereits seit 10 Jahren Familien, wenn Kinder unter drei Jahre zuhause bleiben. Eine Krabbelstube gibt es nicht – aufgrund „des mangelnden Bedarfs“, wie die Gemeinde im Profil erklärte

Salzburg will Hürde für Schwangerschaftsabbrüche erhöhen

Ein weiterer Punkt im Salzburger Regierungsprogramm ruft große Proteste hervor. Demnach wollen ÖVP und FPÖ eine „Informationskampagne des Landes zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ausarbeiten.“ Eine anonymisierte Studie solle die Gründe aufzeigen, um das „Beratungsangebot anpassen zu können.“

Für Publizistin Elfriede Hammerl ist das „ein Kniefall vor der Kirche und all diesen Bewegungen, die sich vehement gegen Abtreibung einsetzen. Es ist ein Kniefall vor den erzreaktionären Wählerkreisen“, sagt sie.

„Ich kenne Frauen, die mittlerweile schon älter sind und – noch vor der Fristenlösung – aus einer Notsituation heraus ihr Kind zur Adoption freigeben haben. Das ist ein lebenslanger Schmerz und eine lebenslange Sorge für die Mütter, weil man ja nicht weiß, was aus dem Kind geworden ist. Die Vorstellung, Schwangere würden sich darauf einlassen wollen, ist absurd“, erzählt Hammerl im Gespräch.

Auch die Initiative Pro Choice in Österreich kritisiert die Pläne der Salzburger Landesregierung in diesem Bereich: „Frauen entscheiden und bezahlen ihre Abbrüche selbst. Ihre Entscheidung geht niemanden etwas an, schon gar nicht die Politik, Statistiken darüber sind unzulässig.“

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