Europa

Straches Vorbild: So kontrolliert Orbàn Ungarn

Strache nannte im Ibizia-Video ausgerechnet Viktor Orbáns Ungarn als Vorbild für den geplanten Umbau Österreichs. Der ungarische Regierungschef ist zum Sinnbild des Rechtsrucks in Europa geworden. Orbán zeigt wie kaum ein anderer, wie schnell ein Land aus der Mitte an den rechten Rand abrutschen kann: Oligarchen bedienen, Medien kontrollieren, Gewerkschaften attackieren. All das macht Orbán in Ungarn. Hier ein Überblick über den autoritären Umbau Ungarns.

Die Regierung von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache nannte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erst kürzlich noch ein Vorbild für ganz Europa: „Europa sollte das Modell Österreich übernehmen“, erklärte er Anfang Mai. Auch umgekehrt hat Österreichs Regierung Orbáns Ungarn stets verteidigt. Und auf die Ibiza-Affäre des ehemaligen Vizekanzlers HC Strache reagierte Orbán offensiv:  „Eine außerordentliche Jagdsaison ist eröffnet“, sagt er. Das passt zu Orbán: Kritik nicht gelten lassen, Kritiker abservieren und Diskussionen unmöglich machen.

Orbán postet noch im Mai vom Staatsbesuch in Budapest

Orbán macht seit Jahren Jagd auf Menschen, die dem autoritären Umbau Ungarns im Weg stehen. Hier ein Überblick.

400 Überstunden pro Jahr – bezahlt nach 3 Jahren

Im Dezember 2018 hat die Partei von Viktor Orbán ein neues Arbeitszeit-Gesetz beschlossen: Ungarische Beschäftigte dürfen jetzt 400 Überstunden pro Jahr leisten. Das heißt: Kein Arbeitstag mehr ohne Überstunde. Und mehr noch: Unternehmen dürfen sich 3 Jahre Zeit lassen, um die Überstunden zu bezahlen. Das heißt: Viele Überstunden müssen nicht mehr als solche vergütet werden.

Der ungarische Gewerkschafter Károly György berichtet, dass es im Vorfeld keine Diskussionen über den Gesetzesentwurf gegeben hat. Orbáns Partei FIDESZ griff auf einen einfachen Trick zurück: Nicht die Regierung, sondern ein einzelner Abgeordneter brachte das Gesetz ein – so war keine Begutachtung notwendig und das Gesetz konnte schnell durchgepeitscht werden.

Tausende Ungarn gingen in Budapest und anderen Städten auf die Straße, es waren die größten Proteste in Ungarn seit mehr als zehn Jahren. Die Medien ließ er über die Proteste schweigen:

Im öffentlichen Fernsehen und Radio gab es keine Berichte über die Proteste. Im Gegenteil: Im Fernsehen hat man Bilder der Demonstration gezeigt und behauptet, es handelt sich um Spaziergänger, die die Weihnachtsdekoration in Budapest bewundern. – Karloy György

Angriff auf Gewerkschaften

Um ein so arbeiterfeindliches Gesetz durchzubekommen, musste Orbán zuerst die Gewerkschaften schwächen. Damit begann er bereits in seiner ersten Amtszeit. Obwohl wenige Ungarn gewerkschaftlich organisiert und Kollektivverträge selten sind,  hat es Orbán auf die Gewerkschaften abgesehen. Auch das Streik- und Versammlungsrecht ist mittlerweile so stark eingeschränkt, dass Protestaktionen einvernehmlich mit den Behörden organisiert werden muss. Heute stehen die Gewerkschaften so unter Druck, dass sie den Sozialdemokratischen EU-Spitzenkandidaten Frans Timmermans nur im Geheimen, in einem fensterlosen Raum, treffen wollten.

Sozialdemokrat Timmermans berichtet von seinem geheimen Treffen mit ungarischen Gewerkschaften

Zensur der Medien

Im Ibiza-Video sprach Heinz-Christian Strache davon, das österreichische Mediensystem nach dem Vorbild Ungarns umbauen zu wollen. „Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen“, sagt er dort.

Unabhängige Medien sind Orbán schon lang ein Dorn im Auge. Als die FIDESZ bei den Wahlen keine Verfassungsmehrheit erreichte, gab er den Medien die Schuld. Dank einer Reform des Wahlrechts erhielt Orbán diese Verfassungsmehrheit schließlich – und sein erste Ziel waren die unabhängigen Medien. Orban baute sich ein Medienimperium auf: Alle vier ungarischen Fernsehsender, sieben Radioprogramme und die Nachrichtenagentur Magyar Távirati Iroda (MTI) wurden unter dem Dach eines Mediendienstleistungs- und Vermögensfonds (MTVA) zusammengelegt. Kontrolliert wird diese Medienimperium von FIDESZ-Anhängern. In Folge der Machtübernahme kam es dann zur massenhaften Entlassung von kritischen JournalistInnen.

Unabhängige Medien waren Orban schon lang ein Dorn im Auge. Deshalb waren sie nach seiner Wiederwahl 2010 sein erstes Angriffsziel.

Als nächstes schuf Orbán eine Medienkontrollbehörde. Die kontrolliert jene Medien, die noch nicht zu den Orbán Medien gehören. Die Behörde kann Geldstrafen von bis zu 90.000 Euro verhängen – absichtlich hoch, um kritischen Medien mit dem Ruin zu drohen. An der Spitze der Behörde steht eine regierungstreue Präsidentin, die für neun Jahre ernannt wurde. Seither dominieren im öffentlichen Fernsehen Unterhaltungssendungen mit nationaler Note.

Seit 2014 gibt es außerdem die Mediensteuer. Die Einnahmen durch die Steuer sind zwar eher gering, aber unabhängige Medien werden zusätzlich unter finanziellen Druck gesetzt. Selbst die staatlichen Medien haben gegen die neue Mediensteuer protestiert.

Der Falter veröffentlicht das Video, das Strache zum Verhängnis wird

EU-Gelder für Orbán-Freunde

Jedes Jahr fließen Millionen an EU-Förderungen nach Ungarn. Dort sollen sie Infrastrukturprojekte wie Schulen und Straßen ermöglichen. Aber allzu oft kommen die Gelder nie bei den Projekten an, sondern verschwinden in den Taschen von FIDESZ-Leuten. Orbán hat es perfektioniert, Ausschreibungen so zu gestaltet, dass nur Orbán-treue Unternehmen zum Zug kommen. Dadurch konnte das Umfeld Orbáns enormen Reichtum anhäufen. Ein gutes Beispiel dafür ist der milliardenschwere Oligarch Lorinc Mészáros.

Da haben gewiss der Liebe Gott, das Glück und die Person von Viktor Orbán eine Rolle gespielt. – Lorinc Meszaros über sein Vemögen

Auch ungarische Medien titeln: Orbáns bester Freund ist der reichste Mann Ungarns. (Quelle: dailynewshungary.com)

Auch Orbáns Schwiegersohn profitierte von EU-Förderungen, die eigentlich der Bevölkerung hätten zugute kommen sollen. Seine Firma bekam den Zugschlag für die Neuerung der Straßenbeleuchtung in ungarischen Gemeinden. Obwohl die EU die Unregelmäßigkeiten anprangerte, blieben die ungarischen Behörden untätig. Denn die Justiz geht gegen Orbáns Vertrauter nicht vor.

Kontrolle über die Justiz

Das ungarische Parlament: hier werden Orbàns Gesetze durchgepeitscht

Zentral für das System-Orbán war die Aushebelung der unabhängigen Justiz. Orbán besetzt die wichtigsten Posten des Rechtssystem mit seinen Freunden. So ist etwa das langjährige FIDESZ-Mitglied und enger Freund Orbán, Péter Polt, der Oberste Staatsanwalt Ungarns. In dieser Rolle unterbindet er Verfahren gegen Orbán und sein Umfeld. Eine weitere Schlüsselfigur ist Tünde Handó, die Ehefrau des Fidesz-Mitgründers József Szájer. Sie ist zuständig für die Ernennung neuer RichterInnen. Der Richterrat, der seit 2012 über die Unabhängigkeit der Justiz wachen soll, wirft ihr vor, sich von politischen Motiven leiten zu lassen. Als Reaktion darauf, versuchte Handó den Richterrat zu entmachten.

Der nächste Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz ist das neue Oberste Verwaltungsgericht. Dessen Entscheidungen können nicht mehr vom Verfassungsgericht gekippt werden. Das Ziel: Politisch relevante Verfahren dem Justizsystem zu entziehen. Zuvor wurde schon die Kompetenz des Verfassungsgerichtshof beschnitten.

Vorgehen gegen Minderheiten

Auch gegen Minderheiten geht Orbán gezielt vor. Seine Hasstiraden gegen den ungarisch-stämmigen, jüdischen Unternehmer George Soros klingen nach antisemitische Propaganda. Und auch Roma und Homosexuelle sind nicht mehr sicher in Ungarn.

Wiederholt kam es zu Gewalttaten gegen die Roma-Minderheit in Ungarn. Die FIDESZ-Regierung hat nur wenig Interesse daran, diese aufzuklären. Im Gegenteil: Sie unterstützen die Zerstörung von Roma-Siedlungen. Und als zu Ostern 2011 ein Roma-Dorf vom Roten Kreuz evakuiert werden musste, weil eine rechtsextreme paramilitärische Gruppe dort eine Schießübung geplant hatte, bezeichnete ein Regierungssprecher die Evakuierung als einen länger geplanten Osterausflug. Ein weiteres erschreckendes Beispiel ist Zsolt Bayer, ein hochrangiges FIDESZ-Mitglied und enger Freund Orbáns. Er bezeichnete Roma als Tiere.

Weltweit feiert man den Christopher Street Day

Auch gegen Homosexuelle hetzt die Orbán-Partei immer wieder. Der Budapester Oberbürgermeister und FIDESZ-Politiker István Tarlós bezeichnete Homosexualität alswidernatürlich und ekelhaft“. Imre Kerényi, Sonderbeauftrager des Regierungschefs Viktor Orbán für Kulturfragen, rief zum Kampf gegen die „Lobby der Schwuchteln“ auf.

Orbán als Vorbild für Kurz und Strache

Trotz allem hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Kollegen aus der Europäischen Volkspartei wiederholt gegen Angriffe verteidigt und lässt sich gern mit ihm gemeinsam ablichten. Strache war erst letzte Woche auf offiziellem Besuch bei Viktor Orbán. Dort versuchte er Orbán für die neue Rechtsfraktion im Europaparlament zu gewinnen. Aber auch Orbán hegt große Sympathien für Kurz und Strache. Die österreichische Regierung sieht er als Vorbild für Europa.

 

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 60%, 1302 Stimmen
    60% aller Stimmen 60%
    1302 Stimmen - 60% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 328 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    328 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 271 Stimme
    12% aller Stimmen 12%
    271 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 8%, 184 Stimmen
    8% aller Stimmen 8%
    184 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 96 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    96 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2181
12. März 2024
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Thomas Hackl

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