ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss

U-Ausschuss deckt auf: Noch mehr Umfrage-Affären, diesmal beim Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium

Wenn ein Ministerium Steuergeld für Parteizwecke benutzt, ist das illegal. Genau das vermutet die Opposition nicht nur beim Finanzministerium, sondern auch beim Wirtschafts- sowie dem Landwirtschaftsministerium. Allesamt ÖVP-geführt. Denn die haben zwischen 2019 und 2021 Umfragen in Auftrag gegeben, die der ÖVP dienten. Im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss wurden nun ranghohe Beamte aus beiden Ministerien sowie Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger befragt. Die Erklärungsversuche waren mitunter abenteuerlich.

Haben ÖVP-Ministerien Steuergeld für Parteizwecke verwendet?

Das Beinschab-Tool beschäftigt seit seinem Bekanntwerden im Herbst 2021 nicht nur das Parlament, sondern auch die Justiz. Der Verdacht: Mit Steuergeld aus dem Finanzministerium sollen parteipolitische Umfragen finanziert worden sein. Jetzt wurde im U-Ausschuss bekannt, dass es vermutlich sehr ähnliche „Tools“ auch im Wirtschafts- sowie im Landwirtschaftsministerium gab. Und zwar über das Institut Demox, dessen Geschäftsführer Paul Unterhuber früher selbst im ÖVP-Klub des Wiener Rathauses tätig war. Zwischen 2019 und 2021 flossen aus dem Wirtschafts- sowie dem Landwirtschaftsministerium fast 300.000 Euro an die Demox Research GmbH.

Wenn Ministerien Steuergeld dazu verwenden, um für Parteizwecke Umfragen erstellen zu lassen, hat die Partei dadurch nicht nur einen großen Startvorteil – weil sie ihre Politik an Umfragen und somit an die Stimmung in der Bevölkerung anpassen kann. Sondern sie begeht dadurch auch Steuergeldmissbrauch. Demnach ist eine zentrale Frage, ob die Umfragen tatsächlich im Interesse des Ministeriums waren und damit dessen gesetzlichen Auftrags entsprachen, oder aber für die ÖVP durchgeführt worden sind.

Während es am Mittwoch im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss um das Wirtschaftsministerium ging, nahmen am Donnerstag die Abgeordneten das Landwirtschaftsministerium unter die Lupe. Die Erklärungsversuche der Auskunftspersonen waren mitunter abenteuerlich.

Wirtschaftsministerium fragt zum Mai-Aufmarsch und zur Oppositionsarbeit

Ex-Wirtschaftsministerin Schramböck (ÖVP) war aufgrund eines positiven Coronatests nicht im U-Ausschuss anwesend. Stattdessen gaben zwei ihrer damaligen Mitarbeiter aus dem Wirtschaftsministerium Auskunft: der frühere Generalsekretär und Kabinettschef Michael Esterl sowie der damalige stv. Kabinettschef Paul Rockenbauer (der die Position auch bei Schramböcks Nachfolger Martin Kocher ausübt).

Zwischen 2020 und 2021 gab das Ministerium immer wieder Umfragen bei Demox in Auftrag. Die Kosten betrugen fast 230.000 Euro. Das Ministerium ließ unter anderem Meinungen zu den Themen Innere Sicherheit, Steuer- und Budgetpolitik, Sozialsystem, aber auch zur Performance der Opposition unmittelbar vor der Wien-Wahl 2020, abfragen.

Nicht nur im Finanzministerium soll es ÖVP-dienliche Umfrage-Aufträge gegeben haben. Auch im Landwirtschafts- und im Wirtschaftsministerium gab es mitunter seltsame, mit Steuergeld bezahlte Befragungen.

Der Ex-Generalsekretär Esterl konnte sich „beim besten Willen nicht an alle Fragestellungen erinnern“. Außerdem sei er nicht in deren Erstellung involviert gewesen. Dafür sei vielmehr der damalige stellvertretende Kabinettschef Rockenbauer zuständig. Dieser konnte sich in seiner Befragung anschließend allerdings auch nicht mehr an Näheres erinnern. Aber beide Auskunftspersonen hielten fest, dass es im Zusammenhang mit dem österreichischen Wirtschaftsstandort eben sehr viele Themen wichtig seien. Konkret klang die Erklärung dann etwa so:

Kurz vor der Wien-Wahl 2020 ließ das Ministerium Meinungen zum Maiaufmarsch der SPÖ abfragen:

„Wenn Gewerkschaft und Arbeiterkammer am 1.Mai kämpferische Parolen gegen Unternehmen erheben und einen neuen Verteilungskampf fordern: Was denken Sie sich dabei?
– Das ist richtig und gerechtfertigt – wir brauchen einen neuen Verteilungskampf
– Das ist die übliche 1.-Mai-Show und nicht sehr glaubwürdig
– Wir benötigen keinen Kampf, sondern mehr Anstrengungen für ein Miteinander zur Lösung der Krise
– Weiß nicht, keine Angabe“

Inwiefern diese Frage dem gesetzlichen Auftrag des Wirtschaftsministeriums entspricht, beantwortete Esterl unter anderem mit der Wichtigkeit der Sozialpartnerschaft für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Eine weitere Frage befasste sich damit, wem die Corona-Maßnahmen wie Kurzarbeit oder Härtefallfond zugeschrieben werden. Als Antwortmöglichkeiten waren namentlich lediglich drei ÖVP-MinisterInnen (Schramböck, Blümel, Aschbacher) sowie der Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer angegeben.

Was Mahrer damit zu tun habe, beantwortete Esterl damit, dass die Wirtschaftskammer als Sozialpartner viel in der Corona-Krise getan habe. Warum die Gewerkschaft bzw. die Arbeiterkammer nicht abgefragt wurde, erklärte sich nicht.

Schließlich fragte das Institut dreimal danach, wie gut die Arbeit der Opposition bewertet wird: kurz vor der Wien Wahl, im September 2020, Ende April sowie Anfang April.

„Wie sehr stimmen Sie folgenden Aussagen zu? Bitte geben Sie jeweils an, ob Sie voll und ganz, eher, eher nicht oder gar nicht zustimmen. Die Opposition aus SPÖ, FPÖ und NEOS leisten gute Arbeit in der aktuellen Krise.“

Für den Ex-stellvertretenden Kabinettschef Rockenbauer wurden hier die Konzepte der Parteien zu den damaligen Zeitpunkten abgefragt. Welche Konzepte das sein sollen, wenn man nach einer allgemeinen Einschätzung zur Opposition fragt, konnte die Auskunftsperson nicht erklären.

Landwirtschafts- und Tourismusministerium fragte zu Asyl, Arbeitslosigkeit und Gerechtigkeit

Doch auch das Landwirtschaftsministerium unter Elisabeth Köstinger (ÖVP) ließ offenbar ressortfremde Inhalte abfragen. Köstinger bestritt im Ausschuss alle Vorwürfe und verwies darauf, nicht in die Erstellung der Fragen involviert gewesen zu sein. Erst im März 2022 sagte Köstinger im Parlament, sie könnte „absolut ausschließen, dass es Beauftragungen gegeben hat, die nicht mit dem Ressortgegenstand zu tun haben“. Unter Wahrheitspflicht sagte sie vor dem U-Ausschuss: „An meinem Wissensstand (dazu, Anm.) hat sich nichts geändert.“

Im September 2020 ließ das Ministerium etwa abfragen:

„Was, glauben Sie, sind die wichtigsten Probleme, denen sich unser Land heute gegenübersteht? (…)

– Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt
– Zuwanderung, Migration
– Umwelt- und Klimaschutz
– Wirtschaftliche Lage, Wirtschafts- und Finanzpolitik
– Soziale Sicherheit, Soziale Gerechtigkeit
– Gesundheitsversorgung, Gesundheitspolitik“

Die Argumentation der Ex-Ministerin vor dem U-Ausschuss war mitunter absurd. Laut Köstinger sei Gesundheitsversorgung gerade in ländlichen Regionen mit dem Ärztemangel ein wichtiges Thema, weshalb diese Frage auch für ihr Ministerium relevant sei. „Ich halte das, ehrlich gesagt, für eine Unterstellung, dass es da keinen Zusammenhang mit den Zuständigkeiten im Ressort gegeben hat“, sagte sie. Dass Landwirtschaft und Tourismus nicht abgefragt wird, störte sie offenbar nicht.

Auch für das Thema Arbeitslosigkeit interessierte sich das Landwirtschaftsministerium:

„Wie wird sich (…) die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten 12 Monaten entwickeln?“, ließ das Ministerium etwa fragen.
Darauf meinte Köstinger, dass gerade im Tourismus-Bereich die Frage nach Personal zu diesem Zeitpunkt relevant gewesen sei.

Auch Migrationspolitik war für die Tourismusministerin offenbar von Interesse:

„Was glauben Sie, können wir noch mehr Flüchtlinge aufnehmen, als wir bisher schon aufgenommen haben, oder sind unsere Möglichkeiten weitere Flüchtlinge aufzunehmen, erschöpft?“ ließ das Landwirtschafts- und Tourismusministerium abfragen.

Warum? Das habe sie vermutlich abgefragt, weil sie für Telekommunikations-Sicherheit zuständig war. Denn sie habe 2020 zwei Sicherheitsprojekte vom Verkehrsministerium geerbt. Deshalb könnte man erklären, dass man zum Thema Asyl befragt, so die Ex-Ministerin. Bei den zwei Projekten ging es um digitale Angriffe, wie SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer ergänzt. Was das mit der Umfrage zur Aufnahme von Geflüchteten zu tun hat, konnte Köstinger nicht erklären.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 64%, 675 Stimmen
    675 Stimmen 64%
    675 Stimmen - 64% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 13%, 136 Stimmen
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    136 Stimmen - 13% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 11%, 117 Stimmen
    117 Stimmen 11%
    117 Stimmen - 11% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 8%, 80 Stimmen
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    80 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 39 Stimmen
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    39 Stimmen - 4% aller Stimmen
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12. März 2024
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