Vamed-Verkauf: Der umstrittene Investmentfonds PAI Partners kauft mehrheitlich 21 österreichische Reha-Zentren vom ehemals teilstaatlichen Gesundheitskonzern Vamed. Dem Fonds wird vorgeworfen, Bewohner:innen, Patient:innen und Mitarbeiter:innen für Profitmaximierung auszubeuten. Der Vamed-Betriebsrat fordert deshalb ÖVP-Kanzler Nehammer auf, den Verkauf rückgängig zu machen.
Wie nun bekannt wurde, sollen sich die Arbeitsbedingungen der Vamed-Beschäftigten schon jetzt dramatisch verschlechtern: In einem Online-Meeting teilte der Vize-Vorsitzende von PAI Partners den Vamed-Beschäftigten mit, dass sie künftig mehr arbeiten müssen – und dabei weniger Geld verdienen werden. Konkret sollen 80 Beschäftigte in einen ungünstigeren Kollektivvertrag fallen. Die Beschäftigten würden dadurch 10 Prozent weniger verdienen und müssten zusätzlich 40 statt 38 Wochenstunden arbeiten. Das gab die Gewerkschaft (ÖGB) am 5. September in einer Aussendung bekannt.
In dem Online-Meeting machte der Vize-Vorsitzende auch keinen Hehl daraus, dass PAI Partners vorhat, die österreichischen Reha-Zentren nur für sieben Jahre zu halten. In dieser Zeit will der Investment-Fonds offenbar massiv einsparen, worunter vor allem Beschäftigte und Patient:innen leiden werden. Danach will PAI Partners die Reha-Zentren billig weiterverkaufen.
Die Befürchtungen des Betriebsrats haben sich damit bewahrheitet. Gerald Mjka, der Vorsitzende des Fachbereichs Gesundheit der Gewerkschaft vida geht von weiteren Verschlechterungen aus:
„Die angekündigten Verschlechterungen sind mit Sicherheit erst der Anfang. Von einem nachhaltigen Investment kann hier keine Rede sein.“
Ende September sollen die 21 Reha-Zentren endgültig an PAI Partners verkauft werden. Von ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer gibt es bis heute kein Statement zu der Causa. Und das, obwohl die Regierung für diese Situation verantwortlich ist. Denn sie hat im Juni 2024 die Vamed-Anteile der Republik verscherbelt – die nun bei PAI gelandet sind.
Es handelt sich um den wohl umstrittensten Deal in der Geschichte des österreichischen Gesundheitswesens: Ein französischer Investmentfonds kauft mehrheitlich 21 Reha-Zentren in Österreich. Darunter kritische Gesundheitseinrichtungen wie Neuro-Zentren, psychiatrische und orthopädische Kliniken. Sie gehörten bisher der Vamed AG, dem größten österreichischen Gesundheitskonzern. Doch nachdem die Republik Österreich unter Schwarz-Grün ihre Anteile an der Vamed im Juni 2024 verkauft hat, startet nun der große Abverkauf.
Vamed ist ein Gigant im österreichischen Gesundheitswesen: Das bisher teilstaatliche Unternehmen baut und betreibt Krankenhäuser, Reha-Zentren und Thermen. Mit 20.000 Mitarbeitern und 2,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2021 ist Vamed der größte Gesundheitskonzern Österreichs.
Bisher gehörte die Vamed zu 77 Prozent dem deutschen Gesundheitskonzern Fresenius. 10 Prozent gehörten einer Privatstiftung namens B&C, einer Tochterfirma der Bank Austria und 13 Prozent gehörten der Republik Österreich – also uns allen.
Weil die Vamed dem deutschen Mehrheitseigentümer aber nicht mehr profitabel genug war, entschloss sich Fresenius, die Vamed aufzuspalten und große Teile davon zu verkaufen. Nachdem im Juni 2024 sowohl die B&C Privatstiftung als auch die Republik Österreich unter Schwarz-Grün ihre Anteile an der Vamed an Fresenius verkauft haben, steht den Abverkaufs-Plänen von Fresenius nichts mehr im Weg.
Bis Ende des Jahres will Fresenius 21 österreichische Reha-Zentren an den französischen Private-Equity-Fonds PAI Partners verkaufen. Daran gibt es heftige Kritik. SPÖ-Chef Andreas Babler, der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil und auch der Betriebsrat der Vamed warnen vor PAI Partners. Denn der französische Fonds kauft seit Jahren Gesundheitseinrichtungen in verschiedenen Ländern und spart bei Patient:innen und Personal, um die Einrichtungen dann billig weiterzuverkaufen.
Außerdem wird PAI Partners vorgeworfen, Steuern zu vermeiden: Der Konzern soll einzelne Tochterfirmen überschuldet und anschließend in die Insolvenz geschickt haben.
Diese Gesundheitseinrichtungen sind vom Verkauf an PAI Partners betroffen | |
1 | HFO Health Facility Operations Services GmbH |
2 | Seniorenzentrum St. Corona am Schöpfl Betriebsgesellschaft m.b.H. |
3 | VAMED CARE gemeinnützige Betriebs-GmbH |
4 | Rehabilitationszentrum Oberndorf Betriebs-GmbH |
5 | Rehabilitationszentrum Oberndorf Betriebs-GmbH & Co. KG |
6 | Rehabilitationsklinik im Montafon Betriebs-GmbH |
7 | Rehaklinik Wien Baumgarten Betriebs-GmbH |
8 | Rehabilitationszentrum Kitzbühel Betriebs-GmbH |
9 | Heilbad Sauerbrunn Betriebsgesellschaft m.b.H. |
10 | Neurologisches Therapiezentrum Kapfenberg GmbH |
11 | Rehabilitationszentrum St. Veit im Pongau Betriebs-GmbH |
12 | Rehaklinik Enns GmbH |
13 | Ambulante Rehabilitation Wörgl GmbH |
14 | API Betriebs gemeinnützige GmbH |
15 | API Catering GmbH |
16 | Neurologisches Therapiezentrum Gmundnerberg GmbH |
17 | TGMZ Team Gesund Medizin Zentren GmbH |
18 | Neurologisches Rehabilitationszentrum -Rosenhügel- Errichtungs- und Betriebs-GmbH |
19 | Rheuma-Zentrum Wien-Oberlaa GmbH |
20 | Psychosomatisches Zentrum Eggenburg GmbH |
21 | HFO Health Facility Operations Services GmbH |
2019 kaufte PAI Partners die zweitgrößte Zahnarztkette Deutschlands. Laut der Bundesärztekammer soll in den Zahnarztpraxen daraufhin “ein erheblicher Druck auf Zahnärztinnen und Zahnärzte zur Profitsteigerung” ausgeübt worden sein.
Ähnliche Vorwürfe erhob kürzlich auch das Magazin Business Insider. So soll die PAI-Tochter Zahneins „wirtschaftlich schwache Praxen dazu bewegt haben, besonders lukrative OPs anzubieten“. Laut Business Insider sollen die überteuerten Operationen Zahnärzte durchgeführt haben, die bis dahin noch keine Erfahrung damit hatten. Das Magazin schreibt, dass die PAI-Tochter Zahneins die OPs über Zeitungsinserate beworben hat, in denen ein Patient über seine guten Erfahrungen mit dem Unternehmen berichtet. Doch dieser Patient existierte in Wahrheit gar nicht.
Wegen all dieser Vorwürfe bezeichnete der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach Konzerne wie PAI Partners als „Heuschrecken“.
Die Folgen von Privatisierungen im Gesundheitsbereich sind dramatisch: Laut einer US-amerikanischen Studie sterben 10 Prozent mehr Patient:innen, wenn Gesundheitseinrichtungen von Konzernen, wie PAI Partners übernommen werden. Hinzu kommen hohe Kosten für Patient:innen und schlechte Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter:innen.
Erste Verschlechterungen in Vamed-Einrichtungen gibt es bereits: In einem von der Vamed geführten Seniorenheim in Tirol müssen Bewohner:innen seit dieser Woche 5,55 Euro zahlen, wenn sie daran erinnert werden wollen, ihre Medikamente rechtzeitig einzunehmen. Wer die Medikamente auf das Zimmer gebracht haben will, muss dafür sogar elf Euro zahlen. Hilfe beim Einnehmen von Frühstück, Mittag- und Abendessen kostet ebenfalls elf Euro, wie ORF Tirol berichtet.
Anonyme Mitarbeitende erzählen außerdem, dass sie jeden helfenden Handgriff dokumentieren müssen, damit er als Zusatzleistung verrechnet werden kann. Laut ORF Tirol ist der Druck auf die Beschäftigten so groß, dass viele dabei nicht mehr mitmachen: Innerhalb weniger Tage haben sieben Mitarbeiter:innen des Seniorenheims gekündigt.
Nach dem Vamed-Verkauf an PAI Partners drohen solche Missstände auch in den anderen Heimen und Kliniken der Vamed. Für SPÖ-Chef Andreas Babler ist der Verkauf, dieser wichtigen Gesundheitseinrichtungen ein „Skandal“:
„So etwas gehört verboten. Es gibt Bereiche, mit denen kein Profit gemacht werden darf. Dazu gehören selbstverständlich die Pflege und das Gesundheitswesen“
Gegen den „Ausverkauf von Gesundheit und Pflege“ wehrt sich auch der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil: „Privaten Investoren geht es in erster Linie um Gewinn“. Er und Babler fordern ÖVP-Kanzler Nehammer dazu auf, den Verkauf der Vamed rückgängig zu machen. Doch weder Nehammer noch Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) äußerten sich bisher zu dem umstrittenen Deal.
Auch auf einen Brief des Vamed-Betriebsrats antwortete die Regierung bisher nicht. Darin warnt der Vamed-Betriebsratsvorsitzender Harald Steer, dass sich die Privatisierung von Gesundheitseinrichtungen in den Neunziger- und Nullerjahren häufig als Fehler entpuppt hat. Steer fordert Nehammer auf „unverzüglich tätig zu werden und Alternativen zu prüfen“.
Zu allem Überfluss wurde nun auch noch bestätigt, dass der bisherige Vorstandssprecher der Vamed, Klaus Schuster, nach dem Verkauf ausgerechnet zu PAI Partners wechseln soll. Konkret soll Schuster mit Anfang August der neue Chef von genau den österreichischen Reha-Zentren werden, die ehemals zur Vamed gehörten.
Schuster ist seit 2023 Mitglied des Vamed-Vorstands. Davor war er lange in verschiedenen Manager-Positionen bei der Landesgesundheitsagentur Niederösterreich beschäftigt. Seine Karriere verdankt er unter anderem dem damaligen Gesundheitslandesrat und heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der machte ihn 2008 zum Regionalmanager der niederösterreichischen Landeskliniken im Mostviertel.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 2. August 2024 und wurde am 6. September 2024 aktualisiert.
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