Wirtschaft und Finanzen

Die Leit-Zinserhöhung durch die EZB bringt Gefahren mit sich, über die wir reden müssen

Wegen der nach wie vor hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen 2022 viermal erhöht – auf aktuell 2,5 %. Die Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre ist damit vorbei. Das bedeutet, ab sofort werden Kredite teurer und man bekommt wieder Sparzinsen. Die Hoffnung der EZB ist es, dass durch die höheren Zinsen langfristig die Preise sinken. Doch ob das wirklich passiert, ist fraglich. Am Ende könnte die Zinserhöhung die Krise sogar verschärfen. Warum, erklärt Victor Strauch in seinem Gastbeitrag.

Die Preissteigerungen von Energie und Lebensmitteln treiben in ganz Europa die Inflation nach oben. Auch die nach wie vor von der Pandemie gestörten Lieferketten sorgen für höhere Preise. Die EZB will das Problem mit Zinserhöhungen lösen. Aber wie sollen höhere Zinsen zu niedrigeren Preisen führen?

Die Idee dahinter ist folgende: Wenn man für Kredite höhere Zinsen zahlen muss, wird es für Unternehmen und Verbraucher weniger attraktiv, sich zu verschulden. Somit wird weniger investiert und mehr gespart. Dadurch sinkt die Nachfrage: Menschen kaufen weniger ein, weswegen Unternehmen – in der Theorie – gezwungen sind, die Preise zu senken. Dabei kommt es jedoch in der Regel zu einigen Kollateralschäden.

Folgen der Zinserhöhung für Arbeitnehmer: Lohndruck und Arbeitslosigkeit

Denn ein Nachfrageeinbruch führt nicht selten zu einer Rezession: Unternehmen, die ihre Produkte nicht verkaufen können, müssen ihre Angestellten schlechter entlohnen oder sogar entlassen. Erst dadurch sind viele Unternehmen in der Lage, ihre Preise zu senken. Andere – meist kleine – Unternehmen können sogar insolvent werden, wodurch noch mehr Menschen arbeitslos werden. Die Inflationsbekämpfung der EZB findet also auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung statt.

Auch Personen, die – z.B. um ein Haus zu bauen – einen Kredit aufgenommen haben, werden durch die Zinserhöhungen hart getroffen: Wenn ihr Kredit variabel verzinst ist, müssen sie nun auf einen Schlag mehr zahlen. Für viele Menschen kann das mitunter existenzbedrohend sein: Eine Zinserhöhung von „nur“ 2,5 % klingt erst mal relativ harmlos. Doch wer bspw. für 0,5 % Zinsen einen variablen Hauskredit über 500.000 € aufgenommen hat, und jetzt 2 % Zinsen zusätzlich zahlen muss, der hat jährliche Mehrkosten von 10.000 €.

Sparer haben von den höheren Zinsen dagegen wenig. Denn die Inflation liegt mit über 10 % immer noch weit darüber. Auch wenn man also künftig wieder Sparzinsen bekommt, wird man auf Dauer durch die Inflation trotzdem ärmer.

Am eigentlichen Problem ändert die EZB mit den Zinserhöhungen gar nichts

Es stellt sich daher die Frage, warum die EZB das tut? Die EZB hat eine zentrale Aufgabe: Preisstabilität gewährleisten. Sie muss dafür sorgen, dass die Preise in der Euro-Zone annähernd gleich bleiben bzw. nur sehr langsam steigen. Auf die enormen Preissteigerungen der vergangenen Monate muss die EZB also in irgendeiner Form reagieren. Noch dazu, weil ihr von einigen Ökonomen vorgeworfen wird, sie habe die Inflation mit der Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre mitverursacht.

Das Problem ist nur: Auf die eigentliche Ursache der Inflation – nämlich die gestiegenen Energiekosten wegen des Krieges in der Ukraine sowie die Lieferengpässe infolge der Pandemie – hat die EZB überhaupt keinen Einfluss.

Die Preise für Öl und Gas werden so schnell nicht sinken, nur weil die EZB die Zinsen erhöht. Mit Zinserhöhungen die Nachfrage nach Energie – und dadurch ihren Preis –  zu senken, ist schwierig. Denn Energie ist, wie Ökonomen sagen, ein unelastisches Gut, d.h. wenn Haushalte sparen müssen, kürzen sie zuerst bei allem anderen und erst als Letztes bei der Energie. Einsparungen sind hier nur in sehr geringem Ausmaß möglich. Es ist also mehr als fraglich, ob die geldpolitischen Maßnahmen der EZB wirklich treffsicher sind. Viel eher produziert die Zentralbank mit den Zinserhöhungen absichtlich eine Rezession, die vor allem die untere Einkommenshälfte stark belasten wird.

Inflationsursache ist mitunter die Energiekrise. Diese lösen auch Zinserhöhungen der EZB nicht

Normalerweise werden die Zinsen dann angehoben, wenn die Wirtschaft überhitzt ist, das heißt, wenn die Nachfrage höher ist, als das Angebot, und es deshalb zu Preissteigerungen kommt. In so einem Fall kann es durchaus sinnvoll sein, die Zinsen anzuheben, um die Inflation nicht weiter anzutreiben. Die aktuelle Inflation hat aber eine ganz andere Ursache: nämlich die Verknappung des Angebots von Öl und Gas bei gleichbleibender Nachfrage. Die Wirtschaft ist also keineswegs überhitzt – im Gegenteil: Wir befinden uns in einer Krise, und diese wird durch die Leitzinserhöhung noch verschärft.

Einige Konservative, die die Leitzinserhöhung befürworten, verweisen gern auf die USA: Auch dort wurden die Zinsen angehoben, und das sogar deutlich stärker, als in der Euro-Zone – mit dem Ergebnis, dass die Inflation dort gesunken ist. Die Inflation in den USA ist jedoch weit weniger durch die Energiepreise getrieben als in Europa. Das zeigt ein Blick auf die Kerninflationsrate, die Energie und Lebensmittel ausklammert: Diese war 2022 in den USA stets höher als in der Euro-Zone. Daran sieht man, dass die USA tatsächlich eher mit einer überhitzten Wirtschaft zu kämpfen hat als mit einer Energiekrise, wenngleich auch dort die Energiepreise etwas gestiegen sind. Unter diesem Gesichtspunkt machen Zinserhöhungen in den USA jedenfalls mehr Sinn als in Europa.

Trotzdem muss man eines festhalten: Es kann durchaus sein, dass die Zinserhöhungen auch in Europa die Inflation senken werden – allerdings nur um den Preis eines Wirtschaftseinbruchs.

Worauf wir vergeblich warten: Preisdeckel & Investitionen in saubere Energie

Anstatt Öl ins Feuer zu gießen, sollte man gegen die Ursachen der Inflation vorgehen. Das ist in erster Linie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Um von diesen unabhängig zu werden, bräuchte es staatliche Investitionen in saubere Energie. Diese wären ein Anstoß für private Investitionen und würden so für mehr Energieunabhängigkeit sorgen. Doch anstatt diese wichtigen Investitionen zu ermöglichen, torpediert die EZB mit ihren Zinserhöhungen nachhaltige Energieunabhängigkeit, indem sie die Kosten für Investitionen erhöht.

Außerdem bräuchte es kurzfristige Lösungen, wie eine Mietpreisbremse und einen wirksamen Preisdeckel für Strom und Gas. Um das zu finanzieren, könnte man die Krisengewinner – nämlich die Energiekonzerne – mit spürbaren Übergewinnsteuern belasten.

Die, von der österreichischen Regierung im Dezember beschlossene, Übergewinnsteuer belässt jedoch bis zu 70 % der Übergewinne bei den Konzernen. Steigenden Profiten wird bislang also nicht der Kampf angesagt. Stattdessen geht die Inflationsbekämpfung einseitig zulasten der Arbeitnehmer:innen.

Technokratische Geldpolitik der EZB schadet Konsument:innen auch

Um auf die, vor allem durch Energiepreissteigerungen und gestörte Lieferketten hervorgerufene Inflation zu reagieren, braucht es also in erster Linie wirtschaftspolitische Maßnahmen. Dafür sind aber die Staaten zuständig und nicht die EZB. Zinserhöhungen sind für die aktuelle Situation kontraproduktiv. Dass sie trotzdem beschlossen wurden, zeigt, wie bereitwillig die Zentralbanker absichtlich eine Rezession herbeiführen, wenn sie der Inflation anders nicht Herr werden können.

Darin offenbart sich ein grundsätzliches Problem: Die EZB ist formal für die Inflation in der Euro-Zone zuständig, sie hat jedoch nur sehr bedingt Einfluss darauf. Mindestens genauso groß ist der Einfluss der Staaten durch ihre Wirtschaftspolitik. Dass der Zentralbank die Zuständigkeit für die Inflation zugeschoben wird, sorgt vor allem dafür, dass konservative Politiker mit dem Finger auf sie zeigen können, um sich vor ihrer eigenen Verantwortung zu drücken. Die Maßnahmen, die die EZB in der Folge trifft – von der Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre bis hin zu den aktuellen Zinserhöhungen – sorgen dafür, dass die arbeitende Bevölkerung ärmer wird, während sich Profite vergrößern.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1621 Stimme
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    1621 Stimme - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
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    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 341 Stimme
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    341 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
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    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
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    131 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2774
12. März 2024
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Victor Strauch

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