Am 30. Januar 1927 wurde im burgenländischen Schattendorf eine Gruppe Schutzbündler von ehemaligen Frontkämpfern beschossen. Dabei starben der Kriegsinvalide Matthias Csmarits und der achtjährige Josef Grössing. Am 14. Juli endete der Prozess gegen die Täter mit einem skandalösen Freispruch. Es folgten gewalttätige Proteste der Arbeiter:innen, die im Justizpalastbrand gipfelten.
Es begann mit den Ereignissen des 30. Januar 1927: Der rechtsextreme paramilitärische Frontkämpferverband hat eine Versammlung im burgenländischen Schattendorf angekündigt. Der Republikanische Schutzbund sieht das als Provokation und hält selbst eine Kundgebung im Ort ab. Die zahlenmäßig unterlegenen Frontkämpfer ziehen sich nach mehreren Zusammenstößen zurück, der Schutzbund vertreibt sie in Richtung Mattersburg.
Doch beim Gasthof Tscharmann kommt es wenig später zu einem erneuten Aufeinandertreffen. Ein paar ortsansässige Mitglieder des Frontkämpferverbandes befinden sich noch im Gebäude, das ihnen zuvor als Sammelstelle diente. Es kommt zu tumultartigen Szenen, dann eröffnen drei Männer das Feuer auf vorbeigehende Schutzbündler. Der Kriegsinvalide Matthias Csmarits und der Schüler Josef Grössing sterben direkt auf der Straße, acht weitere Personen werden verletzt.
Diese Ereignisse sollten weitreichende Folgen für den weiteren Verlauf der Ersten Republik haben. Denn das österreichweite Echo auf diese Vorfälle war gewaltig.
Die Täter, unter anderem der Wirt und seine Söhne, wurden am 5. Juli 1927 vor Gericht gestellt. Bereits neun Tage später wurde das Urteil verkündet: Freispruch in allen Anklagepunkten! “Die Arbeitermörder freigesprochen”, titelte daraufhin die Arbeiter-Zeitung. Das „Schandurteil von Schattendorf“ machte schnell die Runde. Es führte zu einem Sturm der Entrüstung, auch deshalb, weil bereits zuvor andere Morde an Arbeiter:innen milde oder gar nicht bestraft wurden.
Dann eskalierte die ohnehin schon angespannte Situation in der Nähe des Parlaments. Die aufgebrachte Menge stürmte den Justizpalast, der als Symbol der Klassenjustiz angesehen wurde und setzte Akten in Brand. Das Feuer breitete sich über alle Stockwerke aus. Nachdem die Menge der Feuerwehr den Zugang zum Justizpalast verweigert hatte, gab der Wiener Polizeipräsident und frühere Bundeskanzler Johann Schober den Befehl, auf die Demonstrant:innen zu schießen.
Inzwischen wurden Akten und Inventar aus den Fenstern des Justizpalastes geworfen und angezündet. Kurz darauf fing das gesamte Gebäude Feuer. Die Polizei versuchte, die Demonstrant:innen aus dem Justizpalast zu entfernen und machte von ihren Schusswaffen Gebrauch. Die genaue Opferzahl ist bis zum heutigen Tag nicht bekannt. Man geht von 89 Todesopfern aus, darunter fünf Polizisten. Weitere 600 Personen wurden schwer verletzt.
Wenig später stürmten aufgebrachte Arbeiter:innen auch in Hernals mehrere Polizeidienststellen. Auch hier waren zahlreiche Verletzte zu beklagen. Zwei Menschen starben im Kugelhagel der Polizei. Ein weiterer Generalstreik, den die Eisenbahner zwei Tage lang aufrecht halten konnten, blieb ohne Erfolg.
Nach den Ereignissen forderten die Sozialdemokrat:innen eine lückenlose Aufarbeitung der Geschehnisse. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament lehnte dies aber ab. Bundeskanzler Ignaz Seipel meinte ungerührt: “Verlangen Sie nichts vom Parlament und von der Regierung, was den Schuldigen gegenüber milde erscheint.” Er meinte damit die Arbeiter:innen.
Die Ereignisse des 15. Juli 1927 gelten als Anfang vom Ende der Ersten Republik.
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