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Explodierende Kriminalität? Nein! – Das sagt die Kriminalitätsstatistik wirklich

Die Kriminalitätsstatistik wird häufig vom Boulevard genutzt, um das Geschäft mit der Angst zu befeuern. „Die Kriminalität explodiert“ heißt es, obwohl die Kriminalitätsrate in den letzten zehn Jahren relativ konstant zurückgegangen ist – bei einer Aufklärungsquote so hoch wie nie zuvor. Auch Autodiebstähle, Überfälle und Einbrüche in Wohnungen werden weniger. Und auch der internationale Vergleich bestätigt: Österreich ist das drittsicherste Land der Welt.

Das Institute for Economics & Peace hat 163 Länder verglichen. Es misst jährlich, wie friedlich und sicher die Menschen leben können. Österreich hat 2018  den 3. Platz erreicht. Allgemein konnte Europa wieder den Platz als sicherste Region verbuchen.

Ebenfalls jährlich präsentiert wird die Kriminalitätsstatistik des Landes. Sie führt fünf Felder an, die für das Sicherheitsempfinden der Menschen wichtig sind. Die Ergebnisse für diese Bereiche lauten:

  • Die Zahl der Wohnungs- und Hauseinbrüche ist um 16,4 Prozent gesunken.
  • Die Anzeigen wegen KfZ-Diebstählen sind um zehn Prozent zurückgegangen.
  • Die Zahl der Gewaltdelikte ist um 6,9 Prozent gestiegen, dabei geht es vor allem um leichte Körperverletzung.
  • Bei Wirtschaftsdelikten hat es einen Zuwachs von 10,9 Prozent gegeben.
  • Als Cybercrime geltende Taten verzeichneten ein Plus von 31 Prozent und damit den stärksten Anstieg.

Wie entwickelt sich die Kriminalität in Österreich?

Ja, die Strafanzeigen sind 2016 im Vergleich zum Jahr 2015 um 3,8 Prozent gestiegen. Betrachtet man die Entwicklung über die letzten zehn Jahre hinweg, lässt sich allerdings ein Rückgang von 9,3 Prozent feststellen. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung um 5,6 Prozent gewachsen – und damit auch die Anzahl von Menschen, die potenziell eine Straftat begehen können. Vergleicht man die Häufigkeitszahl, also die Anzeigen pro 100.000 Einwohner, dann schaffte 2016 sogar den zweitniedrigsten Wert seit 2002. Mit „explodierender Kriminalität“ hat das alles recht wenig zu tun.

Außerdem haben Experten bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der Kriminalstatistik Kritik geäußert. So sei der Anstieg vor allem auf Kontrolldelikte zurückzuführen: Je mehr kontrolliert wird, desto mehr Anzeigen gibt es – das gilt vor allem für Drogendelikte. Auch Innenminister Sobotka räumte ein, dass geänderte gesetzliche Bedingungen – also neue Tatbestände – ebenso zu einem statistischen Anstieg geführt haben, wie bessere Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei und eine „gesunkene Hemmschwelle“ in der Bevölkerung, Vorfälle zu Anzeige zu bringen.

Natürlich muss über die Kriminalität in Österreich gesprochen werden und Statistiken helfen, die Probleme und ihre Ursachen zu erkennen. Verzerrungen und Alarmismus helfen aber nicht dabei, geeignete Antworten zu finden. Sie versetzen die Menschen in Schrecken, statt über sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verbrechensprävention zu diskutieren.

Wie kriminell sind Asylwerber?

Das Hauptthema in den Medien ist der Anstieg der Straftaten durch Asylwerber um 54 Prozent. Die Zahl klingt drastisch. Tatsächlich ist der Anteil der Asylwerber an den Tatverdächtigen aber konstant bis leicht abnehmend: Er sank von 23 Prozent im Jahr 2013 auf 18 Prozent im Jahr 2016. Diesen Rückgang führen Experten darauf zurück, dass syrische Familien über Monate die größte Gruppe an Asylwerbern waren.

„Die Syrer kamen in Familienverbänden und das Land hatte ein gutes Bildungssystem“, so Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamtes. Denn die Kriminalitätsstatistik zeigt auch eines: Zur Kriminalität neigen junge Männer ohne Ausbildung und Perspektive auf ein Bleiberecht. Das trifft besonders auf afghanische Flüchtlinge zu.

Außerdem muss die Zunahme tatverdächtiger Asylwerber in Zusammenhang mit den steigenden Asylanträgen und der längeren Verfahrensdauer in Folge der Vertreibungswelle gesehen werden. So befanden sich im November 2016 mit 65.000 fast doppelt so viel Asylwerber in der Grundversorgung wie im April 2015, damals waren es rund 35.000. Die Verfahrensdauer ist um das Dreifache gestiegen: Anfang 2015 dauerte die  Erledigung eines Asylantrags im Schnitt drei Monate, Ende 2016 über neun.

Interessant ist auch, dass sich Kriminalität von Asylwerbern vor allem innerhalb der eigenen Community abspielt: 74 Prozent der ermittelten Opfer sind keine österreichischen StaatsbürgerInnen.

Warum steigen Gewalt- und Sexualdelikte?

Die Gewaltdelikte sind zwar im Vergleich zum historisch niedrigen Wert im Vorjahr um 3 Prozent gestiegen, dem steht aber eine grundsätzlich konstante Entwicklung in den letzten zehn Jahren entgegen. Die Zunahme seit 2015 ist vor allem einem Anstieg bei der leichten Körperverletzung geschuldet.

Bei den Sexualdelikten geht die steigende Zahl von Anzeigen Großteils auf eine gesetzliche Erweiterung des Delikts der sexuellen Belästigung zurück („Po-Grapsch-Paragraf“). „Schwere Sexualdelikte wie Vergewaltigungen sind nicht gestiegen, wie es manche Medienberichte glauben machen“, sagt Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamtes.

Außerdem werden Sexualdelikte noch immer großteils innerhalb der Familie verübt, wie Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl vom Vienna Center for Societal Security (Vicesse) betont. Dennoch wird vor allem über sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum diskutiert.

Cybercrime

Die einzig wirklich sprunghafte, ja vielleicht sogar explosive Entwicklung findet sich im Bereich „Cybercrime“. Auch die Zunahme in der größten Deliktgruppe, den Wirtschaftsdelikten (v.a. Betrug), ist in erster Linie Straftaten im Internet zuzuschreiben. Unter Cybercrime fällt etwa der Betrug bei Bestellungen im Internet, der in nur einem Jahr um mehr als ein Drittel gewachsen ist. Hier sitzen die Tatverdächtigen häufig im Ausland.

Dass der Anteil der Tatverdächtigen mit fremder Staatsbürgerschaft zugenommen hat und fast 40 Prozent beträgt, liegt  also nicht an den Asylwerbern, wie manche Medien und Parteien glauben machen, sondern vor allem auch an der steigenden Zahl von Internet-Delikten.

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Was uns das Innenministerium mit der Kriminalstatistik sagen will – und was nicht

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
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12. März 2024
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Patricia Huber

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