Jetzt ist es fix – Finanzminister Hartwig Löger erklärt im Vorfeld der Eurogruppe, dass es keine EU-Finanztransaktionssteuer geben wird. Der neue Vorschlag umfasst den größten Teil der Finanzgeschäfte nicht mehr: nur der Aktien-Handel soll besteuert werden – der macht allerdings nur rund zehn Prozent der Steuer aus. Damit hat sich die Finanzlobby durchgesetzt – und die Finanztransaktionssteuer ist unter dem EU-Vorsitz Österreichs gestorben. Gleichzeitig rutscht auch die gerechte Besteuerung von Internetkonzernen in die Ferne.
Vor einem Jahr hat der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) noch verkündet, dass eine Einigung über die Finanztransaktionssteuer zum Greifen nahe ist. Jetzt hat Österreich den EU-Ratsvorsitz inne und der aktuelle Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ist auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe zur Finanztransaktionssteuer (FTS). Schon Ende Oktober hat er gegenüber dem Handelsblatt angedeutet, dass eine EU-weite Finanztransaktionssteuer wohl nicht kommen wird. Knapp vorm Ende der österreichischen Ratspräsidentschaft begräbt er das Vorhaben ganz.
Die Geschichte der Finanztransaktionssteuer beginnt im September 2011. Die Folgen der Finanzkrise sind noch spürbar. Damals hat die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorgelegt, „damit auch der Finanzsektor seinen fairen Beitrag leistet“.
Schließlich sind 4.600 Milliarden Euro öffentlicher Gelder im Zuge der Finanzkrise an den Finanzsektor geflossen. Umgekehrt trägt der Finanzsektor steuerlich wenig bei, so die Kommission.
Der Steuersatz sollte 0,1 Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent für Derivate von Aktien und Anleihen betragen. Devisengeschäfte am Spotmarkt sowie typische Finanzgeschäfte von Kleinsparern wie Kredite, Hypotheken, Versicherungsverträge und Kreditkartenumsätze sollten steuerbefreit sein. In Summe wollte die EU damit rund 50 Milliarden Euro einholen. Die Einnahmen sollten vor allem den Mitgliedsländern zugutekommen.
Seither ist die Gruppe der FTS-Befürworter in der EU auf zehn Staaten geschrumpft. Sie wollten die Vorreiter bei mehr Steuergerechtigkeit sein und verhandeln seit nunmehr vier Jahren über die Einführung. Gestritten wird darüber, für welche Finanzprodukte und welche Finanzmarktakteure es Ausnahmen geben sollte.
Die Finanzindustrie will die Steuer verhindern und wenn das nicht geht, möglichst viele Ausnahmen hinein verhandeln. So will die Finanzlobby die regulierende Wirkung der Steuer aufweichen.
Auch Österreichs Banken und Versicherungen haben sich gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Als die EU-Kommission die FTS im Jahr 2011 vorschlug, war Löger noch Vorstandsvorsitzender der UNIQA Österreich – was er bis zu seinem Antritt als Finanzminister blieb. Der Fachverband Banken und Versicherung in der Wirtschaftskammer riet im Zuge der Konsultation der EU-Kommission zur FTS von dieser ab:
Eine zusätzliche Besteuerung des Finanzsektors sei „unvernünftig und ökonomisch kontraproduktiv“. Österreichs Banken- und Versicherungssektor sei „sehr stark dagegen“, wie es in der Stellungnahme heißt.
Jetzt hat Österreichs Finanzminister Hartwig Löger eine weitreichende Ausnahme akzeptiert. Gegenüber dem deutschen Handelsblatt hat er vorgeschlagen, Derivate völlig von der Steuer auszunehmen und nur Aktienumsätze zu besteuern.
Damit werden die geplanten Einnahmen durch die FTS auf einen Schlag um 90 Prozent reduziert: Lediglich 10 Prozent macht der Anteil der Aktiengeschäfte an der FTS aus, wie die EU-Kommission schätzt.
Dazu kommt: Die Steuer sollte vor allem den spekulativen Handel mit kurzfristigen Finanzprodukten teurer machen. Im Fokus standen vor allem Kapital-, Zins- und Währungsderivate. All diese Produkte sind jetzt von der Steuer ausgenommen: Der schnelle und hochspekulative Handel mit Derivaten kann ungehemmt weitergehen.
Das schlägt sich auch in Österreichs Steuereinnahmen nieder. Die Finanztransaktionssteuer war noch unter Finanzminister Spindelegger (ÖVP) mit 500 Millionen Euro jährlich budgetiert. Fallen alle Derivate weg, dürften in Österreich nur rund 70 Millionen Euro übrig bleiben – wie Experten unter Verweis auf die frühere Börsenumsatzsteuer in Österreich schätzen. Die restliche 430 Millionen verbleiben in der Finanzwirtschaft zur Spekulation.
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