Die FPÖ diagnostiziert in ihrem aktuellen Wirtschaftsprogramm eine schleppende Lohnentwicklung. Die zu langsam wachsenden Löhne führt sie aber nicht auf die ungleiche Verteilung zwischen Arbeitseinkünften und Kapitaleinkünften zurück, sondern auf die Abgaben an den Staat. Damit schließen sie sich der Erzählung von Sebastian Kurz an. Nikolaus Kowall und Philipp Heimberger haben sich angesehen, was mit den beachtlichen Produktivitätszuwächsen seit 1999 wirklich geschehen ist und was sich aus den ökonomischen Daten ablesen lässt.
Österreich hat seit dem Beitritt zur Eurozone im westeuropäischen Vergleich ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, bei der Entwicklung der Produktivität liegt Österreich sogar im Spitzenfeld. Gleichzeitig sind die realen Löhne pro Arbeitnehmer/in nicht im gleichen Ausmaß gestiegen. Das kritisiert auch die FPÖ in ihrem neuen Wirtschaftsprogramm und spricht von einem mageren Wachstum der Reallöhne zwischen 2000 und 2017 von jährlich 0,2%.
Die Partei ignoriert dabei den Anstieg der Teilzeitbeschäftigung, der eine gewisse Verzerrung bringt1, doch selbst bei einer Betrachtung der Stundenlöhne ist das Wachstum mit jährlich 0,5% eher moderat. In Anbetracht der schleppenden Lohnentwicklung drängt sich die Frage auf: Was ist mit den beachtlichen Produktivitätszuwächsen von jährlich +1,1% seit 1999 geschehen?2
Dazu gibt es zwei politische Erzählungen.
Die FPÖ hat sich mit ihrem neuen Wirtschaftsprogramm endgültig der Steuererzählung angeschlossen. Schon im Vorwort spricht HC Strache persönlich von einer „enorm hohen Steuerbelastung“ und einem „absurd aufgeblähten Staatsapparat“. Die FPÖ betont, dass die Löhne „durch die hausgemachte Steuerlast im Jahr 2017 etwa auf dem Niveau von 2003 liegen“. Die FPÖ macht klar: „Die Verantwortung dafür liegt nicht bei den Unternehmen sondern beim Staat“.
Die Steuererzählung, die vor der FPÖ schon von Sebastian Kurz vertreten wurde, ist durch die relevanten Daten nicht gedeckt.3 Würde der Staat alle Lohnzuwächse auffressen, müsste die Abgabenquote kontinuierlich steigen. Einen solchen Trend geben die Daten jedoch nicht her, denn die Abgabenquote war im Zeitraum 2000-2017 sehr stabil.
Tatsächlich erreichte die Abgabenquote ihren höchsten Wert mit über 45% schon 2001, also am Anfang des Beobachtungszeitraums. Nach leichten Schwankungen liegt die Quote im Jahr 2017 bei knapp 43%. Die Abgabenquote folgt keinem klaren Trend. Diese Zahlen widersprechen der Steuererzählung, wonach der Staat zunehmend alle Einkommenszuwächse auffresse.4
Das führt uns zur Verteilungserzählung. Kann es sein, dass das Gros der Zuwächse bei Produktivität und Wertschöpfung an die Unternehmen und Bezieher/innen von Kapitaleinkommen geflossen ist? Die Grafik gibt Aufschluss:
Wir sehen, dass sich die Produktivität in Österreich seit 1999 dynamisch entwickelt hat. Während die Löhne mit dieser Entwicklung nicht mithalten konnten, haben die Gewinneinkommen deutlich stärker zugelegt als die Produktivität.5 Bis 2008 wuchsen die Gewinneinkommen um ein Vielfaches schneller als die Arbeitnehmerlöhne. Nach einem vorübergehenden Einbruch als Folge der Finanzkrise scheint sich dieser Trend nun wieder fortzusetzen.
Während es bei der Abgabenquote keinen Wachstumstrend gibt, ist der Trend einer Auseinanderentwicklung von Löhnen und Gewinneinkommen klar aus den Daten ersichtlich.6
Das Geld fließt also nicht mehr und mehr in den Staat, wie die Steuererzählung behauptet, sondern in Unternehmensgewinne und Kapitaleinkünfte, wie die Verteilungserzählung argumentiert.7
Die klare Parteinahme der FPÖ für die Steuererzählung hat zwei fatale Konsequenzen.
Wer mehr für alle Arbeitnehmer/innen möchte, muss das heiße Eisen der Verteilungsfrage zwischen Kapital und Arbeit angreifen. Die FPÖ verweigert dies in ihrem Wirtschaftsprogramm explizit und schlägt sich unmissverständlich auf die Kapitalseite. Armin Wolf beschrieb das Programm in der ZIB 2 nicht umsonst als Koalitionsangebot an die ÖVP. Die FPÖ hat eine essentielle Flanke weit geöffnet. Es liegt an der Arbeitnehmerpartei Österreichs dies für sich zu nützen.
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