Wien

Die Donauinsel rettet Wien vor Überschwemmungen – die ÖVP war gegen ihren Bau

Die jüngsten Unwetter in Mittel- und Osteuropa haben erneut die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels gezeigt und wie wichtig es ist, auf sie vorbereitet zu sein. In Wien konnten die Überflutungen eingedämmt werden und so Menschenleben und Eigentum geschützt werden. Der Grund dafür ist der umfassende Wiener Hochwasserschutz mit der Donauinsel als Kernstück.

10 Millionen Liter pro Sekunde: Hochwasser 2024

Nach fast einer Woche starken Regen, der in manchen Orten in vier Tagen so viel Wasser wie in einem halben Jahr herunterprasseln ließ, standen viele Ortschaften in ganz Mitteleuropa – so auch in Österreich – unter Wasser. Die Schäden sind enorm. Auch Wien wurde von dem Hochwasser getroffen und der Wienfluss erreichte ein 1000-jähriges Hochwasser: Statt den üblichen 200 bis 500 Liter Wasser pro Sekunde, strömten unglaubliche 440.000 Liter die Sekunde in den Donaukanal. Bei der Donau waren es in Korneuburg bis zu 10 Millionen Liter pro Sekunde.

Dass die Zwei-Millionen-Metropole im Vergleich zu Umland und anderen Städten relativ glimpflich davon kam, liegt vor allem am Wiener Hochwasserschutz mit der Donauinsel und ihren vielen Kanälen.

„Man will sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir ohne Donauinsel in diese Situation gekommen wären“, meinte Bürgermeister Michael Ludwig erleichtert und gleichzeitig warnend.

Was viele Wiener und Wienerinnen bei Schönwetter als selbstverständliches Freizeitangebot wahrnehmen, zählt für Experten zu einem der herausragendsten Städtebauprojekte für Wasserschutz. Doch der Hochwasserschutz mit dem Kernstück Donauinsel war nicht nur eine bauliche Errungenschaft, sondern auch politisch ein heiß umkämpftes Thema.

Wiener Hochwasserschutz in der Monarchie

Bereits in der Zeit der Monarchie gab es Bemühungen, den Hochwasserschutz in Wien zu verbessern. Denn Wien wurde immer wieder von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht, die Infrastruktur und Leben gefährdeten. Erste umfassende Projekte zur Regulierung der Donau wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts umgesetzt, als der Fluss in ein neues Bett geleitet wurde, um Überschwemmungen besser zu kontrollieren. Die „Alte Donau“ entstand und mit dem Gänsehäufel sowie ersten Rudervereinen keimte schon damals die Idee eines Erholungsgebietes auf.

Donauinsel als Hochwasserschutz: Der historische Worst Case als Richtwert

Ein überraschendes Hochwasser im Juli 1954 löste in Wien eine Debatte aus, wie man die Stadt und ihre Einwohner:innen langfristig vor Überschwemmungen schützen kann. Die Stadtregierung arbeitete an einer langfristigen Lösung.

Das Ergebnis der Debatte war das Projekt Donauinsel, wie wir sie heute kennen: Es soll ein zweites Flussbett angelegt werden. Die sogenannte „Neue Donau“ soll parallel zur „blauen“ Donau verlaufen und bei Hochwasser als Entlastung dienen. Daneben soll ein Streifen als Insel entstehen. Dadurch kann der Wasserdurchlauf bis zu 14.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde gewähren. Der Richtwert entspricht der Menge des bis dato größten dokumentierten Hochwassers der Donau, nämlich in Passau im Jahr 1501. Damit könnte das zukünftige Wien auch die größten Überschwemmungen standhalten.

Die ÖVP stimmte gegen Donauinsel

Ende der 1960er-Jahre wurde das Projekt von der SPÖ im Wiener Gemeinderat beschlossen und man machte sich an die Umsetzung. Die Verhandlungen dazu verliefen aber äußerst zäh, weil die ÖVP strikt gegen die Donauinsel und den Hochwasserschutz war.

Sie sahen darin ein Millionengrab und lehnten die Donauinsel ab, „weil die Stadt Wien dringendere Aufgaben zu lösen hat“. Schlussendlich stimmten sie gegen das Projekt.

Als der Bau 1972 begann, gab es weiterhin hitzige Debatten zwischen der SPÖ und der ÖVP über die Notwendigkeit und Finanzierung des Projekts. Der Bürgermeister Leopold Gratz setzte sich für die Donauinsel ein, die nicht nur dem Hochwasserschutz, sondern auch als Naherholungsgebiet dienen sollte. Die ÖVP kündigte daraufhin die Koalition mit der Sozialdemokratie auf.

Donauinsel als Erholungsgebiet für Mensch und Tier

Das Megaprojekt Donauinsel wurde 1988 nach 16 Jahren Bauzeit fertiggestellt. Seitdem hat sich vieles getan. Heute nutzen täglich bis zu 200.000 Menschen die Insel für Freizeitaktivitäten und Entspannung. Ob Schwimmen, Skaten, Radfahren, Surfen, Tanzen oder Kulinarik und Kultur – sie ist zu einem der beliebtesten Treffpunkte für Wiener und Wienerinnen geworden. Besonders in den warmen Monaten ist „die Insel“ das Herzstück der Stadt und bietet Menschen unabhängig von Alter, Herkunft oder Einkommen einen Platz zum Entspannen.

Die Donauinsel bietet aber auch wertvolle Lebensräume für Tiere, darunter Vögel, Insekten und Amphibien, und schützt bedrohte Arten durch umweltschonende Maßnahmen wie den Einsatz von Schafen statt Traktoren für die Mäharbeit. Einmal im Jahr findet außerdem das Donauinselfest statt, das größte Open-Air Musikfestival Europas mit gratis Eintritt.

Wien wappnet sich mit intelligenter Kanalisation und Schwammstadt für die Zukunft

Neben dem Hochwasserschutz an der Donau hat die Stadt Wien auch den Ausbau der Kanalisation stark vorangetrieben, damit die Straßen auch bei starkem Niederschlag nicht untergehen. Erste Projekte begannen bereits in der Monarchie, doch besonders in den letzten Jahrzehnten wurde intensiv daran gearbeitet. Es wurden unterirdische Speicherbecken gebaut, um besser auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet zu sein.

So fasst etwa der Wiental-Kanal künftig 170 Millionen Liter, und die Speicherbecken in Simmering und Inzersdorf nehmen zusammen fast 40 Millionen Liter auf.

“Damit und mit unserer Kanalnetzsteuerung kann das gesamte Speichervolumen von einer halben Milliarde Liter voll ausgeschöpft werden”, sagt Wien-Kanal-Sprecher Josef Gottschall.

Unterstützt wird dies durch digitale Technologien wie intelligente Kanalisation, die mittels Sensoren und Glasfaserleitungen Probleme schneller erkennt und das Wasser umleiten kann. Darüber hinaus spielen innovative Konzepte wie die Schwammstadt eine zentrale Rolle. Das Konzept der “Schwammstadt” leitet Regenwasser nicht in den Kanal, sondern in größere Wurzelräume, wodurch Pflanzen mehr Wasser speichern, widerstandsfähiger werden und die immer heißer werdende Umgebung kühlen. Dies reduziert die Überflutungsgefahr bei Starkregen und verbessert das Mikroklima. Das Konzept wurde bereits in der Seestadt und in der Zollergasse umgesetzt.

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7. August 2024
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Kontrast Redaktion

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