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Österreichs Scheitern beim Klimaschutz und seine Folgen: Es ist zwei Minuten vor Mitternacht

Die österreichische Bundesregierung unter der Führung von Sebastian Kurz ist gescheitert und mit ihr auch die Umsetzung der Klimaziele, die 2015 im Rahmen des umfassenden Pariser Klimaschutzabkommens in Nachfolge des Kyoto-Protokolls von der Staatengemeinschaft vereinbart wurden.

Im Kyoto-Protokoll von 1997 hat sich die Europäische Union (EU) verpflichtet, die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen zu verringern, um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. Um das Klimaschutzziel zu erreichen, einigten sich die EU-Staaten auf die Einführung eines grenzüberschreitenden Emissionshandels als zentralen Baustein der Klimapolitik der EU. In den Jahren 2015 und 2016 stieg der Ausstoß klimaschädlicher Gase in Österreich nach knapp einem Jahrzehnt sinkender Emissionen wieder an, sodass die Einhaltung der Zielwerte nur noch knapp gewährleistet werden konnte.

Durch einen weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen um 3,3 % im Vergleich zum Vorjahr hat Österreich im Jahr 2017 erstmalig die nationalen Klimavorgaben verfehlt. Ein Trend, der sich bis zum Jahr 2020 fortführen und den österreichischen Staatsbürgern auch einiges kosten wird. Die ehemalige Nachhaltigkeitsministerin Köstinger (ÖVP) musste bereits einräumen, dass sich die Kosten durch das Verfehlen der Klimaziele in der Höhe der Steuerentlastung belaufen werden. Für den Ankauf von Emissionszertifikaten könnten somit bis zu 6,6 Milliarden Euro anfallen, was einer pro Kopf Belastung von über 8.000 Euro entspricht.

Der Staat als Innovationsmotor

Diese finanziellen Ressourcen werden uns bei der Transformation des Systems hin zu sozio-ökologischer Nachhaltigkeit fehlen. Ein Systemwandel, der dringend notwendig ist und zunehmend auch von der Gesellschaft, wie die Fridays for Future Bewegung zeigt, gefordert wird. Der Staat muss hierbei die Rolle als Innovationsmotor verkörpern und Grundlagen für eine europäische Wertschöpfungskette im Energie-, und Mobilitätsbereich schaffen. Erneuerbare Energien müssen billiger werden, um ökonomische Anreize zu schaffen und Investoren für eine breite E-Mobiltätsoffensive anzuwerben. Die Bundesregierung Kurz ist bei der Vollziehung dieses Systemwandels an ihrem eigenen Vermarktungskonzept gescheitert. So würde beispielsweise eine Ökologisierung des Steuersystems einigen Großspendern wohl doch zu sauer aufstoßen.

Verringerung der Treibhausgasemissionen dringend notwendig

Dabei sollte die ökologische Schlüsselbotschaft ganz klar und deutlich lauten: Verringern der Treibhausgasemissionen soviel wie möglich so rasch als möglich! Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wird das verbleibende Kohlenstoffbudget, um unter 1,5 °C Erwärmung zu bleiben, innerhalb der nächsten 3 bis 10 Jahre aufgebraucht sein. Um dieses Ziel zu erreichen, sind größte Anstrengungen zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern sowie zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre im großen Maßstab erforderlich. Ein vollkommener Ausstieg bis 2050 käme zu spät und wäre mit sehr kostenintensiven Anstrengungen verbunden. Um die globale Temperatur um 0,1 °C zu reduzieren, müsste man 45 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre schaffen. Die Reduktion von 1 Tonne Kohlendioxid kostet aktuell 600 Dollar. Je schneller wir also eine Systementgleisung durch steigende Treibhausgasemissionen verhindern, desto günstiger und lebenswerter wird es für die gegenwärtige Gesellschaft und deren Nachkommen.

2 Minuten vor Mitternacht: Der Klimawandel ist eine tögliche Gefahr

Wie das IPCC (Weltklimarat) im Oktober mitteilte, werden wir, wenn die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 nicht halbiert, Rückkopplungsschleifen auslösen, die eine Erwärmung unabhängig von den Menschen bewirkt. Um diese Katastrophe zu verhindern, müssen die globalen Emissionen bis 2020 ihren Höhepunkt erreichen und anschließend abnehmen. Dazu kommt, dass die Auswirkungen, welche vom IPCC kommuniziert werden, sehr konservativ formuliert sind, um Überdramatisierungen zu vermeiden. Es kann also nur schlimmer werden als das Kommunizierte!

Es ist bereits 2 Minuten vor Mitternacht, so das Bulletin of Atomic Scientists. Das Institut bewertet aktuelle globale Risiken und führt neben Atomwaffen den Klimawandel als die existenzielle Bedrohung für die Menschheit an. Auch das World Economic Forum hat seinen 14. Jahresbericht veröffentlicht, in dem die globalen Risiken sowohl hinsichtlich ihrer Auswirkungen als auch hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit bewertet werden. Umweltgefahren führen beide Listen zum dritten Mal in Folge an. Über 1.000 Entscheidungsträger aus dem öffentlichen Sektor, dem privaten Sektor, der akademischen Welt und der Zivilgesellschaft haben bei der Berichterstellung mitgewirkt. Extreme Wetterereignisse und Versagen in der Klimapolitik werden als die schwerwiegendsten Bedrohungen im nächsten Jahrzehnt angeführt.

Der Wendepunkt muss jetzt sein, um das Schlimmste zu verhindern

Gelingt es uns nicht, die Ziele zukünftig zu erreichen, werden die klimabedingten Risiken für Gesundheit, Lebensunterhalt, Ernährungssicherheit, Wasserversorgung, menschliche Sicherheit und Wirtschaftswachstum bei einer globalen Erwärmung von 1,5 °C ansteigen und sich bei einer solchen von 2 °C weiter erhöhen. In einer Welt mit einer globalen Erwärmung von 2 °C käme es zu mehr Hitzetoten, erhöhten Ernteverlusten, Wassermangel für Menschen in trockenen Gebieten, Verlust des Lebensraumes durch den Anstieg des Meeresspiegels und zu einem langsameren Wirtschaftswachstum. Daher müssen wir jetzt Maßnahmen setzen, um in der 2. Hälfte des Jahrhunderts Stabilisierungen zu erreichen.

Trotz der reduzierten politischen Ambition aufgrund rechtspopulistisch besetzter Regierungsparteien, haben Klimabewusstsein und Aktivismus, in den vergangenen Monaten zugenommen. Dies könnte zu einem Wendepunkt führen, ab dem Fortschritte in der Klimapolitik – und nicht durch den Klimawandel bedingte Katastrophen – unabdingbar werden.
Das Schicksal der Zivilisation wird davon abhängen, an welchem Wendepunkt wir zuerst ankommen.

Autor: David Steiner, MSc
Leiter der bundesweiten SPÖ Themeninitiative Umwelt und Nachhaltigkeit, sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter strategischer Beteiligung an der Universität für Bodenkultur Wien

David Steiner BOKU / David Steiner SPÖ

Quellen:
• Frank J. Convery: Origins and Development of the EU ETS. In: Environment and Resource Economics. Vol. 43 (2009), S. 391–412
Treibhausgas-Emissionen: Umweltbundesamt veröffentlicht Klimaschutzbericht
1.5°C Global Warming
The Doomsday Clock
World Economic Forum – Annual Report 2017-2018

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1647 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1647 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 436 Stimmen
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    436 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 349 Stimmen
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    349 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 261 Stimme
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    261 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
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    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2827
12. März 2024
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