Im Norden von Syrien haben die Kurden den IS territorial besiegt. Dennoch ist die Gefahr nicht gebannt. Durch den Angriff der Türkei auf die Kurden in Syrien, entsteht die Gefahr einer Wiederauferstehung des IS. Vor wenigen Wochen haben wir am „International Forum on ISIS“ in Amuda in Syrien teilgenommen. Das Erkenntnis ist klar: Die internationale Gemeinschaft muss die Kurden in ihrem Kampf gegen den IS und gegen den türkischen Angriff unterstützen, fordert die Wiener Solidaritätsgruppe PIR.
In Europa wird die Region Nord -und Ostsyrien als „Kurdengebiete“ tituliert, es leben dort aber auch viele andere Volksgruppen wie JesidInnen, AraberInnen, AssyrerInnen und TurkmenInnen. Im März 2016 hatten sie gemeinsam die Demokratische Föderation Nordsyrien proklamiert. Frauenrechte, Menschenrechte, Demokratie und Ökologie sind wesentliche Prinzipien der Föderation. Es gibt weder Folter noch Todesstrafe und gleich nach Gründung der Föderation wurden mehrere Frauenhäuser errichtet. Visionen eines friedlichen Zusammenlebens der Geschlechter, Volksgruppen und Religionen werden umgesetzt, abseits von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung der Natur.
Wir sprechen hier von jenen Menschen, die den IS in harten und sehr verlustreichen Kämpfen territorial besiegt hatten. Die meisten erinnern sich sicherlich noch an den Krieg um Kobane. Von September 2014 bis Januar 2015 war um diese Stadt gekämpft worden, ehe sie dem IS entrissen werden konnte. Es war die erste Niederlage des IS, die letztendlich auch zum Fall von Raqqa, der Hauptstadt des Kalifats, führte.
Tausende dschihadistische Kämpfer, ihre Frauen und zahlreiche Kleinkinder wurden von der Föderation festgesetzt, bewacht und verpflegt. Dazu kamen Zehntausende Binnenflüchtlinge. Allein die Versorgung und Bewachung der Lager und Gefängnisse kostet(e) die Autonomieregierung 1 Million Dollar pro Tag. In großen Anstrengungen gelang es, die verwüstete Region wieder aufzubauen. Kobane war in den Kämpfen zu 80 % zerstört worden. Im Juli 2019 waren insgesamt 80 % aufgebaut. Eine Stadt voller Neubauten.
Die eingangs erwähnte Abschlussdeklaration des „International Forum on ISIS“ fand kein Gehör. Die Föderation war mit der Bekämpfung des IS nach dem territorialen Sieg von den europäischen Regierungen im Stich gelassen worden. Die hatten nicht einmal ihre eigenen StaatsbürgerInnen zurückgenommen – geschweige denn das dringende Ersuchen nach Schaffung eines internationalen Gerichtshofs erhört.
Wie wir alle wissen, wird diese Region vom türkischen Militär und seinen dschihadistischen Verbündeten gerade aufs Neue in Schutt und Asche gelegt. Krankenhäuser werden bombardiert und 250.000 Menschen mussten innerhalb weniger Tage flüchten.
Und die IS-KämpferInnen und ihre fanatischen Frauen brechen jetzt unter dem Schutz der türkischen Militärs und ihrer dschihadistischen Verbündeten aus den Lagern und Gefängnissen aus.
Wer die Menschen in Nord- und Ostsyrien kennt, weiß, dass sie nicht aufgeben werden. Sie fühlen sich den vielen Gefallenen verpflichtet, den Kampf für Freiheit und Frauenrechte weiterzuführen.
Für uns hier ist die Entwicklung in Nord- und Ostsyrien aus zwei Gründen von großer Bedeutung.
Der IS ist territorial besiegt. Es gibt aber zahlreiche Schläferzellen in Syrien, die auf eine Gelegenheit warten, den Kampf für ihr Kalifat wieder aufzunehmen, und es gibt Tausende Kämpfer und ihre fanatischen Frauen, die Gefangene der Föderation sind bzw. waren. Sie sind die Verbündeten der neo-osmanischen AKP Erdogans. Es gibt unzählige Belege für die Unterstützung der Dschihadisten durch die türkische Regierung. Im Windschatten der laufenden Invasion werden mehr und mehr dieser gefährlichen Menschen freikommen. Die Bewachung der Lager und Gefängnisse durch die Kurden ist nicht mehr gewährleistet. Auch bombardieren die türkischen Militärs gezielt die Umgebung von Gefängnissen. Wenn die internationale Gemeinschaft die Förderation nicht unterstützt, werden diese Terroristen in aller Welt weitermorden.
In Nord und Ost von Syrien werden Visionen von den Kurden umgesetzt, die international Vorbildwirkung haben. Menschenrechte, Frauenrechte, Ökologie und Basisdemokratie sind gelebte Realität. So ist es unsere Aufgabe, dieses Ringen um Emanzipation zu unterstützen, um dem profitgierigen Monster des globalisierten Turbokapitalismus unser Bestreben nach einem menschenwürdigen Leben für alle entgegenzusetzen.
Die Gruppe PIR (auf Kurmandschi „Brücke“) ist eine Solidaritätsgruppe in Wien.
Aktuelle Information über unsere laufenden Aktivitäten in Wien: PIR auf Facebook
Unsere für November geplante Reise nach Kobane in Syrien können wir nicht antreten. Jetzt wollen wir im Februar fahren.
Aktuelle Information über die Situation in Nord -und Ostsyrien findest Du hier: https://anfdeutsch.com/rojava-syrien
Yasmin Randall: Psychotherapeutin, Menschenrechtsaktivistin, Obfrau des Vereins zur Schaffung solidarischer Strukturen, Arbeitsgruppe PIR.
Claudia Steinacher: Freie Lektorin, Lerncoach, DaF/DaZ-Trainerin, aktiv im Verein zur Schaffung solidarischer Strukturen you-are-welcome und Arbeitsgruppe PIR.
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