4-Tage-Woche

Neuseeländisches Unternehmen mit 4-Tage-Woche: „Wir sind jetzt doppelt so produktiv wie die Konkurrenz“

Der Neuseeländische Unternehmer Andrew Barnes hat in seinem Unternehmen Perpetual Guardian die 4-Tage-Woche eingeführt. Mit Erfolg: Die Produktivität seiner rund 250 Mitarbeiter ist sogar gestiegen. Perpetual Guardian ist heute doppelt so produktiv wie die Konkurrenz. Barnes glaubt, dass es im Management viel unbegründete Angst vor kürzeren Arbeitszeiten gibt. „Die Vorteile für die Arbeitnehmer sind klar“, sagt Barnes. Um auch Unternehmer zu überzeugen, müsse man den Schwerpunkt auf die Produktivität legen.

Kontrast: Was hat Sie motiviert, die Arbeitszeit in Ihrem Unternehmen zu reduzieren?

Barnes: Ich habe in der Zeitschrift Economist einen Artikel gelesen, in dem es hieß, dass die Briten nur 2,5 Stunden pro Tag produktiv seien und die Kanadier in dieser Umfrage nur 1,5 Stunden pro Tag. Ich fragte mich, ob das in meinem eigenen Unternehmen auch so ist. Ich argumentierte, dass viel Zeit vergeudet wurde, weil Besprechungen zu lange dauerten und weil die Arbeit zu oft unterbrochen wird und die Konzentration stört.

Statistisch gesehen wird man in einem Großraumbüro alle 11 Minuten einmal unterbrochen, und es dauert 20 Minuten, bis man wieder voll produktiv ist.

Meine These lautete, wenn ich Störfaktoren beseitigen kann, dann wären meine Mitarbeiter in der Lage, ihre Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen. Ich beschloss daher, ein Experiment zu wagen. Wenn die Produktivität und die Dienstleistungsstandards aufrechterhalten werden können, sollte es im Gegenzug einen freien Tag pro Woche geben. Daraus wurde die 100:80:100-Regel.

100 % Bezahlung,
80 % Zeit,
vorausgesetzt, wir haben 100 % Produktivität.

Kontrast: Welche Auswirkungen hatte die 4 Tage für das Unternehmen?

Barnes: Wir haben die Auckland University Business School und die Auckland University of Technology beauftragt, parallel zu unserem Versuch qualitative und quantitative Untersuchungen durchzuführen – damit wir die Auswirkungen messen können.

Und die Gesamtproduktivität ist gestiegen. Der Krankenstand hat sich halbiert, der Personalaustausch ist gesunken und die Qualität der Bewerber hat sich verbessert.

Vor Kurzem habe ich die Produktivität pro Person mit der unseres Konkurrenten verglichen:

Unsere Mitarbeiter von Perpetual Guardian sind im Vergleich zum Umsatz zwei mal so produktiv wie die der Konkurrenz.

Kontrast: Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Barnes: Am Anfang gaben wir dem Mitarbeiter einen Monat Zeit, sich vorzubereiten. Wir baten sie, herauszufinden, wie sie die Dinge machen und wie wir diese Sachen aus der Perspektive der Produktivität bewerten sollten. Das hat sehr geholfen, denn die Mitarbeiter haben im Wesentlichen herausgearbeitet, was unproduktive Tätigkeiten waren. Diese durch produktive Tätigkeit zu ersetzen, bringt die Verbesserungen. Das gab uns auch richtige Produktivität-Benchmarks, die wir vorher nicht hatten. Dann führten wir den zweimonatigen Versuch mit begleitender akademischer Forschung durch. Während wir die Ergebnisse auswerteten, arbeiteten wir wieder fünf Tage. Seither haben wir eine überarbeitete permanente 4-Tage-Woche.

Kontrast: Wie haben die Mitarbeiter reagiert?

Barnes: Die ersten Reaktionen waren vorsichtig. Einige Mitarbeiter haben die Gelegenheit sofort ergriffen, andere waren vorsichtiger. Sie fürchteten, dass es sich um eine Strategie zum Personalabbau handeln würde. Im Wesentlichen wird man bei der Einführung der 4-Tage-Woche immer eine Vielzahl von Reaktionen erhalten. Zu den Negativen gehören Leute, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollen. Und auch oft von Teamleitern. Die waren dagegen, weil sie überzeugt waren, dass es nicht funktionieren wird.

Kontrast: Und jetzt? Sind die Mitarbeiter zufrieden?

Barnes: Ziemlich zufrieden! Aufgrund unserer Erfahrungen können wir das Modell auch immer weiter verbessern. Sie können die Arbeitszeitverkürzung an ihre Bedürfnisse anpassen: ein freier Tag, zwei halbe Tage oder reduzierte Stunden an 5 Tagen in der Woche. Dies wird von den Teams durchgeführt, um sicherzustellen, dass wir immer auf dem angemessenen Niveau arbeiten können. Es bedeutet, dass die Mitarbeiter die Zeit frei bekommen, die für sie sinnvoll ist. Ich bin ziemlich froh, dass wir es im Großen und Ganzen richtig gemacht haben. Wir haben den Lockdown mit Rekordgewinnen durchschritten, was die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zeigt.

Kontrast: Wie haben Ihre Kunden darauf reagiert?

Barnes: Die Reaktionen waren im Großen und Ganzen positiv. Sicherlich, wir haben viel Aufmerksamkeit bekommen und auch außerordentlich viel positive Publicity. Wir haben sogar Aufträge wegen der Umstellung bekommen. Wir haben aber auch sichergestellt, dass der Service zumindest gleich bleibt. Es gab also keine negativen Auswirkungen auf die Kunden.

Kontrast: Ist die 4-Tage-Woche ein Modell für die Zukunft?

Barnes: Ja, ich denke schon. Es gibt klare Beweise dafür, dass die Welt es will. Unsere Geschichte wurde in 85 Ländern fast 5 Milliarden Menschen erzählt. Eine ganze Reihe multinationaler Unternehmen haben ihre Mitarbeiter befragt und herausgefunden, dass bis zu 80% der Mitarbeiter die 4-Tage-Woche wollen. Es gibt Beispiele von Unternehmen in allen Sektoren, die die Arbeitszeitverkürzung umsetzen.

Solange das Konzept mit derselben Produktivität verbunden ist, gibt es keine Nachteile.

Kontrast: Wieso glauben Sie, sind so viele Arbeitgeber (in Österreich ist es vor allem die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung) so stark gegen kürzere Arbeitszeiten?

Barnes: Konditionierung. Wir haben lange fünf Tage die Woche gearbeitet, warum sollten sich die Dinge ändern? Auf organisatorischer Ebene sind viele Führungskräfte risikoscheu und haben die Produktivität nicht wirklich im Griff. Die Arbeitsstunden werden zu einem Surrogat. Hier hat Covid-19 dazu beigetragen, dass viele Unternehmen jetzt erkennen, dass ihre Mitarbeiter zu Hause produktiver waren. Viele Unternehmen befürchten einen Produktionsrückgang, in Wirklichkeit sehen viele Unternehmen, die die 4-Tage-Woche einführen, eine Produktivitätssteigerung von bis zu 50  Prozent.

Kontrast: Welche Branchen eignen sich besonders für kürzere Arbeitszeiten? Wo würde es schwer werden?

Barnes: Es gibt hier keine einfache Antwort. Alle Unternehmen in den Bereichen Dienstleistung und Produktion können sie umsetzen. Der Schlüssel liegt darin, die Herausforderung der Umsetzung an die Mitarbeiter zu stellen. Die Ergebnisse werden von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ausfallen, um den individuellen Anforderungen gerecht zu werden. In meinem Buch habe ich ein Kapitel mit dem Titel „Kühe müssen zweimal am Tag gemolken werden“. Darin kommt zum Ausdruck, dass wir regelmäßig Manager hören, die sagen: „Das mag in Ihrem Betrieb funktionieren, aber in meiner Firma würde es nicht funktionieren“. Tatsächlich sind wir in der Regel in der Lage, in jeder Branche auf ein Unternehmen zu verweisen, das es erfolgreich umgesetzt hat.

Kontrast: In Österreich hat die SPÖ den Vorschlag zur Arbeitszeitverkürzung gemacht. Dabei sollen die Leute einen Tag weniger arbeiten. Die Kosten werden aufgeteilt auf Arbeitnehmer, Arbeitgeber und das AMS. Bis zu drei Jahre soll die Förderung vom AMS dauern. Zum Schluss arbeitest du einen Tag weniger und verdienst dafür ca. 6 Prozent weniger. Dadurch soll Unternehmen der Übergang zu kürzeren Arbeitszeiten erleichtert werden. Was halten Sie davon?

Barnes: Dies ähnelt dem deutschen Kurzarbeitsmodell und dem Vorschlag, den ich der Regierung Neuseelands und unserer eigenen Gewerkschaftsbewegung (der CTU) vorgelegt habe. Ich habe ihn auch mit der Höherqualifizierung und Ausbildung verknüpft. Es geht ja auch darum, die Arbeitskräfte so umzuschulen, dass sie den technischen Entwicklungen wie der künstlichen Intelligenz gewachsen sind. Am Ende muss nicht einmal eine kleine Lohnsenkung hingenommen werden – vor allem, wenn die Produktivität nicht sinkt. Das ist der Schlüssel bei unserem Ansatz:

Die Vorteile für die Arbeitnehmer sind klar, aber um es für die Unternehmen schmackhaft zu machen, muss der Schwerpunkt auf die Produktivität gelegt werden.

Zur Person

Andrew Barnes kann auf eine abwechslungsreiche Karriere in Großbritannien, Australien und Neuseeland, wo er hauptsächlich im Finanz- und Rechtswesen tätig war, blicken. Heute ist er Unternehmer, der verschiedene Firmen in Australien und Neuseeland gestartet hat. Er sucht traditionelle Unternehmen, die durch die Einführung von Technologie erheblich verbessert werden können. Traditionelle oder „langweilige“ Industrie vor allem, da sie in der Regel nicht dem gleichen Maß an Wettbewerb unterliegen. Derzeit befasst er sich vor allem mit Lohnbuchhaltung, juristische Dienstleistungen (Testamente, Trusts und Nachlässe) sowie regulatorische und philanthropische Unternehmen.

Er ist Direktor bei Perpetual Guardian, einem der der führenden Treuhandgesellschaften in Neuseeland.

Wie sollen wir in Österreich die Teuerung bzw. ihre Folgen bekämpfen?

Maximal 4 Antwortmöglichkeiten

  • Steuern auf Arbeit senken, dafür Steuern auf Millionenvermögen erhöhen 23%, 93 Stimmen
    23% aller Stimmen 23%
    93 Stimmen - 23% aller Stimmen
  • Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und Banken 21%, 86 Stimmen
    21% aller Stimmen 21%
    86 Stimmen - 21% aller Stimmen
  • Energiepreise stärker regulieren 16%, 66 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    66 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Mehrwertsteuer auf Lebensmittel streichen 13%, 54 Stimmen
    13% aller Stimmen 13%
    54 Stimmen - 13% aller Stimmen
  • Mieterhöhungen für die nächsten zwei Jahre stoppen 11%, 44 Stimmen
    11% aller Stimmen 11%
    44 Stimmen - 11% aller Stimmen
  • Ganztagesschulen kostenlose machen 8%, 34 Stimmen
    8% aller Stimmen 8%
    34 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Höchstzinsen für Häuselbauerkredite einführen 5%, 20 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    20 Stimmen - 5% aller Stimmen
  • Mindestzinsen für bestimmte Sparprodukte einführen 4%, 16 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    16 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 413
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13. Mai 2024
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