Andrew Barlett hat in seiner Firma „Advice Direct Scotland“ die 32-Stunden-Woche geführt. Unter dem Namen „advice.scot“ bieten dort mehr als 90 Mitarbeiter kostenlose, unabhängige und praxisorientierte Beratung für alle in Schottland an – die Themen sind Vielfältig: vom Urlaub bis hin zum Arbeitsrecht. Er erzählt uns im Interview, welche Motive sie hatten die Arbeitszeit zu verkürzen, welche Probleme sie bewältigen müssen – und wie sie dank moderner Technik und Arbeitsweisen auch im Homeoffice weiterarbeiten konnten.
Barlett: Wir sind eine Organisation, die den Menschen in den Vordergrund stellt. Daher sind wir immer daran interessiert, neue Wege zu ergründen, um die Work-Life Balance zu verbessern. Im Jahr 2018 wurden wir zu einer der ersten großen Organisationen in Schottland, die eine Vier-Tage-Arbeitswoche einführte, nachdem internationale Beispiele bereits gezeigt hatten, welch positive Auswirkung dies auf die Belegschaft hat.
Wir wollten sichergehen, dass jede Arbeitskraft nicht nur ihre Stunden reduziert, sondern das auch bei gleichbleibender Bezahlung passiert.
Außerdem war uns wichtig, dass auch in der neuen 32-Stunden-Woche bezahlte Pausen inkludiert waren. Nicht jede Organisation, die eine Vier-Tage-Woche eingeführt hat auch diese Punkte berücksichtigt. Es war einiges an Planung mit den Managern und dem Team der Personalverwaltung notwendig, aber eigentlich war es relativ unkompliziert. Unser Hauptziel war es, dass die Qualität unserer Serviceleistungen nicht darunter leidet – und das ist uns komplett gelungen.
Barlett: Die Initiative ist sehr gut angekommen.
Wir haben unsere Mitarbeiter motiviert, an ihrem freien Tag auch etwas zu unternehmen, wie zum Beispiel mit der Familie Schwimmen zu gehen oder Verwandte im Seniorenheim zu besuchen.
Außerdem haben wir sie gebeten, davon im Büro zu erzählen, wodurch sich die Leute wieder mehr unterhalten haben, was das Arbeitsklima noch einmal deutlich verbesserte.
Barlett: Wir hatten sichergestellt, dass unser Service nach wie vor in der gewohnten Qualität angeboten wurde, daher hat sich für diejenigen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, überhaupt nichts geändert. Die schottische Regierung unterstützt derartige Modelle sehr, es kommt auch sehr gut an.
Barlett: Das neue Modell funktioniert wunderbar. Es hat nicht nur dazu beigetragen, ein positiveres Arbeitsumfeld zu schaffen, sondern hat vor allem auch die Produktivität gesteigert. Die Belegschaft ist motivierter und wir registrieren deutlich weniger Krankenstände, was wiederum den Output erhöht. Momentan arbeiten wir an einem Post-Corona Modell.
Wir werden eine 2+2 Woche vorstellen, in der die Belegschaft zwei Tage von zu Hause aus arbeitet und zwei Tage im Büro. Wir hoffen dadurch weitere Verbesserungen zu erzielen.
Barlett: Nicht jedes Arbeitsfeld kann die Vier-Tage-Woche implementieren, aber jedes Land sollte sich das anschauen. In vielen der produktivsten Länder wie Norwegen und Dänemark ist die Vier-Tage-Woche Usus, was wahrscheinlich kein Zufall ist.
Barlett: Traditionellerweise geht man davon aus, dass die Anzahl an Stunden, die jemand in der Arbeit verbringt, direkt proportional an die produzierte Arbeitsleistung geknüpft ist. Diese Sichtweise wird nun zu Recht infrage gestellt, aber das wird zweifellos noch etwas Zeit brauchen.
Die beste Art dieses Umdenken zu unterstützen, ist mehr Unternehmen dazu zu bringen, über die positiven Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung für sie zu sprechen.
Barlett: Alle Büro-zentrierten Berufe des Dienstleistungssektors sind offensichtlich sehr geeignet dafür. Aber es gibt auch viele kreative Überlegungen, die es auch in anderen Sektoren und Sparten ermöglichen so zu arbeiten.
Barlett: Es wäre nicht richtig in meiner Position eine spezifische Forderung einer Partei zu kommentieren, aber die österreichischen Sozialdemokraten sind bei weitem nicht alleine in Europa, wenn sie über verkürzte Arbeitszeit nachdenken. In Großbritannien gibt es eine Vielzahl an Parteien, die dieses Prinzip unterstützen. Das, was wir in Advice Direct Scotland umgesetzt haben, haben wir mithilfe unserer bereits existierenden Ressourcen geschafft. Niemand hat dabei weniger verdient – gegenfinanziert wurde es mit gesteigerter Produktivität und gesunkenen Krankenständen.
Man darf nie vergessen: je mehr man sich um seine Angestellten kümmert, desto mehr werden sie uns helfen unser Unternehmen zum Wachsen zu bringen.
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