Von unten

Armut macht Kinder krank

Eine Umfrage der Ärztekammer in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe Österreich zeigt alarmierende Ergebnisse: Arme Kinder werden öfter krank – betroffen sind sogar die Allerkleinsten.

In Österreich müssen über 370.000 Kinder in Armut aufwachsen oder sind armutsgefährdet. Armut trübt das Leben und die Zukunft. Es fehlt das Geld für Schulausflüge, Kleidung, gesundes Essen und Freizeitaktivitäten.

Die Volkshilfe wollte nun zum zweiten Mal gemeinsam mit der Ärztekammer herausfinden, wie stark sich Armut auf die Gesundheit von Kindern auswirkt. Das Ergebnis ist eindeutig: Arme Kinder sind öfter krank, leiden eher an psychischen Problemen und sind später oft chronisch kranke Erwachsene.

9 von 10 Kinderärzt:innen sagen: Ja, arme Kinder sind öfter krank

85% der befragten Ärzt:innen beobachten, dass armutsbetroffene Kinder und Jugendliche häufiger krank sind und bei ihnen in der Ordination versorgt werden müssen. Bei den Kinderärzt:innen geben sogar 9 von 10 Ärzt:innen an, dass arme Kinder häufiger Beschwerden haben. Die Einschätzung der Befragten wird auch durch zahlreiche Forschungsergebnissen, etwa die KIGGS-Studie, bestätigt. Das Robert-Koch-Institut weist auf die Häufung von Diabetes, depressiver Symptomatik und Adipositas bei armutsbetroffenen Menschen hin.

Ursachen für gesundheitliche Ungleichheit

Ärztinnen und Ärzte wurden zu Kindergesundheit gefragt, mit welchen Beschwerden Kinder aus armutsgefährdeten Familien zu ihnen kommen. Das Ergebnis: Egal, ob es um schlechte Ernährung, Ängste, Krankheiten oder psychische Probleme geht – arme Kinder sind stärker betroffen als Kinder aus finanziell stabilen Familien. Doch warum ist das so? Die Hauptursache laut den befragten Ärzt:innen ist der „strukturelle Mangel gesundheitsfördernder Lebensumstände“. Übersetzt heißt das: Es fehlt schlicht an Geld und Möglichkeiten, einen gesunden Lebensstil zu führen und zu halten. Gesundes Essen, Sport in Vereinen sind teuer – auf der anderen Seite bekommen die Kinder mit, dass ihre Eltern unter Druck stehen. Der Stress überträgt sich und belastet sogar die Kleinsten.

Kopfschmerzen und Schlafprobleme sind häufige Beschwerden bei armutsbetroffenen Kindern.

8 von 10 Ärzt:innen geben an, dass Kinder sind aufgrund der psychosomatischen Folgen der Armutslage häufiger krank werden. Hierzu zählen schlechte Wohnverhältnisse, wie Schimmel oder Kälte, oder aber auch Mobbing und Stress. Die permanente Existenzangst, die Kinder und Jugendlichen täglich erleben, schädigt ihre Gesundheit.

Die EU-SILC-Daten zeigen, dass im Jahr 2020 164.000 Kinder in feuchten Wohnungen lebten.

Auf Platz zwei und drei der Ursachen werden „Hohe Kosten für gesunde Ernährung“ (54%) und „Fehlende bewegungs-/entwicklungsfördernde Angebote im Kleinkindalter“ (53%) genannt. Aber auch Diskriminierungserfahrungen nennen Ärzt*innen als Grund für die häufigeren Erkrankungen. Das bestätigen vor allem Kinder- und Jugendpsychiater:innen (27%), die mehr Zeit für Gespräche mit ihren Patient:innen haben als andere Fachrichtungen.

Kopfschmerzen und Schlafschwierigkeiten sind häufige Beschwerden bei Armut

3 von 4 Ärzt:innen beobachten bei Kindern aus armutsgefährdeten Familien vermehrt psychosomatische Belastungen. Unter den Kinderärzt:innen sind das sogar 9 von 10.

Betrachtet man etwa Kopfschmerzen bei Mädchen und Burschen zwischen 11 und 15 Jahren, so zeigen Studien, dass Mädchen aus Familien mit niedrigerem Einkommen am häufigsten damit zu kämpfen haben. Auch Schlafschwierigkeiten betreffen Mädchen dieser Gruppe besonders stark.

Armut macht sogar Babys und Kleinkinder krank

6 von 10 Ärzt*innen, die an der Umfrage teilgenommen haben, bemerken schon bei Babys und Kleinkindern einen schlechteren Gesundheitszustand. Bei den Kinderärzt:innen sind es 83%. Besonders stark zeigt sich das durch eine langsamere Entwicklung im sprachlichen und motorischen Bereich. Gerade hier könnte durch einen raschen und flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen für alle Altersgruppen (insbesondere in den Kinderkrippen) gegengesteuert werden.

Zudem zeigen die Ergebnisse, dass es zu wenige kostenfreie Sportangebote für Kinder gibt. Grundsätzlich fehlen in Österreich aber breit angelegte Studien zu den speziellen Herausforderungen von armutsbetroffenen Familien mit Babys und Kleinkindern.

Das fordern Ärzt:innen

Die befragten Mediziner:innen haben konkrete Vorschläge, wie man den Gesundheitszustand armutsbetroffene Kinder verbessern könnte. Zu den Top 5 gehören:1. Ausreichend kostenlose Therapieplätze für Kinder bei medizinischer Indikation (66%)
2. kostenfreie Maßnahmen zur Mund-, und Zahngesundheit für alle unter 18 Jahren (61%)
3. die rasche Erweiterung der Krankenkassenplätze für Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen (54%)
4. Die Reform beziehungsweise der Ausbau der Kassenverträge im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde
5. Der Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen

Die Lösung: Kinder finanziell absichern

Zusätzlich wollen 76% der Befragten eine starke finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen. Das Momentum-Institut hat berechnet, dass die Körperschaftsteuersenkung zu mindestens 86% an die reichsten 10% der Haushalte in Österreich geht. Allein der Red Bull-Konzern spart sich durch die Steuerreform 19 Millionen Euro. attac Österreich warnt davor, dass die Senkung bis zu 800 Millionen Euro kosten könnte. Diese 800 Millionen Euro wären besser in die finanzielle Absicherung von Kindern investiert – eine Kindergrundsicherung nur für armutsbetroffene Kinder würde der Allgemeinheit rund 700 Millionen Euro kosten und viele Millionen Euro an Folgekosten im gesundheitlichen Bereich sparen.

Über die Studie: Die Ärztekammer befragte in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe fast 450 Ärzt:innen aus Wien, Niederösterreich, Burgenland, Salzburg, Vorarlberg und Kärnten. Die Befragung lief von August bis September 2021.

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7. August 2024
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