Der Andrang auf Hilfsorganisationen steigt in Österreich, die Inflation bringt Menschen zu Sozialmärkten und Sozialarbeitsstellen, die das vorher nicht für möglich gehalten hätten. Der Direktor der Volkshilfe schlägt Alarm: Menschen mit kleinen Einkommen schaffen es finanziell nicht mehr und brauchen dringend Hilfe. Dass die Regierung viel zu wenig für sie tut, hält er für „ideologiegetrieben“.
Bereits 1,4 Millionen Haushalte (das sind 2,7 Millionen Menschen bzw. 35 %aller Haushalte) können laut einer Analyse des Fiskalrats ihre Ausgaben nicht mehr mit ihrem monatlichen Einkommen decken. Vor der Teuerungswelle war das „nur“ bei einer Million Haushalte (25 % bzw. 1,8 Millionen Menschen) der Fall. Die Armut in Österreich wird immer mehr zentrales Thema.
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, dazu am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal: „Das Neue an der jetzigen Situation ist, dass nicht nur die Armutsbetroffenen betroffen sind, sondern dass sich das Problem weit in die Mittelschicht entfaltet.“
Die Inflation in Österreich liegt bei rund 8 Prozent, aber die Grundbedürfnisse sind um 15 Prozent teurer geworden – Nudeln sogar um 79 Prozent, die Butter um 31 Prozent. Dazu kommt die Erhöhung der Strom- und Gasrechnung. Viele Menschen haben außerdem hohe Nachzahlungen – und all das summiert sich zu einem unlösbaren Problem.
„Es kommen viele zur Volkshilfe, die das vorher nicht für möglich gehalten hätten“, berichtet Fenninger aus dem Alltag seiner Hilfsorganisation. „Wir haben so viele Menschen in unseren Sozialarbeitsstellen wie noch nie zuvor.“
Das Anti-Teuerungspaket der Regierung reicht laut Fenninger bei weitem nicht aus, um den Härtefällen zu helfen. 28 Milliarden Euro nimmt die Regierung in den nächsten Jahren in die Hand, die höhere Familienbeihilfe oder die Anpassung der Sozialleistungen hält Fenninger für wichtig. Aber dass „Menschen mit weniger Einkommen tendenziell auch weniger vom Paket haben“, kann er nicht verstehen. „Es wäre ein leichtes, die Menschen mit wenig Einkommen bis hin zur unteren Mittelschicht stärker zu unterstützen“, nicht nur mit Einmalzahlungen.
Seit Herbst trommeln Armutsorganisationen, Gewerkschaften und die Opposition, dass viele Sozialleistungen und das Arbeitslosengeld dringend erhöht werden müssen. Die Schwelle zur Armutsgefährdung liegt in Österreich bei 1.371 Euro im Monat. Deutlich darunter liegt das durchschnittliche Arbeitslosengeld mit 1.000 Euro und die Notstandshilfe mit durchschnittlich 900 Euro. Aber die größten Probleme lässt die Regierung ungelöst: Weder das Arbeitslosengeld, noch die Notstandshilfe, noch die Sozialhilfe werden über die Schwelle der Armutsgefährdung angehoben.
„Ich verstehe nicht, dass man Menschen mit wenig Einkommen letztlich aus ideologischen Gründen nicht ausreichend unterstützt. Das ist schon Ideologie-getrieben“, kritisiert Fenninger. Der Direktor der Volkshilfe fordert von der Regierung eine Kindergrundsicherung. 350.000 Kinder sind von Armut betroffen. Geht es nach der „Volkshilfe“, sollen die alle in Österreich lebenden Kinder bis 18 erhalten. Die Höhe der Auszahlung orientiert sich am Einkommen der Eltern. Grundsätzlich erhalten alle Kinder die universelle Komponente von 200 Euro. Zusätzlich wird eine einkommensgeprüfte Komponente von maximal 425 Euro ausbezahlt. Das bedeutet: Kein Kind in Österreich lebt von weniger als 625 Euro im Monat. Das würde zwei Milliarden Euro kosten.
„Wenn wir eine Kindergrundsicherung hätten, könnten wir bei den Familien massiv helfen, dass die Kinder am Ende des Monats nur von Toastbrot leben müssen“, sagt Fenninger.
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