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Friedliche Nachbarn Armenien und Aserbaidschan – Wie kam es zum Krieg? Zusammenfassung

Bomben hageln auf Stepanakert, die Hauptstadt der Region Bergkarabach nieder. Eine Mutter und ein Kind sterben. Armenien und Aserbaidschan stehen sich wieder einmal auf dem Schlachtfeld gegenüber. Warum aber befinden sich beide Länder erneut im Krieg miteinander? Warum gibt es in der Region seit fast 30 Jahren keinen dauerhaften Frieden? Die Antwort hängt mit einer umstrittenen Region zwischen Armenien und Aserbaidschan zusammen: Bergkarabach.

Was ist Bergkarabach?

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan beginnt mit Symbolpolitik: Zu dieser Zeit gibt es die zwei Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan nicht. Sie sind Teil der Sowjetunion als sogenannte Unionsrepubliken und genießen in dem Superstaat Sowjetunion ein geringes Maß an Selbstverwaltung. In der Unionsrepublik Aserbaidschan gibt es eine Region namens Bergkarabach, der Name bedeutet auf Deutsch so viel wie „Schwarzer Garten“. Obwohl Bergkarabach zu Aserbaidschan gehört, leben in diesem isolierten Gebiet hauptsächlich Armenier.

1988 möchte man das ändern: das lokale Parlament von Bergkarabach stimmt dafür, dass sich die Region der Unionsrepublik Armenien anschließt. Aserbaidschan lehnt das ab. Der Versuch Bergkarabachs, Teil von Armenien zu werden löst eine gigantische Welle an Demonstrationen aus. In Armenien fordert man den Beitritt Bergkarabachs zu Armenien.

Dunkelbraun: Bergkarabach. Dunkelgelb: armenisch besetzte Gebiete von Aserbaidschan. Foto: Furfur, no changes have been made

Spirale der Gewalt

Es dauert nicht lange bis die nationalistischen Demonstrationen gewalttätig werden. Bei Ausschreitungen in der bergkarabacher Stadt Askeran tötet ein armenischer Mob zwei Aserbaidschaner. Manche Aserbaidschaner wollen Vergeltung üben. In der überfüllten Industriestadt Sumgait kommt es zu einem Pogrom. Aserbaidschaner töten Mitglieder der in der aserbaidschanischen Stadt lebenden armenischen Minderheit. Der Gewalt fallen zwischen 30 bis zu 500 Armenier zu Opfer. Die sowjetische Regierung hat zu diesem Zeitpunkt schon die Kontrolle verloren: sowjetische Soldaten greifen erst viel zu spät ein. Viele Armenier fühlen sich von dem Pogrom an den Armenischen Genozid der Türkei erinnert. Das Trauma des Genozids sitzt noch tief in der armenischen Bevölkerung. Die Angst vor neuer Gewalt gegen Armenier stärkt die Demonstrationen.

Armenien beginnt mit der Vertreibung von Aserbaidschanern aus ihrem Land. Aserbaidschan macht bald dasselbe bald darauf mit in Aserbaidschan lebenden Armeniern. Armenien und Aserbaidschan sind zu diesem Zeitpunkt eigentlich eng miteinander verbunden: Armenier und Aserbaidschaner sind Freunde, Ehepartner und Arbeitskollegen. Eine große Anzahl an Armenier lebt in Aserbaidschan, eine große Anzahl an Aserbaidschaner lebt in Armenien. Im Laufe des Konflikts werden sämtliche Armenier aus Aserbaidschan und sämtliche Aserbaidschaner aus Armenien vertrieben. In der Konfliktzone Bergkarabach selbst werden ganze Dörfer in Armenier und Aserbaidschaner aufgeteilt. Ehen und Freundschaften zerbrechen an dem Konflikt.

Bergkarabach greift zu den Waffen

Armenische Soldaten in Bergkarabach im Jahr 1994 Foto: Armdesant, no changes have been made

1991 zerbricht die Sowjetunion. Im nun unabhängigen Aserbaidschan tobt ein Krieg um Bergkarabach. Die in Bergkarabach lebenden Armenier kämpfen gegen das Heer Aserbaidschans. Bergkarabach hat 1991 ebenfalls die Unabhängigkeit ausgerufen: die in Bergkarabach lebenden Armenier sehen sich als Armenien-nahe eigenständige Republik. Für die in Bergkarabach lebenden Aserbaidschaner ist Bergkarabach aber noch immer ein Teil Aserbaidschans.

Aserbaidschan selbst ist in den ersten Jahren seiner Unabhängigkeit geprägt von politischer Instabilität; es gibt mehrere Putschversuche. Währenddessen kommt im nun unabhängigen Armenien schnell eine nationalistische Regierung an die Macht.

Das Absurde: auf beiden Seiten des Konflikts kämpfen sowjetische Soldaten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es keinen Sold mehr. Viele Soldaten können sich nur noch mehr ernähren, indem sie als Söldner dienen oder indem sie ihre Waffe oder ihren Panzer einfach verkaufen. Um sich diese Schwarzmarkt-Waffen leisten zu können, wird Aserbaidschan von der Türkei unterstützt, während Armenien Hilfe von Russland bekommt.

Offener Krieg

Monument eines Panzers in der bergkarabacher Hauptstadt Stepanakert Foto: Marcin Konsek, no changes have been made

1992 kommt es zum offenen Krieg. Armenien greift auf der Seite der Karabach-Armenier ein. Die Aserbaidschaner werden immer weiter zurückgedrängt. Die Kämpfe in den verschneiten Kaukasus-Bergen sind brutal, viele Soldaten erfrieren. Flüchtlinge und Leichensäcke von gefallenen Soldaten kommen zurück nach Aserbaidschan. Die Anzahl der Toten auf aserbaidschanischer Seite ist fast viermal so hoch wie die der Armenier. Für Aserbaidschan wird der Konflikt zunehmend zum nationalen Trauma.

Die Armenier gewinnen zunehmend an Fuß. 1994 endet der Krieg. Armenien jubelt: sie haben als „Underdogs“ einen militärisch und zahlenmäßig überlegenen Feind besiegt. Bergkarabach ist nun unter armenischer Kontrolle. Der Preis für den Sieg ist hoch. Bergkarabach ist zerstört. Sämtliche Aserbaidschaner, ungefähr ein Viertel der Bevölkerung Bergkarabachs, wurden vertrieben. Die Beziehung zum ehemaligen Haupthandelspartner Aserbaidschan ist beendet.

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

Die zerstörte, aserbaidschanische Stadt Agdam in Bergkarabach. Die aserbaidschanischen Bewohner flohen nach Aserbaidschan während des Krieges. Foto: Joaoleitao, no changes have been made

In der Folge erkennt Aserbaidschan die Lage von Bergkarabach als quasi unabhängigen Staat nicht an. An der Grenze zwischen Bergkarabach stehen sich armenische und aserbaidschanische Soldaten gegenüber. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln. Soldaten sterben weiterhin, trotz Waffenstillstand. Noch schlimmer aber ist das Fehlen von Handel zwischen den beiden Ländern. Die Wirtschaften beider Länder vegetieren dahin.

Sämtliche Versuche einen nachhaltigen Frieden auszuhandeln scheitern. Hauptsächlich hat das einen Grund: in beiden Ländern regieren nationalistische Regierungen, die auf den Bergkarabach-Konflikt als Wahlkampfthema setzen. Den politischen Eliten beider Länder hätte ein Frieden in Bergkarabach womöglich die Wiederwahl gekostet.

Russland und die Türkei

In Armenien endet die Linie an nationalistisch-autoritären Staatschefs 2018. Durch die „Samtene Revolution“ kommt ein liberaler und EU-freundlicher Staatschef, Nikol Pashinyan, an die Macht. Damit kühlt die Beziehung zwischen Armenien und Russland ab. Russland war ursprünglich Armeniens größter Verbündeter. Trotz allem sind noch immer russische Soldaten in Armenien stationiert.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Aserbaidschan sind enger geworden. Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) und Präsident von Aserbaidschan Ilham Aliyev (rechts) Foto: Präsident der Republik Aserbaidschan, no changes have been made

Die Beziehung zwischen Aserbaidschan und der Türkei ist hingegen gewichtiger geworden. Die zwei Nationen verbindet die gemeinsame Ethnie, sowohl Türken als auch Aserbaidschaner sind Teil des Turkvolkes. In Aserbaidschan ist noch immer ein nationalistisch-autoritärer Herrscher, Ilham Aliyev, an der Macht. Aliyev, der das Amt von seinem Vater geerbt hatte, nutzt die Erdöl- und Gasbestände seines Landes, um das Militär hochzurüsten. In Aserbaidschan hofft man bis heute das 1994 verlorene Territorium von Bergkarabach zurückerobern zu können. Aliyev profitiert von der Unterstützung der Türkei. Die Außenpolitik der Türkei ist seit dem gescheiterten EU-Beitrittsversuch zunehmend aggressiver geworden. Erdogan, der eine Koalition aus Islamisch-Konservativen und Ultranationalisten anführt, will für sein Land eine Vormachtstellung innerhalb der muslimischen Welt erreichen. Türkische Soldaten kämpfen derzeit im Nordirak gegen kurdische Guerillas, islamistische Söldner werden momentan von der Türkei in Nordsyrien und Libyen eingesetzt. Nun werden eben solche islamistischen Söldner, zwischen 700 – 4 000, die genauen Zahlen sind unklar, auch in Bergkarabach eingesetzt.

Heute

Nationalistische Aserbaidschaner protestieren für einen Krieg gegen Armenien. Nationalismus spielt sowohl in Aserbaidschan als auch in Armenien politisch eine wichtige Rolle. Foto: Voice of America, no changes have been made

Für lange Zeit war die Situation von Bergkarabach ein eingefrorener Konflikt, also ein ungelöster Konflikt aber mit einer relativen Waffenruhe. Nun ist der Konflikt wieder aufgeflammt.Wie genau, darüber streiten die Kriegsparteien: Armenien spricht davon, dass die aserbaidschanische Armee Sonntagmorgen begonnen hatte Bergkarabach zu bombardieren. Aserbaidschan und die Türkei sprechen hingegen von einer Agression der Armenier. Der unruhige Frieden ist jedenfalls offiziell beendet.

Währenddessen toben die Kämpfe: Sieben Dörfer in Bergkarabach wurden bereits durch die aserbaidschanische Armee erobert. Die EU und Russland forderten ein sofortiges Ende der Kämpfe, der Iran bot an zu vermitteln. In Armenien und Bergkarabach wurde die Mobilmachung der männlichen Bevölkerung ausgerufen: Die Männer sollen als Soldaten die Aserbaidschaner bekämpfen. In Armenien und Aserbaidschan herrscht nun Kriegsrecht. Der aserbaidschanische Machthaber Aliyev spricht davon die ganze Region Bergkarabach einnehmen zu können. „Wir sind zu diesem Krieg bereit“, antwortet ihm der armenische Staatschef Nikol Pashinyan. Die Situation droht zu einem offenen Krieg zu eskalieren.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1529 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1529 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 392 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    392 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 323 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    323 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 231 Stimme
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    231 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 119 Stimmen
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    119 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2594
12. März 2024
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Raphael Bossniak

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