Was flexible Arbeitszeiten mit unseren Hormonen zu tun haben

Globalisierung und digitaler Fortschritt in der Wirtschaft lassen keinen Stein auf dem anderen. Der klassische 8-Stunden-Tag hat ausgedient – zumindest wenn es nach vielen Unternehmen geht. Unter dem Schlagwort „Arbeitszeitflexibilisierung“ fordern immer mehr den 12-Stunden-Tag. Doch PsychologInnen warnen vor zusätzlichen Belastungen für die Belegschaft. Denn was auf den ersten Blick nach Work-Life Balance aussieht, kann rasch in Arbeiten auf Abruf ausarten. Warum es uns so schwer fällt, abzuschalten und was das mit dem Belohnungssystem in unserem Kopf zu tun hat, erklären wir hier.

Erst letzte Woche saßen die Sozialpartner am gemeinsamen Verhandlungstisch. Neben dem Mindestlohn von 1.500€ ging es auch um die Arbeitszeitflexibilisierung. Jedoch kam es in dieser Frage zu keiner Einigung. „Bedauerlich und unverständlich“, hieß es von Wirtschaftsminister Harald Mahrer und der Industriellenvereinigung (IV). Beide fordern von der nächsten Bundesregierung, die 12 Stunden bei der Gleitzeit rasch gesetzlich umzusetzen.

Arbeiten auf Abruf

Derzeit ist in Österreich die tägliche Arbeitszeit zwar offiziell auf zehn Stunden beschränkt, doch gibt es viele Möglichkeiten, „ausnahmsweise“ auf 12 Stunden zu erhöhen. Bereits jetzt warnen die Arbeiterkammer (AK) und die Gewerkschaften: Flexible Arbeitszeiten bringen weniger Freiheit für die Beschäftgten, stattdessen aber gesundheitliche Belastungen – ausgelöst durch zu wenig Ruhepausen.

Einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und der Donau Universität Krems zufolge entstehen dem Staat und den Unternehmen durch psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz jährlich Kosten von 3,3 Milliarden Euro.

Das größte Problem bei der Arbeitszeitflexibilisierung ist, dass sie von den Wünschen der ArbeitgeberInnen bestimmt wird. Die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen hingegen zu kurz kommen. Flexibel sein heißt meistens: auf Abruf bereit sein.

Vom Chef geliebt werden

In einem Interview mit dem Kurier hat der Neurobiologe Bernd Hufnagl erklärt, warum es uns so schwer fällt, abzuschalten und was die gesundheitlichen Folgen von Arbeitszeitflexibilierisung sind. Die Gefahr geht in seinen Augen weniger von der Arbeitsmenge aus, sondern von der Fremdbestimmung. Flexibilisierung bedeutet real viel zu oft: permanente Verfügbarkeit. Und das intensiviert die Fremdbestimmung.

Was Menschen brauchen, um in ihrem Job glücklich zu sein, ist Anerkennung für ihre Tätigkeit. Erfolgt diese zeitnah, dann schüttet unser Gehirn Dopamin aus. Dieses Hormon löst ein Glücksgefühl aus und infolge sind wird motiviert. Fehlen anerkennde Worte, dann sinkt der Dopamin-Spiegel ab und die Freude an der Arbeit verschwindet.

Interessant ist auch, dass Hierarchien Einfluss auf unser Arbeitsverhalten in der Freizeit haben.

„Je weiter unten in der Hierarchie, desto häufiger glauben Menschen, in der Freizeit arbeiten zu müssen“, erklärt der Neurobiologe.

Das liegt am Bindungs- und Liebeshormon Oxytocin – wir wollen von unseren Chefs ‚geliebt’ werden. Sind wir auch an den Abenden, Wochenenden oder gar im Urlaub für unsere ArbeitgeberInnen erreichbar, erhalten wir dafür Extra-Lob. Unser Gehirn schüttet Oxytocin aus und wir fühlen uns zugehörig. Passiert dies nur hie und da, so ist das kein Problem. Gewöhnt sich unser Gehirn jedoch daran und der Prozess automatisiert sich, dann stellen sich die Probleme ein. Wir kontrollieren unsere E-Mails zu den unmöglichsten Zeiten und schaffen es nicht mehr, abzuschalten.

Das Phänomen der Belohnung und Bindung ist nichts Neues – das gibt es seit es Menschen gibt. Was sich geändert hat ist, dass wir uns heute aus der digitalen Welt jederzeit Oxytocin holen können – mittels Smartphone sind wir ständig erreichbar und haben via Internet ständig Zugang zu Arbeitsdaten. Arbeiten wir auf Abruf, wird dieser Prozess – und seine negativen Folgen – verstärkt.

Wie ArbeitgeberInnen dazu stehen

„Wenn wir dieses Thema rational diskutieren, wollen sie natürlich nicht, dass ihre MitarbeiterInnen in ihrer Freizeit arbeiten“, weiß der Neurobiologe Hufnagl. Doch der wirtschaftliche Druck, immer effizienter zu werden, ist hoch. In Wahrheit arbeiten viele ja bereits 12 Stunden. Studien belegen, dass Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, meist länger arbeiten und eine unausgewogene Work-Life Balance haben. Aus Angst vor Diskussionen mit den Personalchefs verschweigen ArbeitnehmerInnen ihre Überstunden oft. Zudem kommen Menschen krank in die Arbeit – viele haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie in den Krankenstand gehen.

Auf die Frage, wie echte Flexibilisierung aussehen könnte, meint Hufnagl: „Sich seine Freizeit nach persönlichem Bedarf einteilen zu können und ‚Nein‘ sagen dürfen – das würde einer echten Arbeitszeitflexibilisierung entsprechen, ist aber in komplexeren Strukturen schwierig.“

Zur Person: Bernd Hufnagl ist Neurobiologe und Unternehmensberater. Er war mehrere Jahre im Bereich Hirnforschung am AKH Wien tätig. Heute spezialisiert sich der Forscher auf betriebliches Gesundheitsmanagement.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1622 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1622 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 430 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    430 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 343 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    343 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    131 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2779
12. März 2024
×
Von deiner IP-Adresse wurde bereits abgestimmt.

Neue Artikel

So weit hinten wie noch nie: Österreich stürzt bei Pressefreiheit auf Platz 32 ab

Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…

3. Mai 2024

AK-Wahlen: Sozialdemokratie gewinnt – Regierungsparteien verlieren

Die Fraktion der sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) gewinnen trotz leichtem Minus die AK-Wahlen klar. In sieben…

3. Mai 2024

Die Familie Lopez aus Haslach: Bestens integriert, trotzdem abgeschoben!

2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…

2. Mai 2024

Fast eine halbe Million Österreicher haben nicht genug zu essen

Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…

2. Mai 2024

1. Mai – Seine Geschichte und Bedeutung für unsere Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und faire Löhne

Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…

30. April 2024

Niederösterreich: So halbiert eine rote Gemeinde den Strompreis für alle

In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…

30. April 2024