„Hure“, „Schlampe“, „hysterisch“. Wenn Politikerinnen Hass im Netz erleben, wird es schnell untergriffig. Hass-Nachrichten gegen weibliche Abgeordnete sind besonders oft sexualisiert. Das Ziel: Einschüchtern und mundtot machen. Eine Befragung von Ingrid Brodnig und dem Momentum Institut zeigt, dass sich tatsächlich viele Betroffene aus öffentlichen Debatten zurückziehen.
Das Momentum Institut hat gemeinsam mit der Autorin Ingrid Brodnig im Frühjahr 2021 weibliche Nationalratsabgeordnete zu Hass-Nachrichten befragt, die diese erhalten. Das Ergebnis: 3 von 4 bekommen frauenfeindliche und sexualisierte Nachrichten – mitunter Drohungen – zugeschickt.
Dabei sind es nicht nur Postings, Nachrichten im Facebook-Messenger oder E-Mails, sondern auch Briefe, die die Politikerinnen sehen und lesen müssen. Die Absender beschimpfen sie, beleidigen ihr Aussehen. „Blade Sau“, „du bist hübsch, such dir einen anderen Job“, nannten die befragten Politikerinnen als Beispiele. Betroffen sind Parlamentarierinnen aus unterschiedlichen politischen Lagern.
Eine Abgeordnete gab als Beispiel an, dass jemand ihr eine Fotocollage mit Szenen aus einem Pornoheft geschickt hatte – plus der Anmerkung, was nicht alles mitgemacht werden soll.
„Man merkt: Bei Politikerinnen geht es schnell unter die Gürtellinie. Es wird oft nicht unbedingt ihr politisches Schaffen kommentiert, sondern ihr Aussehen, sie werden mit Obszönitäten niedergemacht“, erläutert Ingrid Brodnig.
Die Beleidigungen und Drohungen gehen mitunter so weit, dass jede 3. von ihnen schon einmal die Parlamentsdirektion oder die Polizei eingeschaltet hat (32 Prozent).
Beleidigungen, sexualisierende Kommentare und Drohungen sind für die Politikerinnen leider keine einmaligen Erlebnisse. Denn sie erhalten sie regelmäßig zugeschickt. 2 von 3 finden Hass-Nachrichten im Schnitt einmal pro Monat in ihren In-Boxen:
13 Prozent der Befragten haben derartige Nachrichten auch schon im Wochentakt erhalten. 6 Prozent noch öfter.
Der Hass hinterlässt Spuren, es ist meist Scham oder sogar Angst. Beleidigende bis drohende Kommentare können dazu führen, dass Betroffene sich immer mehr zurückziehen – weil sie sich nicht mehr trauen, sich öffentlich zu positionieren. Sie werden verunsichert und fühlen sich mit der Herabwürdigung alleine gelassen.
Eine Untersuchung von Amnesty International in acht Ländern aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass von Beleidigungen oder Belästigungen betroffene Frauen oft ihr Verhalten ändern: Rund jede 3. Befragte erklärte damals, dass sie zu gewissen Themen aufgehört hat, sich online zu äußern.
Auch die weiblichen Abgeordneten in Österreich berichten, schweigsamer geworden zu sein: Jede 4. gab an, sich schon mal bewusst zu einem Thema nicht geäußert zu haben, weil sie Angst vor nachfolgenden Hass-Nachrichten und Drohungen hatte. Das betrifft Themen wie Migration, Rassismus, Kindererziehung, Gendern und die Frauenquote.
„Wenn sogar Politikerinnen im Parlament angeben, sich zu manchen Themen nicht zu äußern, um Hass-Nachrichten zu vermeiden, zeigt das, wie stark Frauenfeindlichkeit wirkt“, sagt Leonhard Dobusch, wissenschaftlicher Leiter des Momentum Instituts. Ein solcher Rückzug reduziert die Sicht- und Hörbarkeit von Frauen in der Politik und der Öffentlichkeit generell.
Zur Umfrage |
Für die Befragung haben das Momentum Institut und Ingrid Brodnig alle weiblichen Nationalratsabgeordneten kontaktiert. 30 Prozent – darunter Vertreterinnen aus allen Parteien – haben daran teilgenommen. |
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