Die Metaller:innen läuten die Herbstlohnrunde 2023 ein: Ein Plus von 11,6 Prozent fordert die Gewerkschaft. Von Lohnzurückhaltung hält sie nichts. Die Arbeitgeber hätten an die Regierung appellieren sollen, die Teuerung zu bekämpfe. „Da waren sie aber ganz ruhig, denn man hat sich auch ein schönes Körberlgeld mit den Preiserhöhungen verdient“, kritisiert Reinhold Binder, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) und Chefverhandler für die Arbeitnehmer:innen.
@kontrast.at Hallo Unternehmer! Ich würd mir gern meine Miete leisten können #politik #oesterreich #fyp #geld #gehaltserhöhung #inflation ♬ Originalton – Kontrast
Reinhold Binder: Wir sind für dieses Jahr mit einer Forderung von 11,6 Prozent in die Verhandlungen gestartet. Klar ist: Die Teuerung muss den Arbeitnehmer:innen abgegolten werden. Zusätzlich verlangen wir einen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Das letzte Jahr war ein gutes für die Industrie, das ist nicht wegzuleugnen. Daran haben die Beschäftigten einen wesentlichen Anteil. Es ist daher eine Frage des Respekts, dass ihre Leistung anerkannt und honoriert wird.
Binder: Bei den Lohnverhandlungen richten wir den Blick vor allem in den Rückspiegel. Das heißt, wir ziehen die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate heran. In der Metallindustrie umfasst dies den Zeitraum vom September des letzten Jahres bis zum August dieses Jahres.
Die sogenannte rollierende Inflation liegt bei 9,6 Prozent. Und wir haben die wirtschaftliche Entwicklung der Vergangenheit herangezogen. Ein Indikator sind zum Beispiel die Gewinnausschüttungen. Sie sind heuer sogar gestiegen.
Binder: Wir verhandeln neben den Löhnen auch das Rahmenrecht. Das umfasst Regelungen zu Arbeitsbedingungen. Heuer fordern wir unter anderem die leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Das ist längst überfällig, da die bisher geltende Regelung nicht mehr den Realitäten entspricht. Die Menschen wechseln in ihrer Berufslaufbahn meist mehrmals den Betrieb – ob freiwillig oder unfreiwillig. Nur die wenigsten sind 25 Jahre im selben Unternehmen beschäftigt. Selbst wenn Vordienstzeiten angerechnet werden, ist es schwierig, die sechste Urlaubswoche zu erreichen. Wir wollen daher eine Erleichterung. Denn je älter man wird und je mehr man gearbeitet hat, desto notwendiger werden Erholungsphasen.
Weiters wollen wir in Zeiten des Fachkräftemangels auch eine Aufwertung dieser Kräfte. Es kann nicht sein, dass man als fertig ausgebildete Fachkraft jahrzehntelang in der gleichen Lohngruppe hängen bleibt. Hier braucht es mehr Durchlässigkeit.
Was wir auch fordern, ist mehr Wahlfreiheit zwischen Geld und Freizeit. Die Beschäftigten sollen das Recht haben, Teile der Lohnerhöhung in zusätzliche Freizeit wandeln zu können.
Binder: Wir merken: Viele Arbeiter:innen stoßen finanziell an ihre Grenzen. Gestiegene Energiepreise und Kreditzinsen belasten ebenso wie die nicht nachvollziehbaren Preissprünge in den Supermärkten. Das ist auf das Totalversagen der Bundesregierung in Sachen Inflationsbekämpfung zurückzuführen. Die Menschen sind aufgebracht und fordern zu Recht, dass zumindest die Inflation abgegolten wird. Aber sie wollen auch einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg. Die Stimmung ist daher kämpferisch und die Unterstützung für unsere Forderungen ist groß. Wir werden als Gewerkschaft heuer hart verhandeln, denn wir haben nichts zu verschenken!
Binder: Die Industrie hat selbst immer wieder auf den Fachkräftemangel hingewiesen. Österreich hat sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte, die eine hohe Qualität der Produkte sicherstellen und damit eine tragende Säule des österreichischen Wirtschaftsstandortes sind. Wer junge Menschen motivieren möchte, Facharbeiter:in zu werden, muss sich etwas einfallen lassen. Dazu gehören neben guten Arbeitsbedingungen auch faire Lohnerhöhungen.
Binder: Wir sehen eine Abkühlung der Konjunktur, das ist richtig. Aber wir sehen nicht den Niedergang der Wirtschaft, wie er von Arbeitgeberseite an die Wand gemalt wird. Selbst die Statistik Austria spricht bei den aktuellen Wirtschaftsdaten lediglich von einer Einbremsung nach einer Hochkonjunkturphase. Wenn wir zurückblicken, sehen wir volle Auftragsbücher und hohe Gewinnausschüttungen. Unsere Forderung nach einem ordentlichen Lohnplus ist daher mehr als berechtigt.
Binder: Angeblich sind hohe Lohnabschlüsse für die Industrie „nicht stemmbar“. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sollen jetzt die Krot für die fehlgeleitete Politik der Regierung schlucken und auf die Inflationsabgeltung verzichten.
Statt von den Gewerkschaften Lohnzurückhaltung zu fordern, hätte die Arbeitgeberseite an ÖVP und Grüne appellieren können, ordentlich gegen die Teuerung vorzugehen. Da waren sie aber ganz ruhig, denn man hat sich auch ein schönes Körberlgeld mit den Preiserhöhungen verdient.
Ebenso haben wir auch keine Zurückhaltung bei den Gewinnen gesehen. Dabei haben die hohen Gewinne maßgeblich zur Inflationsentwicklung beigetragen. Daher kann man es auch als Gemeinheit bezeichnen, wenn man sich erst 85 Prozent der Gewinne ausschüttet und anschließend den Arbeitnehmer:innen ausrichtet, dass es nichts zu verteilen gibt.
Binder: Unser Ziel ist nicht der Streik, sondern ein gutes Ergebnis für die Beschäftigten. Wir werden jetzt einmal verhandeln und je nach Verhandlungsverlauf darüber entscheiden, ob wir die Beschäftigten in den Betrieben informieren und mit ihnen gemeinsam weitere gewerkschaftliche Maßnahmen beschließen. Aber wir sind gut gerüstet und können rasch reagieren, wenn es erforderlich ist.
Binder: Ja, wir sind gut organisiert und das ist auch unsere Stärke. Daher kann ich nur alle Beschäftigten – egal welcher Branche – dazu aufrufen, Gewerkschaftsmitglied zu werden. Als Gewerkschaften sind wir solidarisch, jeder gute Abschluss ist daher erfreulich. Wenn wir mit dem Metaller-KV die Stoßrichtung vorgeben können, freut uns das umso mehr. Einiges, was wir im Metaller-KV für Frauen erreichen konnten, wurde mittlerweile sogar gesetzlich verankert. Ich denke hier besonders an die Anrechnung der Karenzzeiten für dienstzeitabhängige Ansprüche. Das war wirklich ein Meilenstein.
Maximal 4 Antwortmöglichkeiten
Das Lieferkettengesetz der EU soll Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. So sollen sie künftig…
Am 27. April 2024 fand in Wieselburg der Bundesparteirat der SPÖ statt. Dort hielt der…
Die Europäische Union (EU) vereint 450 Millionen Menschen in Europa. Damit ist sie eine der…
Immer weniger Kassenärzt:innen, dafür immer mehr Wahlärzte: Eine gute und schnelle Gesundheitsversorgung ist zunehmend eine…