Verteilungsgerechtigkeit

Brückenunglück in Genua: Wie Privatisierungen die Sicherheit gefährden

43 Menschen sterben beim Einsturz der Morandi-Brücke. Das Unglück ist zum Sinnbild für die katastrophalen Folgen von rigider Sparpolitik und Privatisierung geworden. Lastwagenfahrer, prekär beschäftigte Putzkräfte mit albanischen Wurzeln, Arbeitsmigranten aus Süditalien, junge Menschen und Familien, die zu Ferragosto mit ihrem Spargroschen ein paar Tage Ferien machen wollten – sie alle haben ihr Leben verloren.

Die Schockbilder aus Genua erschüttern ganz Italien. Genau einen Tag, bevor das Land traditionell den Höhepunkt des Sommers feiert, stürzt die Autobahnbrücke Morandi ein und reißt 43 Menschen in den Tod. Das Unglück ist zum Sinnbild für die katastrophalen Folgen von über zwei Jahrzehnten rigider Spar- und Privatisierungspolitik geworden.

Haupteigentümer der Brücke war Benetton

1999 hat die italienische Regierung die Privatisierung der Autobahngesellschaft Autostrade beschlossen. Der Staat blieb zwar Eigentümer des Autobahnnetzes, die Verwaltung und Erhaltung wurden jedoch einem Privaten übergeben. Den Zuschlag erhielt damals die Aktiengesellschaft Schemaventotto aus dem Imperium der Familie Benetton. Anfangs hielt Benetton nur ein Drittel der Aktien, steigerte den Anteil 2003 aber auf über 80 Prozent. Nach einer neuerlichen Reorganisierung entstand das Unternehmen Autostrade per l’Italia, das zu 100% von Autostrade S.p.A. kontrolliert und später in Atlantia umbenannt wird.

Haupteigentümer ist und bleibt dabei immer Benetton. Dessen Beteiligungsholding Atlantia hält auch Autobahnen in Lateinamerika, Flughäfen (Rom, Nizza…) und verdient mit Autobahnraststätten. Den Expansionskurs haben vor allem die ständig steigenden Mauteinnahmen (+21%) finanziert.

Kaum Kontrolle, freie Hand bei Mauthöhe

In Italien sorgen die mehr als kapitalfreundlichen Bestimmungen für die privaten Autobahnbetreiber seit Jahren für Aufregung. So haben Experten empfohlen, die Mautgebühren bei wachsendem Verkehrsaufkommen zu senken – das wurde aber politisch verhindert. Entgegen den gesetzlichen Vorgaben verzichtet der Staat gänzlich darauf, Einfluss auf die Mauthöhe und die Qualitätskontrolle zu nehmen.

Der private Betreiber hatte völlig freie Hand und die hat er im großen Stil genutzt. Die Aktiengesellschaft hat sich mehr oder weniger selbst kontrolliert. Autostrade per l’Italia durfte etwa die Mautgebühren erhöhen, um Investitionen zu finanzieren, die unter Umständen getätigt werden. Stellen wir uns vor: Ein Hotelier würde die Preise in seinem 3-Stern-Hotel erhöhen, weil er sein Haus zu einer 5-Sterne-Unterkunft umbauen will. Die Gäste würden wohl bald ausbleiben. Für die Benutzer einer Autobahn ist das natürlich nicht so leicht möglich.

Einnahmen sprudelten, Investitionen sanken um 20 Prozent

Das teileingestürzte Polcevera-Viadukt am 14. August 2018 (Salvatore1991/CC BY-SA 4.0)

Bei der italienischen Autobahngesellschaft Autostrade ist das öffentliche Monopol einfach in ein privates Monopol umgewandelt worden. Der Verkehr nahm zu, die Mauteinnahmen sprudelten Milliarden in die Kassen der Benetton Familie. Doch die Investitionen blieben weit unter den Erwartungen: Zwischen 2008 und 2015 sanken sie sogar um 20 Prozent. Ganz offensichtlich hat der
Betreiber massiv bei der Erhaltung gespart. Im gleichen Zeitraum lag der Gewinn bei 6,3 Mrd. Euro und die Aktionäre wurden reichlich bedient. Von 2012 bis 2016 erhielten sie Dividenden in der Höhe von 1,5 Mrd. Euro. Benetton vermehrt sein Kapital längst nicht mehr mit Mode, sondern macht das große Geschäft mit Privatisierungs-Gewinnen.

Die Konzession von Atlantia für italienische Autobahnen gilt bis 2042 (!). Nach dem Unglück ist jedoch eine Debatte entbrannt, sie dem Betreiber vorzeitig zu entziehen. Laut Umfragen sprechen sich rund 81% der italienischen Bevölkerung für die Rücknahme der Konzession und eine Verstaatlichung der Autobahnen aus. Doch auch hier kann sich Benetton auf eine großzügige Regelung stützen: Wird die Konzession wegen nicht eingehaltener Verpflichtungen entzogen, doch muss der Staat die entfallenen Profite für die gesamte Dauer der Konzession als Entschädigung zahlen. Das kommt einem Freibrief für den privaten Betreiber gleich.

Privatisierungskatastrophe Grenfell Tower in London

Das Unglück von Genua ist ein besonders tragisches Beispiel dafür, wie die Privatisierungspolitik auf Kosten der Sicherheit aller geht. Es erinnert an die Katastrophe von Grenfell vor einem Jahr. Bei einem Großbrand im Londoner Westen kamen rund 80 Menschen ums Leben, weil der private Betreiber eines Wohnblocks die Brandschutzbestimmungen nicht einhalten wollte. In beiden Fällen haben Experten und Bürger vor fatalen Folgen gewarnt. Ohne Konsequenzen – die private Einrichtung haben alle Anliegen und Warnungen ignoriert.

 

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1644 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1644 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 436 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    436 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 349 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    349 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 261 Stimme
    9% aller Stimmen 9%
    261 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2824
12. März 2024
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