Der Arbeitsmarkt kommt nicht aus der Krise. Konjunktur-Tief und Arbeitslosigkeits-Hoch bilden einen Teufelskreis. Doch zu Vorschlägen wie einem höheren Arbeitslosengeld oder einer freiwilligen Arbeitszeitverkürzung kam bisher ein reflexartiges „Nein“ von Seiten der ÖVP und der Wirtschaftskammer. Die Gewerkschaft schlägt nun ein neues Modell vor: Vier Mitarbeiter reduzieren ihre Stunden um 20 Prozent und verzichten auf 10 Prozent des Gehalts. Für die freigewordenen 80 Prozent der Stunden wird ein fünfter, neuer Mitarbeiter eingestellt. Sozialminister Anschober zeigt sich gesprächsbereit.
„Aufgrund der Corona-Pandemie befinden wir uns in einer Weltwirtschaftskrise, deren Auswirkungen noch längere Zeit am Arbeitsmarkt spürbar sein werden“, sagt Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP).
Die Wirtschaft ist in einem Konjunktur-Tief, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch. Vor allem Frauen und Jugendliche sind besonders hart vom Jobverlust betroffen. Die schleppende Konjunktur und die hohe Arbeitslosigkeit bilden einen Teufelskreis: Solange der Staat die Menschen nicht zurück in Beschäftigung bringt, wird sich die Konjunktur nicht erholen. Denn es sind vor allem diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben, die jetzt noch weniger ausgeben können. Trotzdem weigert sich die türkis-grüne Bundesregierung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Und auch beim Vorschlag der SPÖ, die Gesamtarbeitszeit in Österreich besser zu verteilen, kam bisher ein reflexartiges „Nein“ – obwohl er in der Bevölkerung breite Unterstützung findet. Sozialminister Anschober zeigt nun Bewegung: Er will das Solidaritätsprämien-Modell des AMS überarbeiten und begeistert sich dabei für das „90 für 80“-Modell der GPA.
Das von der Gewerkschaft vorgestellte Arbeitszeitmodell funktioniert bei Vollzeit folgendermaßen: Wenn vier Arbeitnehmer freiwillig ihre Arbeitszeit auf 32 Stunden (entspricht vier Tagen) reduzieren, bekommen sie weiterhin 90 Prozent des Gehalt – die zehn Prozent Differenz übernimmt das AMS. Eine neue, fünfte Person wird für die freigewordenen 80 Prozent angestellt.
„Wir wissen, dass 400.000 Beschäftigte in Österreich ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. Wenn nur jeder zehnte davon mitmacht, dann schaffen wir damit 10.000 Jobs. Wenn sich ein Viertel für das Modell entscheidet, wären es sogar 25.000 neue Arbeitsplätze“, erklärt Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA-djp.
Und dieses Ziel ist nicht unrealistisch, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des ÖGB zeigt. Denn zwei Drittel der Arbeitnehmer unterstützen das Modell. „Unsere Umfrage zeigt deutlich, dass das Modell ’90 für 80‘ dem Wunsch vieler Beschäftigten entspricht. Zwei Drittel unterstützen unseren Vorschlag, jeder Dritte würde unser Modell in Anspruch nehmen“, sagt Teiber.
Das überzeugt auch den Junior-Partner in der Regierung: Die Umfrage belege, dass „derzeit enorm viel Solidarität in der Bevölkerung vorhanden ist. Wie bei der Gesundheitskrise ist die Bevölkerung auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit solidarisch und verantwortungsvoll, lebt Zusammenhalt und ein gutes Miteinander. Aktuell wird bereits an der Vorbereitung der Umsetzung des Modells gearbeitet“, kündigt Anschober in einer Aussendung an.
Die Solidaritätsprämie, die derzeit von knapp 400 Menschen in Anspruch genommen wird, zeigt, dass eine geförderte Arbeitsstelle Staat und Betrieb nicht mehr kostet. Denn für den Betrieb gibt es einen Beschäftigten und damit auch eine höhere Produktivität. Und das AMS spart sich durch das Modell sogar Geld: 2019 hat ein Arbeitsloser durchschnittlich rund 12.000 Euro im Jahr an Arbeitslosengeld gekostet. Die Kosten für die Solidaritätsprämie belaufen sich im gleichen Zeitraum nur auf rund 8.200 Euro.
Derzeit sind 450.000 Personen in Kurzarbeit. Das sind um 24.461 Personen weniger als vergangene Woche. Auch die Arbeitslosigkeit geht zurück, wenn auch nur langsam. Immer noch sind 424.822 Menschen auf Jobsuche oder in AMS-Schulungen. Im Vergleich zur Vorwoche ist die Zahl zwar um 7.731 Personen gesunken, doch die Vermittlung läuft schleppend. Das liegt in erster Linie daran, dass es momentan einfach nicht genug Arbeitsplätze in Österreich gibt. Auf eine offene Stelle kamen Ende Juli rund 7 Arbeitslose. Durch die Corona-Krise mussten viele Betriebe schließen, einige lassen nun die Kurzarbeit auslaufen und bauen massiv Stellen ab.
Das Modell „90 für 80“ könnte, wenn es wirklich zur Umsetzung kommt, parallel zur bestehenden Kurzarbeit großen Anklang finden, ist man sich in der Gewerkschaft sicher.
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