Emmanuel Macron hat die Wahlen in Frankreich gewonnen und ist als bislang jüngster Präsident in den Élysée-Palast eingezogen. Als unabhängiger Kandidat bei einer französischen Wahl ohne Unterstützung einer Partei hat er den politischen Neuanfang versprochen und die Stimmen von 21 Millionen FranzösInnen bekommen. Seine Bewegung „En Marche“, die als Regierungspartei in „La République en marche“ umbenannt wird, hat sich jenseits von links und rechts positioniert und das in einem Land, in dem die Lager links und rechts außerordentlich wichtig sind. Macron ist überzeugt, dass es in Frankreich wieder aufwärts gehen kann, und hat ein neues Wachstumsmodell versprochen, mit dem er die schwächelnde Wirtschaft ankurbeln, die Massenarbeitslosigkeit beenden und die öffentliche Verschuldung überwinden will. Wir haben uns sein Programm angesehen.
Die Eckpfeiler von Macrons Wachstumsprogramm sind ein Investitionsplan in der Höhe von 50 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren, höhere Steuergerechtigkeit, wodurch Arbeit und Investitionen entlastet werden sollen, und eine Gegenfinanzierung der Mehrausgaben unter anderem durch gezielte Einsparungen.
Die geplanten 50-Milliarden-Investitionen sollen vor allem ins Ausbildungswesen und die ökologische Energiewende (jeweils fünf Milliarden) gehen, aber auch ins Gesundheitswesen, die Landwirtschaft (im Sinne der Nachhaltigkeit), die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung (Digitalisierung) sowie die Verkehrsinfrastruktur und die öffentlichen Einrichtungen.
Was die Reform des Steuersystems betrifft, sticht die weitgehende Abschaffung der Wohnsteuer (taxe d’habitation) hervor, die derzeit dem Staat mehr als 22 Milliarden Euro an Einnahmen beschert. Steuerpflichtig sind hier alle, die Immobilien mieten oder besitzen. Zudem sollen jene Beschäftigten, die den gesetzlich festgelegten Mindestlohn (SMIC, 1.480 Euro Bruttomonatslohn auf Basis von 35 Wochenstunden) erhalten, gleichsam ein 13. Monatsgehalt bekommen, indem ihre Sozial- und Krankenversicherungsbeiträge abgeschafft werden und die 2016 eingeführte Prime d’activité – eine finanzielle Unterstützung von durchschnittlich 160 Euro im Monat für Niedriglohnempfänger – verdoppelt werden soll. Das soll Arbeitslose dazu zu bewegen, Arbeit anzunehmen und ihr Einkommen zu erhöhen.
Um allgemein die Nettolöhne und somit die Kaufkraft der Menschen zu erhöhen, will Macron die Sozialabgaben für alle Beschäftigten im Privatsektor reduzieren. Im Gegenzug soll die Contribution sociale généralisée (ein allgemeiner Sozialbeitrag) geringfügig erhöht werden.
Auch für die Unternehmen sind verschiedene Erleichterungen geplant, wobei die Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 33,3 auf 25 % hervorsticht. Die allgemeine Vermögenssteuer (Impôt de solidarité sur la fortune), die derzeit mehr als fünf Milliarden jährlich an Einnahmen einbringt, soll durch eine Steuer auf Immobilienvermögen ersetzt werden.
Zu den weiteren Vorhaben gehören eine Pauschalbesteuerung aller Einkommen aus beweglichem Kapital mit einem Satz von 30 %, die Angleichung der Bezinsteuer an das Niveau für Diesel sowie die Anhebung der CO₂-Steuer.
Schon ab 2017 soll die Budgetdefizitgrenze von 3 % des BIP eingehalten werden – 2016 lag das französische Defizit bei 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und das Ziel der Regierung von 3,3 Prozent wurde knapp verfehlt. Erreicht werden soll das Defizit-Ziel durch Einsparungen im Umfang von 60 Milliarden Euro pro Jahr bis zum Ende der Präsidentschaft. 25 Milliarden, so die durchaus optimistische Annahme, sollen im Sozialbereich durch die Senkung der Arbeitslosigkeit von derzeit über 10 % auf 7 % und durch Präventionsmaßnahmen im Gesundheitsbereich eingespart werden. Ausgabenbremsen der verschiedenen Gebietskörperschaften (Regionen, Departements, Gemeinden) sollen zehn Milliarden Euro bringen. 25 Milliarden schließlich soll der Staat jährlich durch Modernisierung des öffentlichen Dienstes und der Streichung von Beamtenstellen einsparen.
Konkret kündigte En Marche in Bezug auf den öffentlichen Dienst an, dass von etwa 500.000 Stellen, die in den nächsten Jahren durch Pensionierung frei werden, 120.000 nicht nachbesetzt werden sollen. Andererseits sollen 10.000 zusätzliche Polizei- und Gendarmerie-Dienstposten sowie 12.000 zusätzliche LehrerInnenstellen geschaffen werden.
Durchaus innovative und zugleich strittige Vorschläge Macrons betreffen die Arbeitswelt:
Weitreichende Änderungen plant Macron auch bei der Arbeitslosenunterstützung. Derzeit wird sie im Wesentlichen nur an jene ausbezahlt, die vom Unternehmen oder einvernehmlich gekündigt werden. Zudem haben nur unselbständig Beschäftigte prinzipiellen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. En Marche plant für die Zukunft eine staatliche Arbeitslosenversicherung für alle, also nicht nur für Beschäftigte, sondern auch für Selbständige und UnternehmerInnen. Zweitens soll auch bei Selbstkündigungen die Arbeitslosenunterstützung gewährt werden. Im Gegensatz dazu sollen drittens die Bestimmungen verschärft werden: Wer mehr als zwei angemessene Arbeitsplätze ablehnt oder nicht ausreichend nach Arbeit sucht, soll die Unterstützung verlieren.
Ein Dauerthema in der französischen Innenpolitik ist das Pensionssystem und dessen Finanzierung. Macron will hier ein einheitliches System für alle schaffen – derzeit sind die öffentlich Bediensteten im Vorteil. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter soll bei 62 Jahren bleiben.
Das Programm von En Marche enthält ein klares Bekenntnis zu Europa. Dieses soll im Rahmen von fünf Dimensionen gestärkt werden: Sicherheit, Wachstum, Schutz in der Globalisierung, nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung. Folgende Punkte sind hier beachtenswert:
Insgesamt betrachtet ist das Programm von En Marche zum Teil konkreter, als ihm vorgeworfen wird. Ein Großteil der Ziele wie die Entlastung der ArbeitnehmerInnen, vor allem der NiedriglohnempfängerInnen, die Ausweitung der Arbeitslosenunterstützung oder fairere Handelsabkommen können als durchaus progressiv bezeichnet werden. Einige Forderungen leisten den Vorwürfen an Macron, neoliberal zu sein, aber auch Vorschub: etwa seine Vorstellung, Kollektivverträge durch betriebliche Vereinbarungen abzulösen, sowie sein Ziel, die Körperschaftssteuer zu senken. Festzuhalten ist auch, dass Macron tatsächlich ein starkes und gerechtes Europa möchte.
Dr. Gerhard Marchl ist Experte für Europäische Politik im Renner-Institut
Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…
Die Fraktion der sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) gewinnen trotz leichtem Minus die AK-Wahlen klar. In sieben…
2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…
Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…
Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…
In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…