Europa

Italien schließt Fabriken und Baustellen: Nicht lebensnotwendige Arbeiten sind endlich gestoppt

In der Lombardei gab es am Samstag so viele Corona-Tote wie noch nie zuvor an einem Tag. Italiens Premier Giuseppe Conte reagierte und ordnete an, das wirtschaftliche Leben auf ein Minimum herunterzufahren. Die gesamte Industrie und Bauwirtschaft wird gestoppt, wenn sie nicht lebensnotwendig ist. Auch wer nicht in Home-Office gehen kann, bleibt künftig zu Hause. Das war dringend nötig, denn 300.000 Menschen mussten in der Lombardei noch immer täglich in die Arbeit, obwohl die Betriebe nicht systemrelevant sind. In vielen Fabriken streikten Arbeiter, weil sie trotz Ausgangssperren noch in ihre Fabriken mussten. Andere europäische Länder sollten von Italien lernen und jetzt nachziehen.

Italiens Premier Guiseppe Conte wandte sich am Samstag um 22:32 Uhr live via Facebook an die italienische Bevölkerung. Hinter Italien lag ein schrecklicher Tag. In den vergangenen 24 Stunden starben 793 Menschen an Covid-19 – so viele wie noch nie an einem Tag seit dem Ausbruch der Krankheit. Insgesamt sind rund 43.000 Italiener mit dem Virus infiziert. Conte reagierte und ordnete an, alle nicht lebensnotwendigen wirtschaftlichen Aktivitäten einzustellen. Alle Fabriken, die keine Nahrungsmittel oder medizinische Produkte herstellen, bleiben damit von 23. März bis 3. April geschlossen. Damit setzt er eine dringend notwendige Maßnahme um. Der Premier war sich offenbar auch bewusst, dass er seinen Landsleuten in den letzten Wochen einiges abverlangte, und rief zum Durchhalten auf:

„Der Verzicht, der heute als Rückschritt erscheint, wird uns morgen erlauben, in unsere Fabriken und Büros, auf unseren Plätzen und in die Arme unserer Familien und Freunden zurückzukehren. Wir geben unsere wertvollsten Gewohnheiten auf. Das tun wir, weil wir Italien lieben. Aber wir geben nicht unseren Mut und unsere Hoffnung in die Zukunft auf. Gemeinsam werden wir es schaffen.“

900.000 Menschen auf Mailands Straßen

Letzte Woche kam eine Gruppe medizinisches Personal aus China in Mailand an. Die Chinesen konnten ihren Augen nicht trauen: Mit so vielen Menschen auf der Straße hätten sie nie gerechnet. Schließlich ist die Lombardei die am stärksten vom Coronavirus betroffene Region Italiens. Am 21. März waren 3.095 der 4.825 Todesfälle des Landes allein dort zu verzeichnen. Trotzdem pendelten täglich viele in die Regionshauptstadt Mailand zum Arbeiten. Die Mailänder Arbeiterkammer schätzt, dass noch am 18. März neben den 600.000 Beschäftigten, die in zentralen Bereichen wie etwa in Lebensmittelgeschäften oder Krankenhäusern arbeiten, noch weitere 300.000 Menschen täglich zu ihrem Arbeitsplatz fahren mussten. Die Hälfte davon mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

„Schlacht um Mailand“ droht

Insgesamt hat sich die Lombardei zum Epizentrum des Virus in Europa entwickelt. Eine der dort am schlimmsten betroffenen Städte ist Bergamo. Nicht nur die Krankenhäuser dort sind überfordert – mittlerweile gehen sogar den Friedhöfen und Krematorien die Kapazitäten aus. Ein Militärkonvoi musste Särge aus der Stadt in andere Provinzen bringen, um sie dort zu beerdigen. Andere Särge werden derzeit in Kirchen zwischengelagert.

Die Zuwachsraten in Bergamo sind mittlerweile aber wieder gesunken. Anders sieht es im Ballungsgebiet rund um Mailand aus. In dieser Region werden täglich 600 neue Fälle gemeldet. Und das, obwohl nur noch Menschen mit starken Symptomen getestet werden. Der Gesundheits- und Sozialminister der Region Lombardei Giulio Gallera spricht deswegen schon von einer bevorstehenden „Schlacht um Mailand“.

Der von Conte angeordnete Produktionsstopp ist also bitter nötig – nur hätten er deutlich früher kommen müssen.

Warum kam der Produktionsstopp so spät?

Wenn man sich den Fall Mailand genauer anschaut, muss man sich die Frage stellen:

Wie konnte es sein, dass in einer Region mit täglich mindestens 600 neuen Corona-Ansteckungen jeden Tag 900.000 Menschen auf die Straße zu ihren Arbeitsplätzen pilgern mussten?

Das Problem war, dass sich die großen Industriebetriebe gegen jede Form der Einschränkung wehrten. So bezeichnete der lombardische Präsident des Arbeitgeberverbandes „Confindustria“ Marco Bonometti die Fabriken angesichts der beschlossenen Schutzmaßnahmen als den „sichersten Ort“. Noch am 11. März bestand der Präsident der Region Attilio Fontana (Mitglied der Lega von Matteo Salvini) darauf, dass es den Arbeitgebern überlassen werden sollte, ihre Betriebe selbst einzuschränken. Am Freitag musste er schließlich seine Meinung ändern und forderte einen vollständigen Produktionsstopp.

Streiks bei Amazon

Die Regierung lenkte aber nicht nur wegen der gewaltigen Zahl an Corona-Fällen ein – innerhalb von zwei Wochen sind sie von gut 5.000 auf 43.000 gestiegen. Auch die Gewerkschaften organisierten Proteste. Etwa in einem Fiat-Werk oder auch bei Amazon. Beim Krisengewinner Amazon streikten mehrere tausend Beschäftigte des Vertriebszentrums in Castel San Giovanni. Zuvor war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet wurde. Die Forderungen der Gewerkschaft nach mehr Sicherheitsmaßnahmen wurden ignoriert, wie ein Gewerkschaftsvertreter berichtet:

„Die Menschen arbeiten eng nebeneinander an ihren Arbeitsplätzen und sind auch sonst ständig in Kontakt: an den Drehkreuzen, in den Umkleideräumen, bei Briefings – und das immer ohne Masken, denn seit drei Wochen hat Amazon keine mehr verteilt. Wir baten um ein paar Tage Pause, um das Gebiet zu säubern und die Schichten neu zu organisieren, aber die Antwort war: Nein.“

Österreich muss den Fehler Italiens nicht wiederholen

So tragisch die Situation in Italien ist – andere europäische Länder können davon lernen. Eine der einfachsten Erkenntnisse: Wenn man jetzt mit aller Gewalt die Fabriken und Betriebe geöffnet halten will, wird sich das bitter rächen. Die Menschen werden wenig Verständnis haben, dass sie ihre Liebsten nicht besuchen dürfen, während auf Baustellen und Stahlwerken eng an eng gearbeitet wird.

Je länger man zuwartet, um den Profit nicht zu gefährden, desto länger wird die Wirtschaft nachher völlig stillstehen. Österreich hat in Tirol die Gesundheit von vielen für die Gewinne von Après Ski-Bars, Liftbetreibern und Hoteliers gefährdet und viel dazu beigetragen, dass ich das Virus über ganz Europa verbreitet. Wir müssen diesen Fehler nicht wiederholen. Wir müssen auch nicht die Fehler Italiens wiederholen. Jede unnötig geöffnete Baustelle, jeder vermeidbare Tag in der Arbeit kann dabei helfen, Leben zu retten und Leid zu verhindern.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1558 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1558 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 411 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    411 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 330 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    330 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 244 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    244 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 124 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    124 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2667
12. März 2024
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Marco Pühringer

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