Nach langem Hin und Her hat die Regierung ein Modell zur Besteuerung von Übergewinnen vorgestellt. Nicht ganz freiwillig – denn die EU schreibt eine Mindestabgabe von 33% der Übergewinne ab Dezember vor. Österreichs Regierung erfüllt das Minimum, nutzt aber ihre Möglichkeiten nicht aus, wie SPÖ und Gewerkschaft kritisieren. Krisengewinnern wie der OMV und dem Verbund bleibt ein Großteil ihrer Übergewinne erhalten, die Aktienkurse der Energieunternehmen sind nach der Ankündigung gestiegen.
Von Eingriffen wie Preisobergrenzen oder einer Übergewinnsteuer wollte die Regierung monatelang nichts wissen. Anträge, die derartige Maßnahmen gefordert haben, haben ÖVP und Grüne im Parlament niedergestimmt. „Wir wollen nicht in den Markt eingreifen“, erklärte ÖVP-Finanzminister Brunner mehrmals auf Nachfrage gegenüber Medien. Einmalzahlungen ja, Abschöpfungen und Preisdeckel nein. Das wäre eine Strafe für Unternehmen.
Dass Brunner jetzt doch eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen präsentiert, passiert nicht ganz freiwillig – das merkt man dem Finanzminister bei der Pressekonferenz an. Das müsse man jetzt eben machen, meint er. Im Nacken des Finanzministers sitzt nämlich eine EU-Verordnung, die alle Mitgliedsländer zwingt, die Übergewinne von Energieunternehmen mit 33 Prozent zu besteuern. Und diese Vorgabe hat die Regierung jetzt “mit Ach und Krach erfüllt”, wie der stv. SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried kritisiert. Die SPÖ fordert seit Monaten die Übergewinne abzuschöpfen und ist jetzt enttäuscht: Die Regierung hätte gerade einmal “das Mindeste von dem umgesetzt, was man laut EU hat machen müssen”.
Das österreichische Modell orientiert sich ziemlich genau an den Vorgaben der EU: Die schreiben vor, mindestens 33 Prozent “Solidarbeitrag” ab einem Gewinn von 20% über dem Durchschnitt der letzten Jahre einheben zu müssen. In Österreich müssen Öl- und Gasunternehmen rückwirkend ab 1. Juli 2022 33 Prozent zahlen, wenn ihr Gewinn 120% des durchschnittlichen Gewinns der letzten vier Jahre übersteigt. Wenn die Unternehmen nichts in erneuerbare Energie investieren, kann die Steuer auf 40 Prozent steigen, aber das wird kaum ein Unternehmen treffen. Zum Vergleich: Griechenland besteuert Übergewinne mit 90%.
Konkret heißt das: Von 100 Euro Übergewinn, fallen gerade einmal 26,40 Euro Übergewinnsteuer an – selbst mit der KöSt. bleibt den Firmen mehr mehr als die Hälfte des Übergewinns übrig.
Beim Strom gilt eine andere Regelung: Laut EU müssen alle Stromanbieter zumindest alle Einnahmen ab 180 Euro pro Megawattstunde an den Staat abgeben – der Preis lag zeitweise bei 400 Euro und höher. Österreichs Regierung nimmt den Stromversorgern aber nur 90% der Einnahmen über 180 Euro ab. Auch hier gibt es eine niedrigere Grenzen, wenn nicht in erneuerbare Energie investiert wird – die liegt dann bei 140 Euro pro Megawattstunde.
„In den Vorstandsetagen der großen Konzerne werden heute die Sektkorken knallen”, kritisiert Leichtfried von der SPÖ den Vorschlag. Und tatsächlich sind der Aktienkurse des Energieversorgers EVN und des Verbund-Konzerns am Tag der Ankündigung der schwarz-grünen Pläne für eine Übergewinnsteuer nach oben geschnellt.
Die Chefökonomin des ÖGB, Helene Schuberth, hat selbst gemeinsam mit Ökonom:innen der Arbeiterkammer ein Modell zur Übergewinnsteuer entwickelt, das den EU-Vorgaben entspricht, aber weit über diese hinaus geht – eine Möglichkeit, die die EU auch vorsieht. Sie ist froh, dass jetzt von der Regierung endlich ein Modell zur Übergewinnsteuer kommt. Bewertet aber sowohl die Steuersätze als auch die Zeiträume als unzureichend. „Warum beginnt die Übergewinnsteuer der Regierung erst mit Juli 2022, wo doch schon in den Monaten davor gigantische Übergewinne angefallen sind?“, wundert sich die Ökonomin. Angesichts der hohen Staatsausgaben gegen die Teuerung im kommenden Jahr sollte man die Einnahmen aus der Besteuerung von Übergewinnen nicht einfach so liegen lassen, kritisiert Schuberth.
Deutlich wird die Bedeutung des Zeitraums bei einem der größten Krisengewinner: Dem Mineralölkonzern OMV. Die hat allein im ersten Halbjahr 2022 3,4 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Die bleiben von der Regierung unangetastet. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 lag der OMV-Gewinn bei 4 Milliarden Euro, nach neun Monaten 2022 steht die OMV nun bereits bei 9,1 Mrd. Euro
Laut Schätzungen werden der OMV von etwa 6 Milliarden Übergewinn im Jahr 2022 etwa 5 Milliarden übrig bleiben: Weil das erste Halbjahr nicht zählt – und für den Rest eine gesenkte KöSt und der Abschöpfungssatz von 33 Prozent gilt.
Stromerzeuger wie der Verbund steigen sogar noch besser aus: Bei Wasserkraft produzieren die Unternehmen zu Kosten von weit unter 50 Euro, bei Windkraft sind es etwa 80 Euro. Angesichts der derzeitigen Marktlage (rund 300 Euro Strompreis auf den Future-Märkten) werden nur 120 Euro abgeschöpft. Das bedeutet, dass sich die Stromerzeuger rund 60 bis 70 Prozent der Übergewinne behalten dürfen. Für ÖGB-Ökonomin Schuberth stellt sich die Frage, warum man auf die verbleibenden Übergewinne der Stromerzeuger nicht zumindest das Abschöpfungssatz von 33% anwendet.
Wie wenig die Abgabe den Verbund treffen wird, zeigt die Kursentwicklung.
Einen Gaspreisdeckel, der Strompreise nachhaltig senken und Übergewinne verhindern würde, plant die Regierung nicht. Auch soll die Übergewinnabgabe in einem Jahr wieder enden.
Zwei Wochen hat das Parlament jetzt Zeit, den Vorschlag zu beschließen. Den die Regierung hat sich bis zwei Wochen vor dem Stichtag der EU Zeit gelassen, um eine Abgabe zu präsentieren. Per Initiativantrag bringen die Regierungsparteien ihr Abschöpfungsmodell am Freitag in den Nationalrat ein. Noch am selben Tag in der Früh riefen Regierungsvertreter eilig eine Pressekonferenz ein und stellten ihr Modell vor. Da waren noch nicht mal alle Details bekannt. Interessant, weil wenige Stunden später fünf Abgeordnete einen fertigen Antragstext ausarbeiten mussten. Während man also monatelang zugewartet hat – parallel zur steigenden Inflation – will man jetzt alles in weniger als einem Tag bewerkstelligen.
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