Spätestens seit letztem Herbst sind die EssenslieferantInnen am Fahrrad mit den pinken Rucksäcken nicht mehr aus dem Wiener Stadtbild wegzudenken. Auch immer mehr Menschen sind schon einmal „geubert“ statt Taxi gefahren. Bei beiden Unternehmen handelt es sich um sogenannte „Crowdwork”-Plattformen. Der Kontrast-Blog hat mit dem Wiener Arbeits- und Sozialrechtsjuristen Martin Risak über diese „neue“ Unternehmensform und die Herausforderungen und Gefahren gesprochen, die sie für die Gesellschaft mit sich bringt.
Taxifahren oder Essen liefern – an diesen Dienstleistungen ist nichts Neues. Aber die App-basierte Form der Organisation ist ein Novum. Die ArbeitnehmerInnen bekommen digital übermittelt, ob gerade jemand Essen zugestellt bekommen oder ein Fahrgast mitgenommen werden will. Die Crowdworker übernehmen dann die Aufgabe und erledigen die Arbeit in Form eines Kurzzeitjobs – der mit dem Erledigung auch wieder vorbei ist.
Diese Form der plattformbasierten Arbeit ist für die Kunden verhältnismäßig billig. Auch die Crowdwork-Unternehmen schneiden massiv mit: 20 bis 30 Prozent von dem, was KundInnen bezahlen, bekommen die App-BetreiberInnen. Für die Arbeitnehmer hingegen bedeutet es vor allem eines: niedrige Löhne.
Keine Frage – die Kunden freuen sich über die niedrigen Preise. Aber das sollte uns nicht übersehen lassen, wie CorwdWorking unsere Gesellschaft verändert. Martin Risak argumentiert, dass schlechte Arbeitsbedingungen zum Modell für andere Branchen werden könnten:
„Es gibt gute, innovative Geschäftsmodelle. Es gibt aber auch welche, die funktionieren, weil das Entgelt für die arbeitenden Menschen besonders niedrig ist. Dies führt dazu, dass nicht nur die direkt Betroffenen einen Nachteil haben, sondern auch alle anderen: Wenn einmal das Lohnniveau gesunken ist, orientieren sich andere Wirtschaftszweige daran und es kommt zu Lohndumping.“
Ein massives Problem von Crowdwork-Plattformen ist, dass die ArbeitnehmerInnen nicht angestellt werden, sondern als Selbstständige arbeiten.
Das heißt: Es gibt keinen kollektivvertraglichen Mindestlohn, keinen Urlaub und kein Krankengeld. Allerdings ist schwer zu übersehen: Die Arbeitsbedingungen bei Crowdworkingplattformen haben kaum etwas mit selbstständiger Arbeit zu tun. Am Beispiel Uber ist das besonders gut zu sehen, zeigt Risak:
„Die FahrerInnen fahren unter der Marke Uber, werden sanktioniert, wenn sie einen hereinkommenden Auftrag nicht annehmen und werden danach von den KundInnen über die Plattform bewertet. Sie arbeiten wie herkömmliche ArbeitnehmerInnen, allerdings ohne die Benefits.“
Diese Vorgehensweise hat System:
„Die Plattformen nehmen sich aus aller Verantwortung heraus, verdienen aber ganz gut an diesen Modellen und da stellt sich die Frage, ob diesbezüglich nicht in einer Form eingegriffen werden soll.“
Um das Problem der App-basierten Arbeitsverhätnisse in den Griff zu bekommen, stellt Risak Lösungsoptionen vor: Mit einem Gesetz könnte verankert werden, dass für Leute, die über Plattformen arbeiten, die Vermutung eines Arbeitsverhältnisses besteht. Die Beweislast soll allerdings nicht bei den ArbeitnehmerInnen liegen, sondern bei den Firmen selbst: Sie müssen zweifelsfrei belegen können, dass es sich um kein Arbeitsverhältnis handelt – auf diesem Weg könnte man der Scheinselbständigkeit entgegenhalten.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Ausweitung des Schutzes des Arbeitsrechtes. Diese soll auch bei Kleinselbstständigen ohne eigener unternehmerischer Struktur greifen. Gerade diese Personengruppe wird bis dato zu wenig geschützt.
Für ArbeitnehmerInnen gibt es seit über hundert Jahren Kollektivvertäge und Schutzbestimmungen, um Ausbeutungsverhältnissen vorzubeugen.Würde man das Arbeitsrecht erweitern, könnten Mindestlöhne nicht mehr so einfachumgangen werden.
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