Die Regierung kürzt die Gebietskrankenkassen zusammen. In der ÖGK werden 7 Millionen Beschäftigte und ihre Angehörigen krankenversichert sein. Im neuen Dachverband der Sozialversicherungsträger werden Unternehmer die Mehrheit stellen. Dort wird über Selbstbehalte für Versicherte entschieden. Zudem drohen Leistungskürzungen, weil den Krankenkassen Gelder abgezogen werden.
Die Regierung kürzt 21 Sozialversicherungsträger auf 5 zusammen. Das Ganze wird bis 2020 umgesetzt. Die unselbständig Beschäftigten werden in der Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst – sie ersetzt die bisherigen Gebietskrankenkassen. Beamte, Eisenbahner und Bergbau-Arbeiter sowie Bauern und Selbständige bekommen eigene Versicherungen: Die Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahnen und Bergbau und die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS).
Das heißt: Es wird weiterhin verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Leistungen geben. Die großen Ungerechtigkeiten zwischen Beamtenversicherung und Angestellten-Versicherung werden nicht beseitigt.
Selbstbehalte werden künftig im Dachverband entschieden. Sobald es zu Defiziten bei den Kassen kommt – z.B. durch Phänomene wie eine Grippewelle – schreibt der Dachverband den Kassen Selbstbehalte vor. Bei der ÖGK würde das mit einem Schlag 7 Millionen unselbstständig Beschäftigte und Mitversicherte betreffen. Nachdem den Krankenkassen zusätzlich Millionen entzogen werden, wird dieses Szenario immer wahrscheinlicher (siehe unten).
Damit wird eine langjährige Forderung von WKÖ und Industriellenvereinigung erfüllt. Bisher standen in Gremien der Gebietskrankenkassen 4 Arbeitnehmer einem Unternehmer-Vertreter gegenüber. Schon das hat die Realität nicht abgebildet: Denn tatsächlich kommen in Österreich auf einen Unternehmer 11 Beschäftigte. Dabei ist aber kein einziger Unternehmervertreter in der ÖGK versichert – sie entscheiden aber über die Gesundheitsleistungen für ihre Beschäftigten. Sie argumentieren das damit, dass Unternehmen auch die Hälfte der Beiträge leisten würden. Das stimmt aber nicht:
Gerade einmal 28,7 Prozent der Gesamteinnahmen der Gebietskrankenkassen stammt von den Arbeitgebern. Das ist nicht einmal ein Drittel der Beiträge. Trotzdem gibt ihnen die Regierung jetzt in der ÖGK die Hälfte der Entscheidungsmacht über die Gelder der Beschäftigten.
Und bei den Entscheidungen in der ÖGK wird die Unternehmer-Seite in erster Linie interessieren, wie ihre Beiträge gesenkt werden können. Erst 2017 hat die Wirtschaftskammer ein Papier vorgelegt, in dem sie „Einsparungspotenziale“ im Gesundheitssystem auslotet. Darunter: Selbstbehalte, Leistungen kürzen und Gesundheitseinrichtungen privatisieren.
Die Hürden für den Arztbesuch sollen steigen, wenn es nach der Wirtschaftskammer geht. Neben Selbstbehalten sollten die Kassen die Kosten für Arztbesuche nicht mehr automatisch übernehmen. Stattdessen sollen die Versicherten ihre Leistung zunächst selbst zahlen und dann bei der Krankenversicherung einreichen.
Zu Privatisierungen heißt es dort:
„Aus betriebswirtschaftlicher Sicht […] sollten keine eigenen Einrichtungen betrieben werden.“
Claudia ist Mutter von drei Kindern im Kindergarten- und Volksschulalter. Im Herbst werden sie Opfer der Grippe-Welle. Die Kinder stecken sich in der Schule und gegenseitig an und liegen binnen zwei Wochen alle drei mit Fieber und Husten zu Hause. Auch Claudias Mann steckt sich an an. Innerhalb von zwei Wochen stehen also vier Arzt-Besuche an.
Bei einem Selbstbehalte in der Höhe von 20% pro Arztbesuch, muss die Familie pro Besuch 10,48 Euro [1] bezahlen. Das macht insgesamt 41,94 Euro plus Rezeptgebühren.
[1] Durchschnittliche Kosten pro Fall bei AM-§2 Kassen für 2016: 52,42 (HVB Ärztekostenstatistik)
Nina muss dreimal in der Woche zur Dialyse ins Krankenhaus. Da ihre Mobilität stark eingeschränkt ist, muss sie ein Krankenfahrtendienst ins Spital führen. Pro Woche sind das also sechs Fahrten (Hin- und Retour). Bei einem realistischen Selbstbehalt in der Höhe von 12 Euro (=doppelte Rezeptgebühr) pro Transport zahlt sie pro Woche 72 Euro und monatlich 288 Euro für den Rest ihres Lebens.
Frau Meyer ist Diabetikerin. Um ihre Insulin-Dosen richtig zu berechnen, braucht sie regelmäßig die Teststreifen für die Blutzucker-Messung. Rechnen wir ebenfalls mit einen Selbstbehalt in Höhe der doppelten Rezeptgebühr zahlt Frau Meyer jährlich 144 Euro im Jahr für eine lebensnotwendige Kontrolle des Blutzuckers.
Sowohl WKÖ als auch Regierung wollen eine „Harmonisierung“, also eine Angleichung der Leistungen. Fest steht aber schon: Die großen Ungerechtigkeiten zwischen Beamtenversicherung und Angestellten-Versicherung werden nicht beseitigt.
Die WKÖ hat schon angedeutet, dass es bei der „Harmonisierung“ eher um eine Angleichung „nach ungen“ geht:
Georg Kapsch, Chef der Industriellen-Vereinigung (IV) sieht das genauso:
„Was nicht funktionieren wird, ist, dass man die Leistungen nach oben harmonisiert.“
Umso wahrscheinlicher sind die Leistungskürzungen, wenn die Regierung den Krankenkassen neue Kosten umhängt. Und das ist der Fall:
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