Sehen wir uns an, wie man im türkisen Lager über Politik denkt, wie man sie bewertet. Wie man das Geschäft betreibt, in dem die Entscheidungen getroffen werden, die das Schicksal der Menschen betreffen, die über Wohl und Wehe von Millionen entscheidet. Welchen moralischen Regeln folgt es? Christlichsozialen, westlichen, europäischen? Oder doch eigenen, anderen?

SEBASTIAN DER HERZEN

Vom amtierenden Bundeskanzler der Republik ist wenig bekannt. Der Ausbildungsweg des Jahrhunderttalents ist überschaubar, gelernt hat der junge Mann „on the job“. Schon früh. Zu den größten Meriten Sebastian Kurz’, sie werden immer wieder mobilisiert, zählt das langjährige Hinweisen und Standpunktvertreten (im Allgemeinen) und das Schließen der Balkanroute (im Speziellen). Letzteres gelang Sebastian Kurz eigenhändig, wie zynische Beobachter anmerken würden. Ansonsten ist der Jung-Bundeskanzler an das Koalitionsabkommen gebunden, darin wird immer daran erinnert, wenn es im Getriebe knirscht.

Der amtierende Bundeskanzler ist glatter als seine Vorgänger, sein Teflon von besserer Qualität als jenes von weiland Franz Vranitzky. „Lassen sie mich den einen Satz sagen“, ist Kurz’ häufigstzitierter Sager. Ansonsten ist alles gut geölt, würde man im Technikersprech des 19. Jahrunderts sagen, dem Leitjahrhundert der Regierung. Vorbildhaft gelten der Truppe Türkis die Regierungen Ungarns und Polens. Besonders dem Lebenswerk Viktor Orbáns gilt Aufmerksamkeit und Bewunderung. Sehen wir uns also an, wie man im türkisen Lager über den Magyator denkt, wie man überhaupt Politik bewertet, wie man das Geschäft bewertet, in dem die Entscheidungen getroffen werden, die das Schicksal der Menschen betreffen, die über Wohl und Wehe von Millionen entscheidet. Welchen moralischen Regeln folgt es? christlichsozialen, westlichen, europäischen? Oder doch eigenen, anderen?

HINTER DEN KULISSEN

Sehen wir uns dazu die zweite Reihe in der nun schon jahrzehntelang regierenden Volkspartei an. Sie arbeitet hinter den Kulissen, bewertet, verbindet, vernetzt, plant. Sie ist mit der Kurzschen Machtübernahme nicht ins Ausgedinge geschoben worden. Wer sich loyal zeigte, blieb eminent. Wenn er oder sie nicht überhaupt die Architektur des Kurzschen Apparates betreute.

Einer der Elder Statesmen der Östereichischen Volkspartei ist der Langzeitpolitiker, Vordenker und christlichsoziale Ideologe sowie „Herr und Landmann in Tirol“ Andreas Khol. Der ehemaliger Präsident des österreichischen Nationalrats war vor nicht allzu langer Zeit Bundespräsidentschaftskandidat. Wenn auch in erster Runde ausgeschieden.

ANDREAS KHOL IM ZENTRUM

In der sonntäglichen Polit-Talk-Diskussionssendung des ORF, „Im Zentrum!“, es wird in der Peripherie des Küniglbergs produziert, waren zum Thema „Rechts oder Links – Der Kampf um die „Kleinen Leute“ Exponenten aus der Zweite Reihe geladen.

Die Wahlkämpfe und Wahlen der vergangenen Monate hätten europaweit einen Trend zur Polarisierung erkennen lassen, zirkelte der ORF das Thema ein, vielfach seien die politischen Ränder gestärkt worden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe in ihrer Regierungserklärung von einer Spaltung der Gesellschaft gesprochen, die zu überwinden sei. Populistische Parteien rechts und links der Mitte wollten mit dem Anspruch, Anwalt des vielzitierten „Kleinen Mannes“ zu sein, gewählt werden. Was zählte in diesem Wettbewerb, wollte der Küniglberg wissen. Die Angst vor dem sozialen Abstieg, das damit verbundene Maximieren von Wählerstimmen? Funktioniere der soziale Ausgleich in der Gesellschaft nicht mehr? Komme ein neuer Klassenkampf auf uns zu?

„Darüber“, wie es apodyktisch hieß, aber nicht ganz eingelöst wurde, diskutierten am 25.3.2018 um 22h in ORF2 bei Tarek Leitner Gregor Gysi, Präsident der Europäischen Linken und Abgeordnter der Linken im Deutschen Bundestag, Harald Vilimsky, FPÖ-Generalsekretär und Europa-Abgeordneter, Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österriechs und Andreas Khol, ehemaliger Nationalratspräsident und zuletzt ÖVP-Päsidentschaftskandidat.

Nach einer knappen halben Stunde drehte sich die Diskussion um das selbsterklärte Leibthema der Türkis-Schwarzen. Es ging um Flüchtlinge, Asyl, Einwanderungspolitik, Armutsmigration und Solidarität in der EU.

LINKS FRAGT RECHTS

Gregor Gysi stellte die Frage, ob die Kollegen vom rechten und populistischen Lager nicht glaubten, dass wir (er meinte damit die Gesellschaft, aber wohl auch Europa als Ganzes) mehr Solidarität benötigten. Dass Polen sage, präzisierte Gysi seinen Vorwurf, sie nähmen keinen einzigen Flüchtlinge auf, andere Länder aber das sehr wohl machten. Das, so Gysi, gehe doch nicht gut in der EU.

Altnationalratspräsident antwortete Gysi in der Sache, ließ dabei aber tiefe Einblicke in das rezente Politikverständnis seiner Gruppierung, der Bewegung Kurz zu. In einem Einzelinterview oder einer Rede wäre ihm ein Lapsus dieser Qualität nicht enkommen, und auch hier war das Gesagte fast zu allfällig in Dahergeplaudertem versteckt. In seinem Gehalt aber war das, was Khol meinte, exemplarisch und entüllend.

„Na ja“, antwortete Khol auf Gysis Frage nach der europäischen Soidarität in Flüchtlingsfragen, er „glaube, dass wir Dinge schon sehr genau individuell sehen müssen. Polen nimmt sehr, sehr viel Ostflüchtlinge auf, Ukraine und Russland Weißrussland, die nicht angerechnet werden. Ungarn hat gesagt, es nimmt niemand, hat dann aber genau die Quote genommen, die man ihm vorgeschrieben hätte. Also, da wird auch sehr viel Politik gemacht.“

DA WIRD SEHR VIEL POLITIK GEMACHT

Vielleicht hat Khol intuitiv gemerkt, welch fundamentales Geständnis er da über konservative Politik abgab, jedenfalls wechselte er schnell das Thema und replizierte auf eine vorhergehenden Diskussionspartie und entgegnete Julia Herr „noch in zwei Sachen“, ihrem Vorwurf nämlich, „dass der Familienbonus, also die Familienpolitik, die die jetzige Regierung macht, nur die Gutverdienenden begünstigt“, wie es Khol formulierte und das leidige Thema Flüchtlinge, mehr aber noch, das Auseinanderklaffen von ungarischer Verlautbarungspoliztik und realer Regierungsarbeit vom Tisch gewischt hatte.

SEHEN WIR UNS DIE PASSAGE GENAUER AN

„Na ja“, hatte Khol gesagt, er „glaube, dass wir Dinge schon sehr genau individuell sehen müssen. Polen nimmt sehr, sehr viel Ostflüchtlinge auf, Ukraine und Russland Weißrussland, die nicht angerechnet werden. Ungarn hat gesagt, es nimmt niemand, hat dann aber genau die Quote genommen, die man ihm vorgeschrieben hätte. Also, da wird auch sehr viel Politik gemacht.“

Was meint Altnationalsratspräsident und Verfassungsrechtsprofessor Khol, ein Mann des klaren Wortes, der blendenden Zitate und der geschliffenen Formulierungen mit „Politik“? Meint er, dass Ungarn, geleitet von ÖVP-Politfreund und Kurzvorbild Orban „genau die Quote genommen“ habe, „die man ihm vorgeschrieben hätte“? Meinte Khol das mit „Politik“? Ja mehr noch: Meinte er das mit dem abfälligen Befund „also, da wird auch sehr viel Politik gemacht“? Nein, das meinte er wohl nicht. Vielmehr meinte Khol,die von seiner Partei mit einem großen Quentschen Bewunderung taxierte Maxime „niemand aufzunehmen, den EU-weiten Verteilungsschlüssel für Asylsuchende nicht einzuhalten. Dieses populistisch genutzte politische Handlung Ungarns bezeichnete Khol als “Politik machen“.

Das eigentliche politische Handeln, die Tatsächlichkeit des Erfüllens der Ungarn vorgeschriebenen Quote ist für Khol keine Politik.

POLITIK IST TÄUSCHUNG

Daran sollten wir uns erinnern, wann immer Jüngere aus dem Kreise Khols zur Bewertung ihrer Politik einmahnen, man möge die Regierung doch an ihren Taten messen. Wo es doch genau umgekehrt ist. Politik im Selbstverständnis führender Türkis-Schwarzer ist das populistische Verkünden, das Ankündigen, das Aufkündigen.

Politik ist sohin, und hier bildet sich Handeln im Symbolischen ab, nicht das eigentliche Tun (das vielleicht niemals stattfindet), sondern ausschließlich das Sprechen über das Tun.

Mentalismus, würde man im Zirkus sagen. Mit Anflügen von Weissclownerie. Wir hatten die Frage gestellt, welchen moralischen Regeln das „Handeln“ der Liste Kurz folge. Christlichsozialen, westlichen, europäischen? Oder doch eigenen, anderen?

Die Antwort ist kurz:

Zirkusregeln. Applaus ist alles.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1706 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1706 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 456 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    456 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 362 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    362 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 276 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    276 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 138 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    138 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2938
12. März 2024
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Andrea Maria Dusl

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