Wenige Monate vor Einführung der neuen ORF-Haushaltsabgabe hat der österreichische Verfassungsgerichtshof Teile des ORF-Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Zentrales Problem ist der Modus, wie Gremien, zB der Stiftungsrat bestellt werden, denn: Der übermäßige Einfluss der Regierung auf Stiftungsrat und Publikumsrat gefährdet die Unabhängigkeit des ORF. Bis 2025 muss das Gesetz neu geregelt sein.
Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes umfasst 76 Seiten und könnte große Veränderungen in der österreichischen Medienlandschaft auslösen. Unter anderem erklärt das Höchstgericht die Ablösung der ORF-Stiftungsräte als verfassungswidrig. Bislang war das nach Wahlen in den entsendenden Gremien wie der Bundesregierung oder dem Nationalrat möglich. Die Verfassungsrichter:innen bemängelten zudem die Anforderungskriterien für Stiftungsräte, die nach ihrer Ansicht zu ungenau waren. Und: Die Regierung darf nicht mehr Stiftungsräte bestellen als der Publikumsrat.
Eine weitere Kritik betrifft die Besetzung des ORF-Publikumsrats. Bislang konnte der Bundeskanzler die Mehrheit der 30 Mandate in diesem Gremium bestimmen. Diese Regelung stellt der VfGH nun infrage.
Die Entscheidung des obersten Gerichtshofes kommt nicht unerwartet. Bereits in der Vergangenheit führten Gerichtsurteile dazu, dass die Finanzierung des ORF durch einen „ORF-Beitrag“ ab 2024 neu geregelt wurde. Nun haben die Verfassungsrichter:innen die Besetzung der ORF-Gremien als teilweise verfassungswidrig erachtet und verlangen bis 31. März 2025 eine Neuregelung.
Die aktuell besetzten ORF-Gremien haben ihre Arbeit im Frühjahr 2022 aufgenommen und sollten bis zum Frühjahr 2026 tätig sein. Die Einführung eines neuen ORF-Gesetzes im März 2025 könnte jedoch die Amtszeit dieser Gremien verkürzen.
Die SPÖ nimmt das Urteil zum Anlass und fordert eine rasche Gremienreform. Ziel einer solchen Reform sollen neue Entsendungsmodelle in die Gremien, transparente Personalentscheidungen und insgesamt mehr Vielfalt in den Gremien sein. Nur so kann die Unabhängigkeit des ORF gesichert werden, so die SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar.
Der Verfassungsgerichtshof wurde aufgrund eines Antrags des Landes Burgenland tätig, bei dem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) eine Schlüsselrolle spielte. Für die Verhandlung am Höchstgericht bot sich Doskozil sogar als Kronzeuge an. Top-Jobs im ORF, sagt Doskozil, würden als „rein politische Besetzungen“ über die Bühne gehen.
Auch Armin Wolf (Moderator der ZIB2 im ORF) hat in einem Blogbeitrag auf die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der ORF-Gremien hingewiesen. Die Kritik lautete, dass die ORF-Gremien zu regierungsnah besetzt sind.
Das zentrale ORF-Gremium, der Stiftungsrat, ist maßgeblich für die Besetzung des Generaldirektors oder der Generaldirektorin verantwortlich und trifft wichtige unternehmerische Entscheidungen. Derzeit hat die ÖVP aufgrund des bestehenden Besetzungsmodus eine dominierende Mehrheit im Stiftungsrat.
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