Verteilungsgerechtigkeit

Steuerexperte Schraml: Wegen einer Vermögenssteuer aus Österreich wegzuziehen, ist gar nicht so einfach wie man denkt

Österreich diskutiert über Vermögenssteuern. Gewerkschaften, Arbeiterkammer, SPÖ sind dafür und fordern sie lautstark ein, Wirtschaftsvertreter und ÖVP reiten aus und warnen vor einer etwaiger „Schnüffelsteuer“. Einmal heißt es, finanzkräftige Superreiche würden in Scharen das Land verlassen – dann heißt es wieder, der Mittelstand muss sich fürchten. Wie ist das jetzt wirklich? Wir haben bei Pascal Schraml, Steuerberater und Steuerrechtsexperte bei der AK, nachgefragt.

Kontrast: Herr Schraml, die Debatte rund um Vermögenssteuern läuft – mitunter hitzig. Immer wieder kommt die Frage auf, ob sich das überhaupt lohnen würde. Wo ist denn wie viel zu holen, wenn wir jetzt an Erbschaften, Schenkungen und Vermögenssubstanz denken?

Pascal Schraml: Das lohnt sich jedenfalls! Je nach Modell werden bei der Vermögenssteuer bis zu 5 Milliarden, bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zwischen 1 und 2 Milliarden Euro an Aufkommen geschätzt. Die tatsächliche Ausgestaltung hat aber enorme Auswirkungen, gerade wenn gewisse Vermögenswerte ausgenommen wären.

Rein administrativ: Wie kompliziert wäre es, z.B. eine Erbschaftssteuer abzuwickeln?

Pascal Schraml: Heutzutage sind die meisten Vermögenswerte digital erfasst. Jedes Wertpapier-Depot ist im Vergleich zu 1993, als die letzte Vermögenssteuer abgeschafft wurde, bereits digitalisiert. Auch das Grundbuch und das Firmenbuch gibt es bereits digital, von Bankguthaben ganz zu schweigen. Verbleibt noch die Frage der Bewertung. Und auch hier hat sich einiges getan. Es gibt Unmengen an Programmen, die beispielsweise Immobilien recht treffend bewerten. In Deutschland nimmt das Finanzamt für Zwecke der Erbschaftsteuer eine Bewertung auf Basis einiger weniger Parameter vor. Man kann jedoch als Steuerpflichtiger auch ein Gutachten vorlegen, wenn man der Ansicht ist, dass sich das Finanzamt grob verschätzt. An der Administration würde es also heute nicht mehr scheitern.

Beitrag vermögensbezogener Steuern zum gesamten Steueraufkommen. (Quelle: OECD Dezember 2022)

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, meinte jüngst, die Vermögenssteuer sei eine „Schnüffelsteuer“ und deswegen abzulehnen. Würde ein Vermögensregister da Abhilfe schaffen – dann müsste man nicht „schnüffeln“?

Pascal Schraml: Die Arbeiterkammer setzt sich schon länger für die Schaffung eines Vermögensregisters ein. Denn eigentlich tappen wir gerade bei den großen Vermögen vielfach noch im Dunklen. Höhe und Zusammensetzung kann nur geschätzt werden. Um eine gerechtere Vermögensverteilung herbeizuführen zu können, ist ein Vermögensregister unerlässlich. Das betrifft auch die Treffsicherheit: Der Arbeiterkammer ist es vor allem ein Anliegen, die unfassbar großen Vermögen der Superreichen zu erfassen – der Häuslbauer und das Oma-Sparbuch sind dezidiert nicht das Ziel.

Eine Warnung, die in der Debatte um Vermögenssteuern immer wieder aufkommt ist: Naja, dann wandern die Millionäre und Superreichen aus. Passiert das in der Praxis?

Pascal Schraml: Das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Die Wegzugsbesteuerung verhindert, dass man Vermögenswerte einfach der Besteuerung im Inland entziehen kann. Je nach Vermögensart gelten unterschiedliche Konzepte, die aber im Wesentlichen auf eines hinauslaufen: Wertsteigerungen, die bisher im Inland erzielt aber noch nicht besteuert wurden (sogenannte stille Reserven), müssen in Österreich versteuert werden. Wertsteigerungen, die nach dem Wegzug erzielt werden, sind im Ausland steuerpflichtig.

So kann es zum Beispiel passieren, dass bei großen stillen Reserven in Österreich durch einen Wegzug eine Besteuerung ausgelöst wird, die den Vorteil des steuerlichen Wegzugs massiv konterkariert. Im Endeffekt ist es in ganz vielen Fällen dann günstiger, das Vermögen in Österreich zu belassen.

@kontrast.at Kann man einem Millionär zumuten, gleich viel Steuern zu zahlen wie eine Angestellte? 🤔 #vermögenssteuer #millionär #steuern #reichemenschen #österreich #kritischdenken ♬ Originalton – Kontrast

Und noch ein Punkt zum Wegzug: Wegzug heißt Aufgabe des Wohnsitzes und Verlagerung des Lebensmittelpunktes in ein anderes Land. Wer nur „am Papier“ ins Ausland zieht, tatsächlich aber weiterhin in Österreich residiert, oder wenn z.B. die Familie noch in Österreich lebt, riskiert einen missglückten Wegzug. Die Finanz erkennt dann, dass der Wohnsitz eigentlich nie effektiv verlagert wurde und unterwirft dann nicht selten die ausländischen Einkünfte auch der österreichischen Besteuerung. Das kann sehr teuer sein.

Zusammengefasst: Ein wirklicher steuerlicher Wegzug aus Österreich ist unter Umständen sehr kostspielig und übersteigt in vielen Fällen den Steuervorteil. Für 1 % Vermögenssteuer zahlt sich das oft nicht aus.

Wie sollen wir in Österreich die Teuerung bzw. ihre Folgen bekämpfen?

Maximal 4 Antwortmöglichkeiten

  • Steuern auf Arbeit senken, dafür Steuern auf Millionenvermögen erhöhen 23%, 99 Stimmen
    23% aller Stimmen 23%
    99 Stimmen - 23% aller Stimmen
  • Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und Banken 21%, 90 Stimmen
    21% aller Stimmen 21%
    90 Stimmen - 21% aller Stimmen
  • Energiepreise stärker regulieren 16%, 69 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    69 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Mehrwertsteuer auf Lebensmittel streichen 13%, 56 Stimmen
    13% aller Stimmen 13%
    56 Stimmen - 13% aller Stimmen
  • Mieterhöhungen für die nächsten zwei Jahre stoppen 11%, 49 Stimmen
    11% aller Stimmen 11%
    49 Stimmen - 11% aller Stimmen
  • Ganztagesschulen kostenlose machen 8%, 36 Stimmen
    8% aller Stimmen 8%
    36 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Höchstzinsen für Häuselbauerkredite einführen 5%, 22 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    22 Stimmen - 5% aller Stimmen
  • Mindestzinsen für bestimmte Sparprodukte einführen 4%, 16 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    16 Stimmen - 4% aller Stimmen
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13. Mai 2024
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