Medien & Kritik

Kritik am Kanzler unerwünscht: Satiresendung wegen kritischer Berichterstattung abgesetzt?

Kommenden Freitag läuft „Gute Nacht, Österreich“ das letzte Mal im ORF. Nach einem Quoten-Tief zu Beginn hatte das Satire-Magazin sich auf einem neuen Sendeplatz gut erholt. Trotzdem hat der ORF die Sendung von Peter Klien abgesetzt und nimmt sie ab Herbst mit neuem Konzept wieder auf – vielleicht. Es ist zu befürchten, dass bei der geplanten Generalsanierung ausgerechnet die kritische Recherche gestrichen wird.

Als Hauptkritikpunkt werden Gute Nacht Österreich (GNÖ) gerne die mäßigen Quoten vorgehalten. Dabei vergisst man allerdings gerne, dass die Zuschauerzahlen der beliebten deutschen „Heute-Show“ im ersten Jahr schlechter waren und Kliens Sendung heute besser läuft als das ZDF Magazin Royal mit Jan Böhmermann. Wie die beiden deutschen Shows findet auch GNÖ sein Publikum vor allem online. Die Erklärstücke finden auf Youtube enormen Anklang. So wurde auf Youtube ein Clip von Klien, bei dem er detailliert aufschlüsselt, wie es dazu kam, dass die Bundesregierung  überteuerte Corona-Masken kaufte, über 280.000 Mal aufgerufen – mehr als doppelt so viel wie Zuseher im TV.

Die Frage wird sein, ob genau das Erklärstück im Herbst fehlt – sollte die Show wiederkommen. Denn die Zukunft von GNÖ steht auf unsicheren Beinen. „Der Vertrag ist ausgelaufen, wir haben uns aber darauf geeinigt, an der Marke festzuhalten und sie gemeinsam weiterzuentwickeln“, erläutert Lisa Totzauer, ORF 1-Senderchefin, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Ab Frühherbst könnte es eine reformierte Version geben, „die leichter in der Anmutung und weniger gepresst daherkommt“, sagt Totzauer.

Kurz-kritischer Beitrag gestrichen

Die Rubrik, die der Showmaster stets mit „Sie werden lachen, es wird ernst“ ankündigte, bezeichnete Klien als „Herzstück der Sendung“. Das satirische Dossier entstand in Kooperation mit der Recherche-Plattform dossier.at und beschäftigte sich mit den Schwächen der österreichischen Politik. Oder wie es das Branchenblatt „Quotenmeter“ ausdrückte: „Neben dem Bundeskanzler und seinen Ministern ist aber zugleich die Opposition nicht vor Peter Kliens Scherzen sicher. Keine Partei wird verschont, wenn sie für den Moderator in ‚Gute Nacht Österreich‘ mit Fehltritten eine Angriffsfläche bietet.“ Themen fanden Klien und sein Team in Parteienfinanzierung, Parteimedien. Aber auch am Bodenverbrauch, dem JÖ-Bonusclub und dem Netzwerk von Sebastian Kurz, arbeitete sich Klien ab.

Wie der Standard aufdeckte, wurde genau dieses Erklärstück über die ÖVP-Seilschaften zwar in einem Trailer angekündigt, aber nicht ausgestrahlt. Am 28. November lief stattdessen ein Beitrag über das Verhältnis von Bund und Ländern. Das eigentlich geplante Erklärstück soll vom ORF kurzfristig gestrichen worden, das Bund-Länder-Special über Nacht zusammengeschnitten und eingebaut worden sein. Die Androhung einer Arbeitsniederlegung des GNÖ-Teams soll den Sender dazu gebracht haben, den Kurz-kritischen Beitrag in der Folgewoche auszustrahlen

„Gute Nacht Österreich“ vor dem Aus

ORF-Chef Alexander Wrabetz nannte die Neuorientierung für die Late-Night-Show eine „Chance“ für eine weniger „pseudoinvestigative“ Variante. Laut Standard könnte die zwischenzeitliche Absetzung auch etwas mit der anstehenden Neuwahl von Wrabetz als Generaldirektor im kommenden August 2021 zu tun haben.

„Ob das eine Pause ist oder ein Ende, ist mir nicht klar kommuniziert worden“, gab Klien noch im Dezember in einem Interview zu. Vor der Ausstrahlung der ersten Folge zeigte sich Klien noch zuversichtlich, was seinen Bewegungsfreiraum angeht: „Ich glaube (…) auch nicht, dass irgendjemand ein Interesse hat, mir einen Maulkorb zu verpassen. Es ist der ORF dann in vielerlei Hinsicht doch mutiger, als man ihm das zutrauen würde. Wenn ich an die ganzen Beiträge denke, die ich für „Willkommen Österreich“ gemacht hab, da ist der ORF ja auch dahintergestanden“, sagte Klien dem Tele-Magazin. Aber er wusste auch damals schon: „Wenn’s nicht gepasst hätte, wär’s nicht auf Sendung gegangen.“

Quoten können nicht das Problem sein

Nachdem Klien als Publikums-Liebling und „Reporter ohne Grenzen“ bei „Willkommen Österreich“ ausschied, bekam er einen denkbar undankbaren Sendeplatz. Nicht umsonst nannte Klien den Sendeplatz am Mittwoch um 22:00: „halber Selbstmord“. Zu dieser Zeit steht er im direkten Wettbewerb mit ZiB-Anchor Armin Wolf, der die gleiche informations-affine Zielgruppe anspricht.

Verfolgten die GNÖ-Premiere noch 284.000 Zuseher, blieb die Nachrichten-Satire bald hinter  den hohen Erwartungen zurück. Am 25. November brachte Klien noch 221.000 Menschen auf ORF 1, während gleichzeitig 668.000 Licht ins Dunkel auf ORF 2 mitverfolgten. Eine Woche später waren nur mehr 125.000 vor den Bildschirmen, die ZiB 2 schauten am gleichen Abend fast 900.000 Menschen. Tags zuvor, am 1. Dezember, schalteten mit 335.000 fast dreimal so viele zu „Willkommen Österreich“, obwohl gleichzeitig die ZiB 2 lief.

Vor Kliens scharfer Zunge war schon als „Reporter ohne Grenzen“ niemand gefeit, auch nicht der damalige SPÖ-Chef Christian Kern. Nun wird Peter Klien abgesetzt. Fotos: SPÖ/Zach-Kiesling

Online-Erfolg

Vergleicht man GNÖ mit Quotenschlagern wie „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ (884.000 Zuschauer), so kann die Satire nur vor Neid erblassen. Doch online, wo das junge Publikum konsumiert, ist die Lage eine andere: Der Youtube-Kanal hat bei nur 42 Videos über 30.000 Abonnenten. Der Fankanal von“Willkommen Österreich“ konnte trotz eines Vielfachen an Videos und weitaus längerem Bestehen kaum mehr Abonnenten lukrieren. Kliens Erklärstücke erreichen auf dem Video-Kanal zwischen 40.000 und 100.000 Aufrufe, während die von „Willkommen Österreich bei 20.000-60.000 liegen und „Was gibt es Neues?“-Ausschnitte überhaupt bei unter 10.000 Views vor sich hin schlummern.

Besonders beliebt sind online die kritischen Recherchen. Das Politstück über Orbans Medienlandschaft in Ungarn wurde über eine halbe Million Mal angeklickt, das Kurznetzwerk über 100.000 Mal.

Nachdem schon im Sommer die Gerüchte um eine Einstellung aus „Einsparungsgründen“ umgingen, konnte das Publikum die Sendung zwischenzeitlich retten. Im Herbst 2020 hat Klien mit seinem Team den Publikumspreis des Österreichischen Kabarettpreises gewonnen. Noch nie hatten so viele Menschen für eine Sendung abgestimmt. In den Vorjahren gaben immer zwischen 3.000 und 5.000 Zuseher ihre Stimme ab, 2020 waren es 19.000. Nun steht die Absetzung erneut an. Fans der Sendung haben eine Petition für den Beibehalt gestartet – inklusive kritischem Erklärstück.

Wandert „Gute Nacht Österreich“ ganz ins Internet?

Im linearen Fernsehen startete „Gute Nacht Österreich“ nach dem Quoten-Tief im Jänner auf einer neuen Sendezeit. Freitags um 23:25 musste die Late-Night-Show nicht mehr mit der quotenstarken Wolf-ZiB 2 konkurrieren und brachte zuletzt mit 267.000 Zuseher sogar 15 Prozent Marktanteil ein. Doch noch bevor sich ein Stammpublikum an den neuen Sendeplatz gewöhnen konnte, wird die Sendung in der bekannten Form eingestellt.

Das Folge-Format könnte auf der geplanten Online-Plattform, den ORFPlayer, ausgelagert werden, kündigt Totzauer in einem schriftlichen Statement an. Denn: „Im kostenintensiven linearen TV sind wir hinter unseren Erwartungen geblieben und noch nicht so gut aufgestellt.“ Das Problem dabei: Um eigene Inhalte für die Online-Nutzung zu produzieren, wird es nicht nur ein noch nicht existentes Budget, sondern auch eine Gesetzes-Änderung brauchen. Und ob die ÖVP-dominierte Regierung daran Interesse hat, lässt sich bezweifeln.

Klien selbst gab sich im Gespräch mit der Kleinen Zeitung gelassen, was die Zukunft seiner Sendung angeht: „Ich werde ab Februar alles nachholen, was liegen geblieben ist – und das ist viel“. Zur Neuauflage sagt er: „Ich habe viele Ideen, die gilt es in Ruhe zu besprechen.“

Es ist übrigens nicht das erste kritische-kabarettistische Format, das der ORF absetzt: Auch „Tagespresse Aktuell“ verschwand nach einer Staffel – trotz vorzeigbarer Quoten.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1621 Stimme
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    1621 Stimme - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
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    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 341 Stimme
    12% aller Stimmen 12%
    341 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
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    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    131 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2774
12. März 2024
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