Jedes Monat lösen die neuen Inflationszahlen Schockmeldungen aus: Ein Rekord jagt den nächsten. Aber was, wenn im Windschatten der allgemeinen Inflationsstimmung Profite gemacht werden – auf Kosten der Konsument:innen? Dieser Frage widmet sich ein Pressegespräch von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ mit dem Ökonomen Stephan Schulmeister und dem IHS-Ökonomen Sebastian Koch. „Starren wir nicht nur auf die Monatswerte der Inflation, sondern widmen wir uns Grundsatzfragen zur Preisbildung“, fordert Schulmeister.
Wenn die Preise stärker erhöht werden als die Kosten zur Herstellung der Waren gestiegen sind, dann wird aus der Inflation eine Strategie zur Bereicherung. Und genau das ortet der Ökonom Stephan Schulmeister bei einem Pressegespräch von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ am Mittwoch in Wien. Schulmeister sieht in der aktuellen Inflation eine Preis-Profit-Strategie von den Finanzmärkten auf die Gütermärkte überschwappen: Nämlich die Logik, dass Unternehmen ihre Gewinne nicht durch die Produktion steigern, sondern vor allem durch die höhere Bewertung ihrer Produkte.
„Die Logik, dass der Gewinn steigt, ohne dass die Produktion steigt – das ist die Logik der Finanzmärkte“, betont Schulmeister. „Und das kennen wir von Immobilien oder Aktien, deren Werte enorm gestiegen sind.“
Dort sind Vermögende in den letzten Jahren fantastisch honoriert worden, doch die Lage hat sich verschlechtert. „Jetzt sucht man andere Quellen, um Zusatzgewinne erzielen zu können„, sagt Schulmeister.
Und diese Quellen sind jene Güter, auf die eigentlich kein Mensch verzichten kann: Energie, Nahrungsmittel und Wohnen. „Die Gewinne der Energiekonzerne steigen, aber auch die Produzenten und Händler von Nahrungsmitteln profitieren“, so Schulmeister. Sebastian Koch vom IHS betont im Pressegespräch, dass die Inflation die ärmsten Haushalte aktuell besonders stark trifft, weil sie einen großen Teil ihres Einkommens für Essen, Mieten und Energie ausgeben müssen.
Besonders ausgeprägt war und ist die Profit-Inflation laut Schulmeister bei Milchprodukten. Obwohl das Angebot, also die Zahl der zu melkenden Kühe, und die Nachfrage stabil sind, stieg der Erzeugerpreis für Milch in Österreich seit dem Frühjahr 2021 um 50%. Aber auch bei der fossilen Energie: Die Öl- und Gasindustrie wisse, dass sie angesichts der Klimaziele ein Ablaufdatum hat und versucht bis dahin, „ein Maximum an Gewinn aus den giftigen Schätzen heraus zu holen“, wie es Schulmeister formuliert:
„Wir erleben einen globalen Verteilungskrieg zwischen Fossil-Rentiers und Verbraucher:innen“.
Zuletzt zeigte eine Untersuchung des Momentum-Instituts, dass Unternehmen eben nicht nur ihre höheren Produktionskosten an die Kund:innen weitergeben, sondern mit zusätzlichen Preisaufschlägen ihre Profite steigern. Untersuchungen zur sogenannten „Gierflation“ gibt es auch für die USA, Großbritannien oder Deutschland. Besonders Energiekonzerne, Baufirmen und Handelsunternehmen nutzen ihre Marktmacht aus, um im Windschatten der Teuerung ihre Gewinne zu steigern. Ähnliches gilt für die Land- und Forstwirtschaft.
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Das verstärkt sich durch zu wenig Wettbewerb, wie Schulmeister am Donnerstag betont: „Die Ausbreitung einer inflationären „Marktstimmung“ lähmt die Konkurrenz, die als Inflationsbremse wirkt und erleichtert eine Erhöhung von Preisen über die Kostensteigerungen hinaus. Man muss die Inflation dort bekämpfen, wo sie passiert: Bei der Preissetzung, erklärt Schulmeister.
„Es wird oft so getan, als würden anonyme Märkte Preise bilden. Tatsächlich sind es Marketing-Menschen, die den Preis setzen – und diesen Prozess müssen wir transparenter machen“, sagt Schulmeister.
Etwa durch die Gründung einer „Agentur für Markttransparenz“ (AMT), die „auffällige“ Preissteigerungen dokumentiert und Handelsketten sowie Tankstellen verpflichtet, ihr gesamtes Warenangebot samt den Preisen täglich online zu stellen. Erst dadurch wird überhaupt erst ein Markt geschaffen, auf dem Preisvergleiche möglich sind. „Der Aufwand für die Anbieter ist null, der Nutzen für Kunden aber groß“, findet Schulmeister.
Auch am Energiemarkt muss das gesamte Preisbildungssystem neu aufgesetzt werden, das Merit Order System hat zu viel Schaden angerichtet. Die Preise müssen sich an den effektiven Entstehungskosten orientieren und nicht an den Börsenpreisen. Da Wohnen ein Grundbedürfnis ist und Boden nicht vermehrt werden kann, braucht es auch ein umfassendes Richtwertsystem für Mieten und eine radikale Einschränkung befristeter Mietverhältnisse, um die Richtwerte auch durchsetzen zu können.
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