Rund 12.000 Personen nehmen in Österreich an einer überbetrieblichen Lehrausbildung teil – weil sie kaum Chancen auf eine Lehrstelle in einem Betrieb haben. Dafür erhalten sie in den ersten beiden Lehrjahren jedoch nur rund 361 Euro im Monat. Trotz höchster Inflation seit 70 Jahren und Fachkräftemangel soll diese Bezahlung 2023 nur um rund 3 Prozent angehoben werden. „Mit diesem Geld geht sich das Leben kaum aus“, erzählt Mechatronik-Lehrling Julia Kern im Kontrast-Gespräch.
Julia Kern ist im dritten Lehrjahr für Mechatronik. Anders als der Großteil der Lehrlinge, absolviert sie die Ausbildung nicht direkt in einem Betrieb, sondern „überbetrieblich“. In ihrem Fall organisiert das Bildungsförderungsinstitut BFI die Ausbildung – finanziert wird das großteils über das AMS. 8 Prozent aller Lehrlinge – oder rund 12.000 Personen – machen eine sogenannte überbetriebliche Lehre, weil sie keine Lehrstelle in einem Betrieb finden bzw. sonst keine Chance hätten. Der Abschluss ist der betrieblichen Lehre zwar gleichgestellt, doch das Gehalt ist weniger als halb so hoch. So bekommen Lehrlinge wie Julia in den ersten beiden Lehrjahren nur eine Ausbildungsbeihilfe von 361,50 Euro pro Monat. Danach steigt es auf 834,90 Euro. „Mit diesem Geld geht sich das Leben kaum aus“, sagt Julia. Selbst wenn man noch bei den Eltern wohnt, wie Julia, braucht man Geld zum Leben. „Zum Beispiel für Essen in der Arbeit: Wenn man das hochrechnet, kommt man am Ende des Monats nur ganz knapp aus.“ Trotz Arbeit, musste sie sich in der Vergangenheit immer wieder Geld von den Eltern borgen: etwa um monatlich die Medikamente zu bezahlen, auf die sie angewiesen ist.
Von Weihnachtsgeschenken ganz zu schweigen: „Ich wollte meinen Eltern zu Weihnachten was kaufen, aber wenn ich mein Gehalt sehe und was ich am Konto habe, dann geht sich das nicht aus“, erzählt die 18-Jährige.
Für 2023 ist eine Erhöhung von 11,10 Euro (+ 3,07%) in den ersten beiden Lehrjahren vorgesehen. Im 3. und 4. Lehrjahr soll es ein Plus von 25,8 Euro (+3,09%) geben.
Im Vergleich zu anderen Lehrlingsgehältern ist der Unterschied massiv: Im Metallgewerbe, aber auch im Handel beispielsweise, bekommt man ab 2023 im ersten Lehrjahr 800 Euro. Das entspricht einer Erhöhung von etwa 10 Prozent. Der Abstand nimmt damit weiter zu. Bis 2019 bekamen volljährige Lehrlinge noch 753 Euro, doch die schwarz-blaue Bundesregierung kürzte dieses Geld damals um mehr als die Hälfte.
Gerade in Zeiten der höchsten Inflation seit 70 Jahren ist diese niedrige Ausbildungsbeihilfe alles andere als armutsfest. Julia Kern ärgert sich darüber, dass die Bezahlung nicht an die Lehrlingsgehälter angeglichen wird. „Es ist einfach ungerecht, dass wir zurückgelassen werden. Es sollte auch auf die Inflation geschaut werden – die steigt und unser Gehalt bleibt am Boden“, so Julia Kern.
Die Folge dieser enorm niedrigen Ausbildungsbeihilfen wird sein, dass sich viele Jugendliche die Lehre nicht mehr leisten können, befürchtet die Österreichische Gewerkschaftsjugend. Stattdessen werden sie die Ausbildung abbrechen und Aushilfsjobs annehmen, weil sie so zumindest kurzfristig das Dreifache verdienen – auch wenn sie langfristig draufzahlen. Dabei werden derzeit an vielen Orten ausgebildete Leute gesucht. Der Fachkräftemangel befindet sich laut dem Fachkräfteradar 2022 auf einem „Allzeithoch“. Gerade Personen mit einem Lehrabschluss werden österreichweit händeringend in vielen Branchen gesucht.
Die Alternative wäre für die Jugendlichen, sich neben ihrer Lehre einen zusätzlichen Job zu suchen. Damit würden sie jedoch immer noch weniger verdienen als ihre Kolleg:innen mit einem Job.
Die Österreichische Gewerkschaftsjugend fordert deshalb u.a. die Erhöhung der Lehrlingseinkommen im 1. und 2. Lehrjahr auf 500,91 € monatlich sowie ein 13. und 14. Lehrlingseinkommen – so wie es alle anderen Lehrlinge auch erhalten.
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