Die „Schock-Doktrin“ in Chile soll Krise verschärfen, Proteste spalten und autoritäre Politik durchsetzen

Das öffentliche Leben in Chile steht still. Täglich gibt es Proteste gegen die Ungleichheit im Land. Der rechte Regierungschef Sebastián Piñera hat den Notstand ausgerufen und einen Militäreinsatz angeordnet. Mit der „Schock-Doktrin“ will er die Bevölkerung einschüchtern und die Unruhen für seine Interessen nutzen.

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Augusto Pinochet hat als Diktator Chile regiert – von 1973 bis 1990. Die USA haben diese Diktatur gestärkt. Zum einen wollten sie Einfluss auf den lateinamerikanischen Kontinent haben. Zum anderen konnten die USA in Chile eine neue Doktrin austesten: Die Schock-Doktrin. Das Ziel: Krisen jeglicher Art nutzen, um neoliberale und autoritäre Politik durchzusetzen.

Entwickelt wurde die Doktrin von Milton Friedman und den „Chicago Boys“ – chilenische Wissenschaftler, die bei Friedman und Friedrich Hayek überzeugt waren. Chiles Bevölkerung diente als Versuchslabor.

„Schock-Doktrin“ erstmals 1973 in Chile angewendet

Mit dem Putsch Pinochets gegen Salvador Allende 1973 wurde in Chile die „Schock-Doktrin“ erstmals erprobt. Damals ließ Augusto Pinochet den demokratisch gewählten Präsidenten Allende verfolgen und installierte eine faschistische Militärdiktatur mit extrem neoliberaler Ausrichtung. Sie prägt das Land bis heute.

Die von Theoretikern der Chicagoer Schule und Milton Friedman entworfene Schock-Doktrin will eine nationale Krise ausnutzen, um neoliberale Politik umzusetzen:

Man setzt unliebsame Maßnahmen durch während die Bevölkerung in der Krise zu abgelenkt ist, um sich zu wehren.

Und sie wird auch jetzt erneut angewendet. Sie besteht aus 5 Elementen.

Das sind die 5 Schritte der „Schock-Doktrin“

Kommt es zu Unruhen, die einer Regierung ein Dorn im Auge sind, greift diese in Verwaltung, Verkehr und Versorgung ein. Sie erschwert es allen Menschen, ihren Alltag zu meistern. Statt beruhigend oder konfliktlösend zu wirken, verschärft sie die Krise. Sie will Ängste schüren und Proteste schwächen.

Schritt 1: Unruhen nutzen oder künstlich erschaffen

Das passiert unter anderem durch die Einschränkung des öffentlichen Verkehrs. Das soll verhindern, dass Menschen sich fortbewegen. So werden die politischen Freiheiten der Bevölkerung eingeschränkt, weil sie nicht zu Demonstrationen gelangen kann. Aber auch der tägliche Weg zur Arbeit wird verunmöglicht. Das bringt Beschäftigte wiederum in schwierige Situationen. Sie sorgen sich um ihre Jobs.

Schritt 2: Ausschreitungen inszenieren oder nicht verhindern

In Chaos und in der Not werden auch Geschäfte geplündert. Statt zu beruhigen, nutzt eine Regierung diese Ausschreitungen aus. Sie will, dass man den unliebsamen Protest mit Gewalt verbindet. Das ebnet der Regierung den Weg, selbst gewaltvoll mit Exekutivkräften gegen die Protestierenden vorzugehen.

In diesem Video sieht man, wie die Polizei einen Brand eines Supermarktes startet:

Und hier kann man brennende und aufgebaute Barrikaden sehen. Obwohl weit und breit keine Protestierenden in der Nähe sind – nur die Polizei. In diesem Video sieht man, wie die Polizei einen Bus mit kaputten Scheiben in die Stadt eskortiert und in der Stadt direkt neben den Protesten stehen lässt.

Schritt 3: Geldautomaten zerstören

Gibt es keine Bankomaten, kommen Menschen nicht zu Bargeld. Sie können ihre Rechnungen nicht zahlen und sich keine Güter des täglichen Bedarfs kaufen. Der Alltag wird maximal erschwert.

Schritt 4: Medien kontrollieren, damit sie verzerrt berichten

Die Medienlandschaft in Chile zählt zu den konzentriertesten Lateinamerikas. Als Beispiel der Printbereich: Es gibt zwei große Mediengruppen (El Mercurio und Copesa), die über 80% aller LeserInnen abdecken. Gleichzeitig haben beide Gruppen direkte Teilhabe an diversen Immobilien-, Finanz-, Lebensmittelunternehmen und vielem mehr. Im Bereich der Fernsehsender decken 4 Sender über 90% der ZuseherInnen ab. Einfluss auf die Sender haben die Familien Luksic (ihre Familienmitglieder zählen zu den reichsten des Landes und sind mit Augusto Pinochet verwandt), Heller Solari, sowie ausländische Unternehmer wie Time Warner.

Wenn diese Medien nun falsche Bilder in Umlauf bringen, schürt das die Stimmung gegen den Protest und macht Stimmung für die Regierung und deren Maßnahmen.

Schritt 5: Versorgung mit Wasser, Strom und die Gesundheitsversorgung einstellen

In ihrer Not beginnen die Menschen beginnen zu verzweifeln. Sie verlangen von der Regierung, hart durchzugreifen. Staatliche Gewalt und Repression werden als Mittel akzeptiert, um Ordnung zu schaffen und den Protest zu spalten. Widerstand soll verunmöglicht werden.

Wie schon in der Zeit der Diktatur sind Menschenrechtsverletzungen und die Durchsetzung neoliberaler Politik zwei Seiten derselben Medaille.

Während die kommunistischen, sozialistischen und progressiven Abgeordneten Chiles im Parlament eine Arbeitszeitverkürzung diskutieren wollen – eine Forderung der Protestierenden – ziehen die rechten Abgeordneten aus dem Saal aus.

Schüler, Studierende, Beschäftigte – sie sind Teil der Proteste in Chile

Die aktuelle Protestbewegung in Chile schließt an die Proteste für freie Bildung von 2011 und an die Proteste gegen das Pensionssystem der letzten Jahre an. In ihr sind SchülerInnen, wie Studierende, ArbeiterInnen und medizinisches Personal gleichermaßen beteiligt. Die offizielle Bilanz des Militäreinsatzes im Rahmen des Ausnahmezustandes beträgt laut dem Institut für Menschenrechte in Chile zum 23. Oktober 2019:

  • 2.138 Festgenommene (darunter 243 Kinder und Jugendliche)
  • 376 Verletzte (darunter 173 durch Schusswaffen)
  • 5 Tote durch Militär und Polizei

Das Bestehen improvisierter Folterquartiere in U-Bahnstationen wurde kürzlich bekannt.

Zum Weiterlesen:

„The Shock Doctrine – The rise of disaster capitalism“. Naomi Klein (2007)

40 Years Ago, This Chilean Exile Warned Us About the Shock Doctrine. Then He Was Assassinated.“ Naomi Klein (2016)

The ‘Chicago Boys’ in Chile: Economic Freedom’s Awful Toll. Repression for the majorities and “economic freedom” for small privileged groups are two sides of the same coin.“. Orlando Letelier (xx) published in The Nation on 21st September 2016

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1448 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1448 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 369 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    369 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 304 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    304 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 210 Stimmen
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    210 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 106 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    106 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2437
12. März 2024
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