Eine unbearbeitete Großbaustelle – das attestierte die Bertelsmann Stiftung der deutschen Politik vor etwas mehr als einem Jahr im Hinblick auf Kinderarmut. 3 Millionen Kinder und Jugendliche gelten in Deutschland als arm. Das ist jedes 5. Kind. Mit einer Kindergrundsicherung will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP Kinderarmut beenden.
Seit mehr als zehn Jahren kämpft das Bündnis Kindergrundsicherung, ein Zusammenschluss von Sozial- und Familienschutzverbänden, die Bildungsgewerkschaft und Wissenschafter:innen für die Einführung einer Kindergrundsicherung. Denn: Kinderarmut ist ein wachsendes Problem in Deutschland. Die Zahl der Kinder, die von Armut und Ausgrenzung bedroht sind, steigt seit Jahren. Auch in Deutschland sind Ein-Eltern-Haushalte besonders stark von Armut betroffen.
Konkret ist das Armutsrisiko von Alleinerziehenden vier Mal so hoch wie das von Paaren mit Kindern – in einem der reichsten Länder der Europäischen Union.
Die Sozialexpert:innen rund um das Bündnis Kindergrundsicherung forderten daher die Einführung einer eigenständigen finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen – abhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern. Konkret wollten sie die Einführung einer Kindergrundsicherung.
Dem Bündnis gelang es, Parteien wie SPD, Grüne und Linkspartei dazu zu bewegen, sich ebenfalls für die Kindergrundsicherung auszusprechen. Die Forderung wurde sogar zu einem Wahlkampf-Thema. Den grünen und sozialdemokratischen Verhandlungsführer:innen ist es nun gelungen, die Einführung einer Kindergrundsicherung in den Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition zu bringen.
Gleich zwei große Vorhaben werden in der Präambel des Entwurfs des Koalitionsvertrages genannt: „Wir wollen Familien stärken und mehr Kinder aus der Armut holen. Dafür führen wir eine Kindergrundsicherung ein. Kinder haben eigene Rechte, die wir im Grundgesetz verankern werden.“ Letzteres scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode am Koalitionspartner CDU/CSU.
Die Kindergrundsicherung soll 1. einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag umfassen, der für alle Kinder gleich hoch ist. Zusätzlich soll dieser ergänzt werden durch einen 2. Zusatzbetrag, der abhängig vom Elterneinkommen gestaffelt ausbezahlt wird.
Die Kindergrundsicherung soll automatisiert und unbürokratisch ausbezahlt werden und bestehende finanzielle Unterstützungen für Familien bündeln. Volljährigen Anspruchsberechtigten (beispielsweise während des Studiums) soll die Grundsicherung direkt ausbezahlt werden. Auch, wenn die Ausführungen im Koalitionsvertrag einiges offenlassen, so ist die Verankerung ein wichtiger Etappensieg für die deutsche Zivilgesellschaft.
Positiv ist die Einkommensabhängigkeit der ausbezahlten Höhe der Kindergrundsicherung, weil die finanziellen Mittel so dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Drei wichtige Zahlen fehlen derzeit noch im Koalitionsvertrag, die für Betroffene aber relevant sind:
Eine zentrale Frage im Hinblick auf das Thema der Verteilungsgerechtigkeit ist die Frage der Finanzierung einer Kindergrundsicherung. Deutschland ist seit zwei Jahrzehnten geprägt von einer immer ungleicher werdenden Einkommensverteilung. Vermögen konzentrieren sich stärker als in vielen allen anderen Euro-Ländern. Dennoch sind von der neu zu bildenden Regierung keine vermögensbezogenen Steuern zu erwarten. Auch findet sich im Koalitionsabkommen keine grundlegende Abkehr vom fatalen Dogma der Austerität – also der Sparpolitik.
Angesichts des Ausblutens öffentlicher Infrastruktur wie Schwimmbädern oder Büchereien und den kaputt gesparten Gemeinden weisen Expert:innen auch darauf hin, dass man auch so etwas wie die Kindergrundsicherung mit weiteren Maßnahmen begleiten muss. Zum Beispiel mit der Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns, der Abschaffung von Hartz IV und dem Ausbau kindgerechter öffentlicher Infrastruktur.
Im Koalitionsvertrag ist etwa der Ausbau von Kindergärten und Schulen zu finden. Dazu gehören muss aber auch der Ausbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung von Kindern, auch im Bereich der psychischen Gesundheit. Denn zahlreiche Studien zeigen: Die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat in der Pandemie besonders gelitten. Die Öffentlichkeit muss ein kritisches Auge darauf haben, dass armutsbetroffene Familien nicht durch Gebührenerhöhungen oder andere Kosten belastet werden.
Der Blick nach Deutschland zeigt, dass sich der Kampf für eine Kindergrundsicherung lohnt. Er zeigt, dass wir auch in Österreich dranbleiben müssen, hartnäckig sein müssen und das Thema Kindergrundsicherung immer wieder auf die Agenda setzen müssen.
Deutschland zeigt, was gesellschaftspolitisch mit Mehrheiten ohne Konservativen möglich ist.
Die Petition zur Einführung einer Kindergrundsicherung in Österreich findest Du hier!
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