Unzählige Erfindungen und Innovationen gehen verloren, wenn Bildung in einer Gesellschaft zu ungleich verteilt ist. Das hat eine Studie des amerikanischen „Equality of Opportunity“- Projekts festgestellt. Die WissenschafterInnen haben Millionen Datensätze in den USA untersucht. Und die Ergebnisse sind ernüchternd: SchülerInnen mit großen Potenzialen werden nicht gefördert, wenn sie aus ärmeren Schichten kommen – die Studie spricht von verlorenen Einsteins („lost Einsteins“).
Um Wissenschaftler und Erfinder zu werden, muss man zwei Dinge erfüllen: Man muss ausgezeichnet in Mathematik sein. Und man muss aus einer wohlhabenden Familie kommen. Mathematische Exzellenz alleine reicht jedenfalls nicht aus, wie jetzt eine Studie herausgefunden hat.
Kinder aus armen Familien werden deutlich seltener Wissenschaftler oder Erfinder. Sie gründen kaum innovative Unternehmen und gehen selten in die Forschung. Und zwar auch dann, wenn sie exzellente Mathematiker sind.
Ausgezeichnete Mathematikschüler aus ärmeren Schichten werden nur so häufig Wissenschaftler oder Erfinder, wie gerade mal unterdurchschnittliche Mathematiker aus reichen Familien. Und ähnlich gute Mathematiker wie sie, die aber aus wohlhabenden Familien kommen, gehen 10 Mal so häufig in die Forschung. Das ist eine unglaubliche Verschwendung von Talenten.
Auch SchülerInnen aus der Mittelschicht haben ähnlich schlechte Innovationsraten wie aus der Unterschicht: Ihre (mathematischen) Fähigkeiten führen nur in seltenen Fällen zu tatsächlicher Innovation. Nur, wer auch aus einer wohlhabenden Familie kommt, kann seine Potenziale nutzen und umsetzen.
„Kreativität ist weit verteilt. Die Möglichkeiten sie zu nutzen nicht“, folgert der Studienautor Steve Case.
Neben armen Familien sind auch Frauen, Minderheiten und bestimmte Regionen von dieser Innovationsbremse betroffen. Gibt es etwa Forscherinnen, die in der Gegend bekannt sind oder Schulen besuchen, interessieren sich schlagartig mehr Schülerinnen für Technik oder gehen selbst in die Wissenschaft.
Sobald es Kooperationen mit Universitäten gibt, sobald Forscher an die Schulen gehen, sobald Mädchen oder Minderheiten gezielt angesprochen und gefördert werden, steigt der Mut der Schüler und Schülerinnen, sich in die Forschung zu wagen. Doch gerade diese Kooperationen finden in Schulen in armen Gegenden viel seltener statt. Ebenso wenig wie die gezielte Förderung naturwissenschaftlicher Talente. SchülerInnen können sich nur wenig unter Wissenschaft und Forschung vorstellen, ihnen fehlen die Vorbilder – zugleich kann aber auch leicht gegengesteuert werden.
Für Österreich gibt es keine vergleichbare Studie über die verlorenen Potenziale von Kindern aus benachteiligten Gruppen. Aber es lässt sich vermuten, dass es in Österreich ähnliche Effekte gibt. So ist der soziale Aufstieg hierzulande nach wie vor besonders schwer. Das Bildungssystem ist im europäischen Vergleich undurchlässig, ähnelt in dieser Hinsicht also den USA. Der familiäre Hintergrund der Schüler schlägt sich besonders stark auf die Leistungen der Kinder und Jugendlichen nieder, ist also auch bei uns wohl ausschlaggebender als die tatsächlichen Talente der Schülerinnen und Schüler.
Wenn talentierte Kinder und Jugendliche nicht in die Wissenschaft gehen oder sich dafür entscheiden, innovativ tätig zu werden, dann verliert eine Gesellschaft ungemeines Potential. Die Zahlen aus den USA zeigen, wie unglaublich viel von diesem Potenzial verloren geht, wenn ausgezeichnete Schüler aus benachteiligten Gruppen nicht in die Wissenschaft gehen – weil ihnen die sozialen Netzwerke und die finanziellen Möglichkeiten fehlen. Individuell ist das unfair, aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine ungemeine Verschwendung.
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