Der Handel ist vom Lockdown schwer geschädigt. Die Regierung reagierte viel zu spät mit einem Online-„Kaufhaus Österreich“. Die Webseite kostete 1,26 Millionen Euro und hat mehr Schwächen als Funktionen. Zu kaufen gibt es im Kaufhaus auch nichts. Nach drei Monaten fällt dem Wirtschaftsministerium ein, dass es gar keinen Shop betreiben darf und sperrt das „Kaufhaus Österreich“ wieder zu.
Es ist eine unglaubliche Pannenserie: Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer erstellen einen „österreichischen Online-Shop“. In dem Shop funktioniert so gut wie gar nichts und er kostet mit 1,26 Millionen Euro doppelt so viel wie eigentlich geplant. Drei Monate nach Start des Projekts wird die Homepage wohl wieder eingestellt, da das Ministerium plötzlich bemerkt, dass es gar keinen Onlineshop betreiben darf. Zum Vergleich: Alle Buchhändler Österreichs bekamen zusammengenommen nur 20.000 Euro Förderung für das Erstellen von Online-Shops.
Der Lockdown im Herbst, kurz vor Weihnachten, hat den österreichischen Handel schwer getroffen. Und das in einem Jahr, das ohnehin von zeitweiligen Schließungen und weniger Kunden geprägt war. Viele Menschen stiegen aus Angst vor Corona auf Online-Shopping um, große Händler wie der Krisengewinner Amazon durften sich über zahlreiche neue Kunden und Rekordeinnahmen freuen. Mit dem „Kaufhaus Österreich“ wollen Wirtschafts- und Digitalministerin Margarete Schramböck und WKÖ-Präsident Harald Mahrer nun „den heimischen Online-Handel stärken und Regionalität mit dem Digitalen verbinden“. Das wird schwierig, denn im Kaufhaus Österreich findet man keine Produkte, man kann lediglich nach Händlern suchen.
Eine Übersicht über Online-Händler hat übrigens schon existiert. Die Publizistin Nunu Kaller hat bereits im Frühling eine Initiative „mit ein paar Tausendern an Spendengeld“ gestartet, die österreichische Online-Händler auflistet. „Kaufhaus Österreich ist genauso wenig eine Antwort auf Amazon wie es meine Liste ist. Und obwohl ich mich über alles freu, das UnternehmerInnen momentan hilft, halt ich das Kaufhaus Österreich für einen Rohrkrepierer. Die Leute checken doch, dass da kein Mehrwert zu bisherigen Seiten besteht, und gleichzeitig kann man sich eigentlich nur ärgern, weil die 627.000 besser eingesetzt hätten werden können“, schreibt Kaller auf Facebook.
In Österreich werden übrigens jährlich etwa 7,4 Milliarden Euro über Verkäufe auf Plattformen umgesetzt. Ungefähr ein Prozent entfällt dabei auf heimische Anbieter. Laut Umfrage unter Unternehmern, bieten 54 Prozent der österreichischen Verkäufer ihre Waren online an.
Drei Monate nach Projektstart sperrt das Kaufhaus Österreich wieder zu, berichtet etwa der Standard. Das Wirtschaftsministerium kommt drei Monate nach Start des 1,26 Millionen Euro Projekts drauf, dass es gar keinen kommerziellen Marktplatz betreiben dürfe. Außerdem sei die schlechte Nutzbarkeit ein Problem gewesen. Möglicherweise werde man die Seite als Firmenverzeichnis weiterführen.
Die Erstellung eines Firmenverzeichnisses könnte sich aber ebenfalls als unnötig herausstellen. Denn eine Übersicht über Online-Händler hat längstens existiert.
Eine Recherche des Blogs „derBörsianer.com“ zeigt, dass der kaputte Online-Shop sogar weit mehr als ursprünglich kolportiert gekostet hat. War in der Vergangenheit immer von 627.000 Euro die Rede, die das Wirtschaftsministerium beim Fenster hinauswarf, beläuft sich die Summe inzwischen auf 1,26 Millionen Euro.
Österreichs Buchhändler müssen sich mit etwa 180 Euro Förderung pro Webshop zufriedengeben. Für alle 1.100 heimischen Buchhandlungen hat die Regierung nämlich insgesamt 200.000 Euro zur Verfügung gestellt als Förderung zur Einrichtung von Online-Shops.
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