Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Dennoch sind mehr als 300.000 Kinder arm oder armutsgefährdet. Sie sind öfter krank, häufiger übergewichtig und leiden unter psychischen Problemen, wie eine aktuelle Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten zeigt. Armut in der Kindheit verkürzt auch die spätere Lebenserwartung. ÄrztInnen wünschen sich daher, mehr kostenlose Gesundheits- und Sportangebote und gesundes Essen an Schulen. Eine Kinder-Grundsicherung könnte 2 von 3 Kinder aus der Armut holen!
In Österreich müssen über 370.000 Kinder in Armut aufwachsen oder sind armutsgefährdet. Armut trübt das Leben und die Zukunft – armen Kindern fehlt Geld für Schulausflüge, ihnen fehlt aber auch Unbeschwertheit, Zuversicht und die Sicherheit, das morgen noch genug zum Leben da ist.
Die Volkshilfe hat jetzt gemeinsam mit der Ärztekammer herausfinden wollen, wie stark sich Armut auf die Gesundheit von Kindern auswirkt. Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber eindeutig: Arme Kinder sind öfter krank, leiden eher an psychischen Problemen und sind später oft chronisch kranke Erwachsene.
Ärztinnen und Ärzte wurden zu Kindergesundheit gefragt, mit welchen Beschwerden Kinder aus armutsgefährdeten Familien zu ihnen kommen. Das Ergebnis: Egal, ob es um schlechte Ernährung, Ängste, Krankheiten oder psychische Probleme geht – arme Kinder sind stärker betroffen als Kinder aus finanziell stabilen Familien.
Jeder zweite Befragte gab an, dass Kinder aus armen Familien häufiger ärztliche Hilfe benötigen und dass sich diese Kinder weniger gesund und leistungsfähig fühlen.
4 von 5 ÄrztInnen erkennen zudem, dass diese Kinder häufiger an mangelnder Fitness leiden, sich schlechter konzentrieren können und vermehrt müde, nervös, aggressiv oder sogar depressiv sind.
Diese Beschwerden ziehen sich bis ins Erwachsenenalter fort und erschweren auch da den Alltag. Chronische Krankheiten sind bei ärmeren Erwachsenen ebenfalls stärker verbreitet. Armut bedeutet auch schlechte Wohnbedingungen und in der Regel auch eine kürzere Lebenserwartung.
Das Robert Koch-Institut hat untersucht, wie groß der Unterschied in der Lebenserwartung von Männern und Frauen ist, wenn sie an bzw. unterhalb der Armutsgrenze leben. Das Ergebnis: Arme Männer haben eine Lebenserwartung von 70,1 Jahren, wohlhabende Männer von 80,9 Jahren. Bei Frauen liegen die Zahlen bei 76,9 Jahren und 85,3 Jahren. Das ergibt eine Differenz in der Lebenserwartung von etwa 10 Jahren.
Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres kommt zu dem Schluss, setzt aber schon bei den Kindern an. Man kann schon bei Kindern davon ausgehen, dass Armut die Lebenserwartung verkürzt:
„Kinder, die in Armut leben, erkranken öfter, zeigen vermehrt Störungen in ihrer Entwicklung, erkranken häufiger psychisch, neigen durch schlechtere Ernährung vermehrt zu Adipositas und anderen Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Haltungsschäden, sterben um 5 bis 8 Jahre früher als die Durchschnittsbevölkerung und sind stärker suizidgefährdet.“ (Thomas Szekeres, Ärztekammer-Präsident)
500 Ärztinnen und Ärzte befragt |
Die Volkshilfe hat gemeinsam mit der Ärztekammer eine Umfrage unter Ärzten und Ärztinnen in Wien und Niederösterreich durchgeführt. Im Studienzeitraum Juni bis September 2019 haben 500 MedizinerInnen an der Online-Befragung teilgenommen. Ausgewertet wurde die Umfrage von SORA. |
Arme Kinder kämpfen häufiger mit Übergewicht. Fast alle befragten ÄrztInnen bestätigen das. Ein Grund ist, dass Familien zu wenig Geld haben, um sich frische, gesunde Lebensmittel zu leisten. Wichtiger ist, dass Essen günstig ist und ausreichend satt macht. Da greifen Familien notgedrungen oft auf Fertigprodukte zurück. Die enthalten jedoch meist zu viel Salz, Fett und Zucker. Das hat stark negative Auswirkungen auf die Kindergesundheit.
Mehr Beratung über Ernährung finden die ÄrztInnen zwar sinnvoll, das reicht aber nicht aus. Kinder müssen mehr gesundes Essen angeboten bekommen – etwa öfter eine „gesunde Jause“ oder Bio-Essen an Schulen.
Genauso ist es mit der Losung „mehr Sport zu machen“. Freizeit und Sport kosten oft Geld: ein Fahrrad ist für viele unerschwinglich, ein Schimmkurs zu teuer und die Mitgliedschaft im Fußballverein kann man sich nicht leisten.
Die ÄrztInnen schlagen daher vor, in kostenlose Freizeitangebote für Kinder zu investieren. Das würde ihnen nicht nur gesundheitlich nützen, sondern auch sozial: Sie könnten ihre Freundinnen und Freunde sehen und müssten keine Ausreden suchen, warum sie den Nachmittag nicht gemeinsam verbringen können.
Nina P. ist selbst in armen Verhältnissen aufgewachsen. Sie weiß, was das mit Kindern macht, wenn sie nicht ständig Ausreden erfinden müssen.
„Da geht’s zum Beispiel um Schulausflüge, um das Eis nach der Schule, das nicht drin ist. Oder den Kinofilm, den die anderen sehen können und du nicht. Als Kind fühlt man sich einfach ausgeschlossen. Als Erwachsener kann man sich das noch eher erklären und damit umgehen, warum man verzichten muss. Aber als Kind versteht man das nicht.“
Armut und soziale Ungleichheit heißt nicht nur: Der eine kann sich einen Mercedes leisten und der andere nur einen Opel. Armut entscheidet darüber, wie gesund Menschen sind und wie lange sie leben. Soziale Ungleichheit kostet den Armen Jahre ihres Lebens – auch Kindern, die später einmal nicht mehr arm sind. Denn Existenzängste, Stress und zu wenig Geld bedeuten ungesünderes Essen und eine Dauerbelastung für den Körper. Und am Ende eine kürzere Lebenserwartung.
Um diesen Teufelskreis zu stoppen, fordert die Volkshilfe eine Grundsicherung für Kinder. Laut Erich Fenninger reichen zwei Milliarden Euro aus, um in Österreich 2 von 3 Kinder aus der Armut zu holen. Kinderarmut in Österreich, das darf in der Zukunft nicht mehr existieren.
Das Modell der Kinder-Grundsicherung im Überblick |
Die Volkshilfe schlägt vor, dass jedes Kind 200 Euro im Monat erhält – im Gegenzug fallen Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag weg. Gestaffelt nach Haushaltseinkommen bekommen Familien zusätzlich Geld – maximal 425 Euro pro Kind. Das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung bewertet dieses Modell als treffsicher und kommt zum Schluss, dass es die Kinder- und Jugendarmut um zwei Drittel verringern würde. |
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