Internationales

Internationale Gewerkschaften fordern: Konzerne müssen auch im Ausland haften

Vor 10 Jahren ereignete sich die schwerste Katastrophe in der Geschichte der Textilindustrie – über 1.100 Arbeiter:innen starben beim Einsturz einer Fabrik in Bangladesch. Seitdem gab es nur wenige Verbesserungen. Denn ein Gesetz, das Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette effektiv schützt, fehlt bis heute: Die EU will Konzerne zwar zur Verantwortung ziehen, aber das sogenannte Lieferkettengesetz hat große Lücken. Über 100 NGOs und Gewerkschaften fordern jetzt Nachschärfungen, schreibt Bettina Rosenberger vom Netzwerk Soziale Verantwortung in ihrem Gastbeitrag.

Bei dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza (Bangladesch) im April 2013 kamen über 1.100 Arbeiter:innen ums Leben, weit über 2.000 wurden verletzt. Rana Plaza gilt als die schwerste Katastrophe in der Geschichte der Textilindustrie. In der Fabrik ließen u.a. Inditex, der Mutterkonzern von ZARA, Primark und C&A produzieren. Doch auch 10 Jahre später stehen prekäre und gefährliche Arbeitsbedingungen für viele Arbeiter:innen gerade in der Textilindustrie noch immer an der Tagesordnung. Damit muss Schluss sein! Wir brauchen ein Lieferkettengesetz, das Menschen und die Umwelt in den Mittelpunkt stellt und Konzerne zur Verantwortung zieht!

ÖVP-Minister Kocher gab Industrielobby nach

In ganz Europa mobilisieren NGOs und Gewerkschaften derzeit für ein EU-Lieferkettengesetz, das sicherstellt, dass Unternehmen für Menschenrechte, die Umwelt und das Klima entlang ihrer globalen Lieferketten Verantwortung übernehmen müssen. Im Februar 2022 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag dafür, im Dezember folgte die Position des Rates. Wirtschaftsminister Martin Kocher hat sich für Österreich bei der Entscheidung enthalten und damit dem Druck der Industrie- und Finanzlobbyist:innen nachgegeben.
Sowohl der Vorschlag der EU-Kommission, als auch die Position des Rates beinhalteten darüber hinaus zahlreiche Schlupflöcher, die die geplante Richtlinie einschränken könnten.

Gewerkschaften werden unterdrückt

Gerade die Bekleidungsindustrie, in der besonders viele Frauen arbeiten, zeigt den dringenden Handlungsbedarf auf. Wie zahlreiche Berichte der Clean Clothes Kampagne darlegen, bekommen viele Arbeiter:innen oft nicht mal den jeweiligen Mindestlohn bezahlt. Doch selbst wenn sie diesen bezahlt bekommen, reicht es nicht zum Auskommen, da es sich hierbei nicht um existenzsichernde Löhne handelt. Ebenso gibt es in der Bekleidungsindustrie immer wieder Fälle, in denen die Arbeit der Gewerkschaft eingeschränkt wird. Die zu geringen Löhne führen dazu, dass Arbeiter:innen in menschenunwürdigen Unterkünften wohnen müssen und keine Arztkosten zahlen können, da sie bereits an der Armutsgrenze leben.

Fabrik eingestürzt – trotz TÜV-Prüfung

Die Katastrophe von Rana Plaza stellt nur die Spitze des Eisberges dar. Im September 2022 jährte sich ebenfalls zum 10. Mal der Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi (Pakistan). Bei dem Brand am 11. September 2012 starben über 250 Arbeiter:innen. In der Fabrik wurden vorrangig Waren für KiK produziert.

Untersuchungen stellten im Nachhinein massive Sicherheitslücken fest: viele Fenster waren vergittert, die Notausgänge waren verschlossen und nur eine Tür des Gebäudes war offen.

Beide Fabriken waren zertifiziert: Die Textilfabrik Ali Enterprises wurde mit dem SA 8000 Standard zertifiziert und die Auditierung der Textilfabrik Rana Plaza wurde von TÜV Rheinland durchgeführt.
Das EU-Lieferkettengesetz muss daher menschenrechtliche, umweltbezogene und klimabezogene Sorgfaltspflichten beinhalten. Nur mit verbindlichen Sorgfaltspflichten kann sichergestellt werden, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, Risikoanalysen durchzuführen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

Kaum Entschädigungen für Betroffene

Beide Fälle zeigten zudem klar auf, wie schwierig es für Betroffene und Angehörige war Entschädigungen zu bekommen. Nach Rana Plaza hat es fast zwei Jahre gedauert bis Überlebende und Angehörige der Verstorbenen Entschädigungen aus einem Fonds erhielten. Die Beiträge wurden von Konzernen, die in die Katastrophe involviert waren, auf freiwilliger Basis finanziert. Die vom Fonds ausgezahlten Entschädigungsbeträge waren jedoch äußerst gering: Die hinterbliebenen Familien der Todesopfer erhielten knapp 10.000 Euro.

Überlebende der Katastrophe, die aufgrund der Schwere ihrer Verletzungen arbeitsunfähig wurden, bekamen etwa 1.800 Euro.

Dies reichte, wenn überhaupt, gerade dazu, um ihre direkten medizinischen Behandlungskosten zu decken. Nach der Brandkatastrophe in der Fabrik Ali Enterprises versuchten Überlebende und Angehörige der Verstorbenen jahrelang vor dem Dortmunder Landesgericht, Entschädigungen von KiK einzuklagen. Doch nach pakistanischem Recht, das in diesem Fall zur Anwendung kam, war der Anspruch schon nach kurzer Zeit verjährt. Nach deutschem Recht wäre der Fall noch nicht verjährt gewesen.

Unternehmen sollen nachweisen müssen, dass sie sich an die Regeln halten

Der sogenannte KiK-Fall zeigt deutlich, dass die Perspektive von Betroffenen im Mittelpunkt des EU-Lieferkettengesetzes stehen muss. Nur mittels einer zivilrechtlichen Haftung kann gewährleistet werden, dass Betroffene auch entschädigt werden. Reine Strafzahlungen gehen an den Staat und stellen keine Abhilfe für Betroffene dar. Darüber hinaus darf die Beweislast nicht allein auf den Schultern der Betroffenen liegen. Es braucht eine Umkehr, sodass Unternehmen nachweisen müssen, dass sie sich an die Regeln halten. Die Bausteine für ein effektives Lieferkettengesetz bestehen aus einer zivilrechtlichen Haftung sowie menschenrechtlichen, umweltbezogenen und klimabezogenen Sorgfaltspflichten. Nur ein effektives Lieferkettengesetz schafft ein Fundament für sichere Textilfabriken!

Europaweite Kampagne will effektiveres Gesetz durchsetzen

Damit sich Rana Plaza nie wieder wiederholt, braucht das EU-Lieferkettengesetz klare Nachschärfungen. Ende April hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments seine Position beschlossen, am 1. Juni wird das EU-Parlament über das EU-Lieferkettengesetz abstimmen. Danach beginnen die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Vertreter:innen der EU-Kommission, des Rates und des EU-Parlaments. Der Kampf um ein starkes EU-Lieferkettengesetz ist noch lange nicht vorbei. Über 100 NGOs und Gewerkschaften mobilisieren daher im Zuge der europaweiten Kampagne „Gerechtigkeit geht alle an!“ für ein EU-Lieferkettengesetz, das Menschen- und Arbeitsrechte, die Umwelt und das Klima effektiv schützt.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1631 Stimme
    58% aller Stimmen 58%
    1631 Stimme - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 434 Stimmen
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    434 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 346 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    346 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 254 Stimmen
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    254 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 133 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    133 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2798
12. März 2024
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