Europa

Lohndumping auf jeder 4. ausländischen Baustelle: Wer ein schärferes Vorgehen blockiert

Jede vierte ausländische Baufirma zahlt ihren Arbeitern in Österreich weniger als vorgeschrieben. Arbeitnehmer aus osteuropäischen Länder bekommen oft nur ein Drittel des Lohns, der ihnen laut Kollektivvertrag zusteht. Das drückt das Lohnniveau in Österreich und schadet der heimischen Wirtschaft. Ursachen sind zu wenige Prüfer auf Österreichs Baustellen und die Mängel der Entsenderichtlinie.

Profit auf Kosten der Mitarbeiter

Werden heimische Arbeits- und Sozialstandards unterlaufen, bedroht das heimische Betriebe und ArbeitnehmerInnen in Bezug auf das Lohnniveau: Wenn ausländische Firmen Arbeiter um 3 Euro die Stunde am Bau beschäftigen, drückt das die Löhne aller in der Baubranche. Firmen, die sich an die Vorschriften halten, sind unfairem Wettbewerb ausgesetzt – der zwingt sie in grenznahen Gebieten oft zur Aufgabe.

Damit die Bewegungsfreiheit in der EU nicht auf Kosten der ArbeitnehmerInnen geht, braucht es gesetzliche Regelungen und Kontrollen. Österreich hat bereits eines der schärfsten Gesetze gegen Lohn- und Sozialdumping in Europa: Entsendungen ausländischer Arbeitskräfte nach Österreich müssen gemeldet und die ausbezahlten Löhne behördlich überprüft werden. Kontrolliert wird von den Gebietskrankenkassen, der Finanzpolizei und der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse.

Prüfungen wirken präventiv

Und da ist das Problem: Die Prüfstellen klagen über Personalmangel und zu wenig Kompetenzen. Die Prüfer halten nicht mit den steigenden  Entsendungen mit: Waren 2016 166.000 entsendete ArbeiterInnen in Österreich tätig, sind es im ersten Halbjahr 2017 bereits 90.639 – das ist ein Anstieg von 16,3 Prozent.

Die Finanzpolizei kontrolliert nur ausländische Unternehmen und verfügt über rund 500 PolizistInnen. Sie führen nicht nur Baustellenkontrollen durch, sondern untersuchen auch das Glücksspiel oder Steuerhinterziehung. Personell bewegt sich die Finanzpolizei am Limit, eine Aufstockung ist dringend notwendig.

Der Leiter der Finanzpolizei Region Süd, Rigoberto Rainer wünscht sich regelmäßige Kontrollen von Firmenfahrzeugen an der Grenze:

„Drei bis vier Mal im Monat von fünf bis acht Uhr früh. Das ist ein klares Signal.“ Denn: Unternehmen halten sich an die Vorschriften, wenn sie fürchten erwischt zu werden – dazu reicht das Personal nicht aus.

Schelling stockt Finanzpolizei nicht auf – trotz Regierungsbeschluss

Dabei hätte Finanzminister Schelling den Auftrag, die Finanzpolizei aufzustocken. Im Paket zur Steuerreform findet sich die Bekämpfung von Sozialbetrug als ein Instrument zur Gegenfinanzierung – dazu soll die Finanzpolizei aufgestockt werden, so der Regierungsbeschluss. Tatsächlich macht Schelling das Gegenteil und baut FinanzpolizistInnen sukzessive ab.

Die zweite Prüfstelle, die Bauarbeiter-Urlaubs und Abfertigungskasse (BUAK) wird gerade aufgestockt. Bisher prüften nur 18 Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen auf heimischen Baustellen, bis 2019 sollen es immerhin 45 sein. Die Kosten trägt der Bund.

Seit Jänner 2017 gib es mehr Prüfer – und das zahlt sich aus: 58 Firmen wurden heuer bereits belangt, insgesamt waren 554 Mitarbeiter betroffen. Dabei sind ausschließlich Firmen im Ausland erwischt worden, nur ein einziges österreichisches Unternehmen ist darunter.

ÖVP gegen Ausweitung von Kontrollen

Doch die BUAK ist in ihrer Prüfkompetenz eingeschränkt, sie darf nicht alle Betriebe auf einer Baustelle prüfen – Maler, Installateure und Elektriker sind etwa ausgenommen. Das wollte man mit der BUAK-Novelle im Herbst 2016 ändern: Die BUAK sollte alle Betriebe auf einer Baustelle prüfen können, was den Prüfaufwand erheblich erleichtert hätte.

Die ÖVP hat diesen Vorschlag abgelehnt, aus Angst österreichischen Unternehmen zu schaden. Das Sozialministerium hat eingelenkt und angeboten, die BUAK-Kontrollen auf ausländische Betriebe einzuschränken – doch auch das hat die ÖVP verhindert. Trotz scharfer Gesetze mangelt es daher weiterhin an effektiven Kontrollen.

Reform der Entsenderichtlinie

Auf europäischer Ebene gibt es Initiativen, um die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland neu zu gestalten.

„Die Funktionsweise der Arbeiterentsendung schwächt die Europäische Union, und sie nährt die Extreme“, sagt etwa der französische Präsident Macron.

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern hat Macron zu einem Treffen in dieser Frage nach Salzburg eingeladen. Gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei soll eine Reform der Entsenderichtlinie verhandelt werden.

Die Entsende-Richtlinie aus dem Jahr 1996 ermöglicht es Firmen, ihre ArbeitnehmerInnen innerhalb der Union für die Erfüllung von Aufträgen zu entsenden – das passiert vor allem in der Bauwirtschaft. Die entsendeten Arbeiter müssen zwar nach den Lohn- und Arbeitszeitvorschriften des Ziellandes beschäftigt werden, ihre oft geringeren Sozialabgaben werden aber im Heimatland abgeführt. Die dadurch entstehenden Unterschiede in der Bezahlung bringen für heimische Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil.

Wer sind die Gegenspieler?

Der Grundsatz  „Gleiche Arbeit am gleichen Ort soll auch den gleichen Lohn bringen“ soll in der überarbeiteten Entsenderichtlinie dazu führen, dass entsandte ArbeitnehmerInnen nicht nur den kollektivvertraglich vorgesehen Grundlohn, sondern auch alle anderen Lohnbestandteile (Zulagen, Zuschläge) erhalten. Noch nicht einig ist man sich, wann eine Entsendung enden muss – das heißt, ab wann für auslädnische Arbeitnehmer das gesamte Arbeitsrecht des Ziellandes zur Anwendung kommen musss. Im Vorschlag der Kommission ist dafür eine Frist von 24 Monaten vorgesehen, Österreich spricht sich für 6 Monaten aus, Frankreich für 12 Monate.

Gegenspieler sind große Konzerne und Unternehmen, die mit Sozialdumping ihren Profit machen. Auch die osteuropäischen Staaten waren bislang gegen eine Verschärfung der Richtlinie, weil es ihre Unternehmen sind, die von Dumpinglöhnen profitieren. Für Bundeskanzler Kern ist es „extrem unbefriedigend“, dass das Thema seit über einem Jahr „offen am Tisch“ liegt. Die EU-Kommission unter Jean Claude Junker hat jetzt einen Änderungsvorschlag auf den Tisch gelegt.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1621 Stimme
    58% aller Stimmen 58%
    1621 Stimme - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 341 Stimme
    12% aller Stimmen 12%
    341 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    131 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2774
12. März 2024
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