Europa

Nordmazedonien: EU Beitritt oder Rückkehr zum Nationalismus

Nordmazedonien ist ein leuchtendes Beispiel am Westbalkan: Seit der Sozialdemokrat Zoran Zaev die Regierung übernommen hat, hat er Korruption bekämpft, Mindestlöhne und Pensionen erhöht und will die Kinderarmut beenden. Um der EU beitreten zu können hat er mit Griechenland den jahrzehntelangen Namensstreit beendet – sein Land heißt jetzt Nordmazedonien. Dennoch verhindert Frankreich den Start von Beitrittsverhandlungen. Wenn die EU keine Verhandlungen mit uns startet, „droht Nordmazedonien die Rückkehr in den Nationalismus“, warnt Zaev bei seinem Besuch im Renner Institut in Wien.

Zoran Zaev trägt die Narbe mit Stolz, die ihm die Schläger der Nationalisten 2017 im Parlament zugefügt haben. Die rechtskonservative VRMO-DPMNE wollte damals verhindern, dass der Sozialdemokrat Premier von Mazedonien wird. Zu Recht fürchteten sie, für ihre Kriminalität und Korruption zur Rechenschaft gezogen zu werden. Als die Extremisten das Parlament stürmten, verteidigte er albanische Abgeordnete – und sie ihn. Zaev blutete an der Stirn und ist auf Bildern mit blutgetränktem Hemd zu sehen.

Doch Zaev hat mit seinen Sozialdemokraten gewonnen, jetzt ist er Ministerpräsident Nordmazedoniens. Er ist mit einer Regenbogenkoalition aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Parteien angetreten – gegen die Einschüchterung und Gewalt der regierende Partei VRMO-DPMNE. Sie wollen Mazedonien von der Korruption befreien und in eine bessere Zukunft führen. Sein Vorgänger  Nikola Gruevski ist vor einer Haftstrafe nach Ungarn geflohen – unterstützt vom ungarischen Geheimdienst.

„Wir haben mit viel Geduld gegen das Regime gekämpft. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und allen demokratischen Kräften haben wir das Land zurück geholt“, sagt Nordmazedoniens Regierungschef Zaev im Renner Institut.

Seither macht Zaev Mazedonien zu einem Land der Hoffnung: Seine Regierung hat die höchsten Mindestlöhne im Westbalkan eingeführt und den jahrzehntelangen Namensstreit mit Griechenland beendet. In der Regenbogenkoalition arbeiten Sozialdemokraten mit nationalen und anderen Minderheiten des Vielvölkerstaates zusammen. Zaev ist es gelungen, eine progressive Mehrheit im Lande zusammenzufügen, die mehr und mehr an Stabilität gewinnt. Anfangs gab es viele Skeptiker, doch mittlerweile sind sich alle bis zu den Spitzen der EU einig: Nordmazedonien ist das Vorzeigeland des Westbalkans.

„Es gibt kein Glück, wenn Kinder auf der Straße leben“

Auch bei den Präsidentenwahlen im Mai hat ein Sozialdemokrat gewonnen, trotz einer nationalistischen Angstkamapagne der VRMO-DPMNE. Zaevs Partei ist bei Umfragen die stärkste Partei in Nordmazedonien.

„Soziale Werte müssen unsere Zukunft antreiben, keine nationalistischen Werte“, sagt Zaev. „Denn es gibt kein Glück in der Gesellschaft, wenn Kinder auf der Straße leben und unter Brücken schlafen. Wir wollen Schulen für sie, wir wollen höhere Löhne für ihre Eltern“.

Sozialdemokraten haben Mindestlohn und Pensionen erhöht

Zaevs Regierung hat seit Regierungsantritt bereits zum zweiten Mal den Mindestlohn erhöht. Er liegt jetzt bei umgerechnet 250 Euro, soll im nächsten Schritt auf 280 steigen. „Das ist der höchste Mindestlohn im ganzen Westbalkan“, sagt Zaev stolz. Auch Ausnahmen vom Mindestlohn hat Zaevs Regierung gestrichen, so dass auch schlecht qualifizierte Textilarbeiterinnen den Mindestlohn bekommen. Für 15 Prozent der Nordmazedonier sind die Löhne dadurch unmittelbar gestiegen, wie eine Studie der ILO zeigt.

Zaevs Regierung hat die Sozialleistungen um 300% aufgestockt, die Pensionen erhöht und gibt 12 Mal mehr Geld für arme Kinder aus. Er will ein Ende der Kinderarmut, jetzt bekommen 85.000 Kinder finanzielle Unterstützung vom Staat.

„Dazu nehmen wir keine Kredite auf, wir machen das mit unserem eigenen Geld“, betont Zaev. Und tatsächlich hat sich das Defizit unter Zaev mehr als halbiert und liegt bei gerademal -1,1 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit ist zwar um 10 Prozent gesunken, liegt aber noch immer bei 20,7 Prozent. Nach Mazdonien fließen aktuell 540 Mio. ausländische Direktinvestitionen, die meisten davon kommen aus Österreich. Mazedonien hatte lange Jahre mit fehlenden Investitionen zu kämpfen.

„Wenn wir das Geld den Menschen geben, geben sie es wieder aus“

Zaevs Vorbilder sind die Sozialdemokraten in Portugal und Spanien. Sie gewinnen Wahlen, erhöhen die Löhne und bauen den Sozialstaat aus. Wie sie will er den Menschen in seinem Land vor allem Hoffnung geben.

„Wenn wir das Geld aus dem Budget den Menschen geben, geben sie es wieder aus – und zahlen Steuern. Das erhöht die Stabilität im Land“, erklärt Zaev.

Doch anders als seine südeuropäischen Kollegen hat Zoran Zaev nicht nur soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Nordmadzedonien litt unter Korruption, sein Vorgänger setzte Medien unter Druck und ließ Oppositionelle abhören. Die sozialdemokratische Regierung muss das Justizsystem und den Sicherheitsapparat reparieren. Zaev beautragte unabhängige Kommissionen der Zivilgesellschaft mit der Korruptionsbekämpfung und setzt auf Transparenz.

Der nordmazedonische Ministerpräsident Zoran Zaev bei seinem Besuch im Renner Institut in Wien.

„Wir wollen in die EU, dafür haben wir sogar unseren Namen geändert“

„Aktuell sind wir das leuchtende Beispiel im Kampf gegen Korruption“, sagt Zaev. Auch der Länder-Report der EU-Kommission ist ausnahmslos positiv. Zaevs Regierung hat nicht nur alle ethnischen Gruppen zusammengebracht, er hat auch den jahrzehntelangen Namensstreit mit Griechenland gelöst. Er akzeptierte den Namen „Republik Nordmazedonien“ für sein Land.

„Das machen wir alles, weil wir in die EU wollen. Dafür haben wir sogar unseren Namen geändert“, beteuert er voller Hoffnung. Gerade hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien eingelgt. Doch die nordmazedonische Regierung hofft weiter. „Ich glaube der EU, dass sie ihr Versprechen hält und Beitrittsverhandlungen beginnt. Sonst droht die Rückkehr in den Nationalismus“, fürchtet der Ministerpräsident. 27 Länder sind für die Beitrittsverhandlungen, nur Frankreich ist dagegen – es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Beitrittsgespräche doch bald aufgenommen werden.  

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1607 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1607 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 423 Stimmen
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    423 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 337 Stimmen
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    337 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 252 Stimmen
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    252 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 129 Stimmen
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    129 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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Patricia Huber

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