Frauen & Chancengleichheit

Die Abgeordneten der FPÖ: Mehr Deutschnationale als Frauen – Warum eigentlich?

20 der 51 FPÖ-Abgeordneten gehören Burschenschaften bzw. Mädelschaften an. Dabei machen Burschenschafter gerade einmal 0,04% der Bevölkerung in Österreich aus. Sie vertreten ein deutschnationales Weltbild und dienen den Freiheitlichen als Kaderschmiede. Brigitte Bailer, ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands fasst die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von Burschenschaftern zusammen.

Burschenschaften und die FPÖ eint das Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“, das heißt zur Auffassung, deutschsprachige Österreicher und Österreicherinnen seien Teil des deutschen Volkes. Das steht offen im Handbuch Freiheitlicher Politik. Allerdings wird es propagandistisch durch den von Jörg Haider aus wahltaktischen Überlegungen aufgesetzten Österreich-Patriotismus übertüncht. So kommt es zur paradoxen Situation, dass Deutschnationale bei Wahlveranstaltungen ein Meer österreichischer Fahnen inszenieren.

„Arierparagraph“ und NSDAP-Funktionäre in den eigenen Reihen

Die Wurzeln der Burschenschaften reichen zurück ins 19. Jahrhundert. In dessen letztem Viertel haben sie sich der radikal deutschnationalen und antisemitischen Richtung um Georg Heinrich Ritter von Schönerer angeschlossen. Bald wurde ein „Arierparagraph“ eingeführt, als Folge wurden jüdische Studenten ausgeschlossen.

Der erstarkende Nationalsozialismus in Österreich übte auf die Burschenschafter beträchtliche Attraktivität aus. So verwundert es nicht, dass sich unter NSDAP-Mitgliedern und unter nationalsozialistischen Verbrechern zahlreiche Burschenschafter befanden. Einer der bekanntesten ist Ernst Kaltenbrunner, ab 1943 Chef des Reichssicherheitshauptamtes. Er war verantwortlich für die Ermordung eines großen Teils der europäischen Jüdinnen und Juden. Seine Burschenschaft Arminia Graz widmete ihm eine – bis heute vorhandene – Gedenktafel.

Die Erzählung, Burschenschaften wurden unter dem NS gewaltsam abgeschafft, ist ein Mythos. Tatsächlich haben sich die Burschenschaften in Österreich 1938 feierlich selbst aufgelöst und wurden in den NS-Studentenbund überführt.

Die nach 1945 wieder gegründeten Burschenschaften, die Freiheitlichen Akademikerverbände und deren Magazin Die Aula (seit 1950) formierten fortan den Kern des organisierten österreichischen Rechtsextremismus.

Flügelkämpfe in der FPÖ

In den 1960er Jahren leitete Friedrich Peter aus taktischen Gründen eine liberale Ausrichtung der FPÖ ein. Das führte zu wachsenden Konflikten im deutschnationalen Spektrum. Sie fanden u.a. ihren Ausdruck in der Abspaltung der Nationaldemokratischen Partei (NDP) unter Norbert Burger. Burger war Mitglied der Olympia, also jener Burschenschaft, der heute noch prominente FPÖ-Funktionäre und Nationalräte angehören, wie zum Beispiel Martin Graf oder Harald Stefan. Die NDP wurde übrigens 1988 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung aufgelöst. Burger war als Person längere Zeit prägend für FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache.

Burschenschafter inthronisieren Haider

Es waren auch Burschenschaften sowie die Kreise um die Aula, die 1986 den Putsch gegen den damaligen Obmann Norbert Steger massiv unterstützten und die Inthronisierung Jörg Haiders, selbst Burschenschafter, herbeiführten. Organsierte Rechtsextreme und Neonazis riefen daher bei den Nationalratswahlen 1986 dazu auf, den Haider-Flügel durch Vorzugsstimmen zu stärken.

Später kühlte das Verhältnis wegen Haiders Verleugnung seiner deutschnationalen Wurzeln und wegen seiner Installierung einer jungen männlichen Funktionärselite („Buberlpartie“) wieder ab. Trotzdem fanden sich Burschenschafter in führenden Positionen unter der von Haider und Wolfgang Schüssel etablierten schwarzblauen Koalition.

Mehr Korporierte unter Strache

Mit der Übernahme der Obmannschaft durch Strache 2005 wurde ein erneuter Rechtsruck der FPÖ eingeleitet. Strache, selbst Mitglied der Pennälerverbindung Vandalia Wien, griff zunehmend auf Burschenschafter als Personalreserve zurück.

2017 gehören 20 der 51 FPÖ-Nationalratsabgeordneten völkischen Verbindungen an [1]. Das ist der historische Höchststand seit dem ersten Wahlantritt der FPÖ 1956. Demgegenüber gibt es im Parlamentsklub der FPÖ lediglich 11 Frauen. Es ist wahrscheinlicher, mit „Schmiss“ im Gesicht [2] in der FPÖ Karriere zu machen als als Frau.



(Zu den Zahlen: Schätzungen gehen davon aus, dass es etwa 4.000 Männer in schlagenden, also deutschnationalen Verbindungen in Österreich gibt.)

Straches Politik, wie auch seine Annäherung an rechte Kreise in Israel, riefen immer wieder Kritik hervor, diese hatten jedoch kaum längerfristige Wirkung. Unter Strache nahm die FPÖ auch das deutschnationale Bekenntnis ins Parteiprogramm auf – unter Haider war es aus taktischen Gründen entfernt worden.

Wie nützen Burschenschafter der FPÖ?

Burschenschafter erfüllen für die FPÖ wichtige Funktionen:

  • Burschenschafter stellen eine wesentliche Personalreserve für leitende Positionen dar. Nicht zufällig sind mehr als die Hälfte der Koalitionsverhandler auf freiheitlicher Seite Korporierte, also Mitglieder von Burschenschaften.
  • Burschenschafter stellen das ideologische Rückgrat der FPÖ. Völkisches Gedankengut, ein reaktionäres Frauenbild, die Ablehnung und Ausgrenzung aller „Fremden“ sowie die Auffassung, dass der Wert des Einzelnen nur durch seine Funktion für das „Volk“ bzw. die „Volksgemeinschaft“ bemisst wird, sind nur einige der Ideologieelemente, die Burschenschaften und die FPÖ teilen.
  • Burschenschafter sind das Bindeglied zwischen der FPÖ und den Kreisen um die Aula oder rechtsextremen Organisationen wie der Österreichischen Landsmannschaft. Sie binden also einen kleinen, aber gefestigten wesentlichen Teil der Wähler- und Anhängerschaft konsequent an die FPÖ.

Strache wird daher auf verschiedenen Ebenen auf dieses Reservoir zurückgreifen.

Fußnoten

[1] Bei Mädelschaften handelt es sich um eine Parallelstruktur zu den ausschließlich auf das Männerbundprinzip beruhenden Burschenschaften, allerdings mit anderen Ritualen und Regeln

[2] Als „Schmiss“ bezeichnet man die Verletzung und später Narbe nach einem Fechtkampf zwischen Burschenschaftern.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1664 Stimmen
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    1664 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 443 Stimmen
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    443 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 351 Stimme
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    351 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 267 Stimmen
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    267 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
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    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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