Im zweiten Corona-Weihnachten knackt die Post ihren Paket-Rekord aus dem Vorjahr. Mit bis zu 2 Mio. Paketen pro Tag rechnet der Konzern im Dezember. Das wär ein gewaltiger Sprung von den 1,3 Mio. Paketen 2020. Der Konzern hat Ende November versprochen 1.500 weiter Mitarbeiter anzustellen, doch er setzt auch weiterhin auf Leiharbeiter und Subfirmen – nicht nur um diese Spitze abzufedern. Nötig wurde das, weil die Post im letzten Jahrzehnt jeden fünften Mitarbeiter eingespart hat. Doch all das reicht kaum: die Postler müssen jetzt trotzdem an ihre Grenzen gehen.
Ein einzelner Postler stellt derzeit bis zu 300 Pakete am Tag zu. Ein Paket kann dabei bis zu 30 Kilo wiegen. Bei einem Krisengipfel habe das Management nun zugesagt, 1.500 neue Mitarbeiter einzustellen. Doch die Post arbeite seit Jahren mit vielen Leiharbeitern – einige werden überhaupt erst über Sub-Firmen angestellt. Bereits im Sommer 2020 deckte ein Corona-Cluster auf, dass große Teile der Mitarbeiter in den Verteilungszentren der Post Leiharbeiter sind. Der Konzern begründet das auch damals mit dem Mehraufwand – in diesem Fall Corona-bedingt. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.
„Die Menge sprengt alle Vorstellungen“, sagt Manfred Hirnschall, Leiter des Post-Verteilerzentrums in Wien-Inzersdorf. 57 Prozent der Österreicher gaben bereits im November an, ihre Weihnachtseinkäufe auch via Internet zu erledigen. Der Lockdown im Advent befeuerte den Effekt wohl noch. Das Ergebnis: Allein die Post liefert mit 2 Millionen Paketen fast dreimal so viele wie vor der Corona-Pandemie aus. Die Postler sind Montag bis Sonntag im Einsatz, „freiwillig und auf Überstunden-Basis“, wie Hirnschall beteuert.
Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sehen das anders: Von 12- bis 13-Stunden-Schichten ist die Rede. Einzelne Postler liefern bis zu 300 Pakete am Tag aus. Überstunden sind zwar freiwillig, aber wenn zu viele zugeteilte Pakete nicht ausgeliefert würden, verliere man das Liefergebiet, erzählt ein Angestellter im Ö1-Morgenjournal. Bei der Gewerkschaft gehen täglich so viele Beschwerden ein wie noch nie.
Zwischen 2009 und 2019 hat die Post jeden fünften Mitarbeiter eingespart. Die Belegschaft schrumpfte von 25.000 auf 20.000 Mitarbeiter. Allein zwischen 2018 und 2019 sparte man bei den Löhnen über 30 Mio. Euro ein. Die Kosten für Fremdpersonal und Personalleasing sind in der Zeit um 25 Prozent gestiegen. Zwischen 2019 und 2020 wuchsen sie nochmals um rund ein Viertel. In absoluten Zahlen stiegen die Kosten von 19,0 Mio Euro auf 32,2 Mio. in 2020. Die Jahresabschlüsse beweisen aber, dass bereits vor Corona immer mehr Personal geliehen wurde.
Dabei boomt das Geschäft: Auch wenn der Briefverkehr seit Jahren zurückgeht, macht das das Paketgeschäft wieder wett. 2019 wurden 16 Millionen Pakete bzw. 7 Prozent mehr verschickt als noch im Jahr davor. Die Corona-Maßnahmen treiben den Paketversand nochmal in die Höhe. Bereits im Mai 2020 wurde so viel bestellt wie sonst zu Weihnachten, hieß es vom Konzern. Zu Weihnachten 2020 kam es zu einem historischen Rekord – der aber wohl dieses Jahr wieder schon wiedergeknackt wird.
Im Vorcorona Vergleich haben sich die Pakete verdreifacht, das Personal nicht annähernd. Die Anzahl der Beschäftigten ist 2019 zu 2020 nur um 0,9% (in Vollzeitäquivalenten) gestiegen. Von 17.205 auf 17.363. Sollten die versprochen 1.500 Kolleginnen tatsächlich in Vollzeit und im Konzern angestellt sein, käme man immer noch nur auf einen Personalsteigerung von 9 Prozent. „Was das für den einzelnen bedeutet, kann man sich vorstellen.“ Die Postler sind „psychisch und physisch“ am Ende, wie Gewerkschafter Helmut Köstinger im KONTRAST-Gespräch bestätigt. Er erhält täglich Beschwerden, „mehr als je zuvor“. Auch wenn die Post jetzt akut nachrüsten muss: Ein Mehr an Leiharbeit sei für Regelzeiten nicht die Lösung. Sub-Unternehmer werden nach zugestelltem Paket im Akkord bezahlt und arbeiten dadurch unter noch höherem Druck als die fest Angestellten.
Leiharbeiter in gelben Uniformen? Das hat mit dem Bild des Post-Beamten kaum etwas zu tun. Aber Beamte gibt es kaum mehr bei der Post. Spätestens seit der Umwandlung zu Post und Telekom Austria 1996 ist niemand mehr verbeamtet worden. Damals hat auch die Teilprivatisierung begonnen. Heute gehört die Post nur mehr zu 52,8 Prozent dem Staat Österreich (über die ÖBAG).
Bei der Post arbeiten hauptsächlich drei Gruppen: Einige wenige, die noch Beamte sind, ältere Kollegen mit dem alten Kollektivvertrag und der Rest mit dem neuen Kollektivvertrag von 2009. Dazu kommen in Spitzenzeiten, wie eben zu Weihnachten, noch Leiharbeiter.
Das war zumindest die längste Zeit so Usus, erklärt der Chef der Postgewerkschafter Köstinger. Denn in der Mitte des Jahres 2019 wurde das durch Corona-Fälle berühmt gewordene Verteilungszentrum Hagenbrunn eröffnet – 50 Prozent der Belegschaft waren und sind dort Leiharbeiter. Auch wenn die Österreichische Post laut der Arbeiterkammer noch die besten Löhne und Verträge in der Branche vorweisen kann und über innerbetriebliche Arbeitnehmervertreter verfügt, werden auch bei der teilstaatlichen Post etwa 25 Prozent der Pakete über externe Zusteller abgewickelt – im Jahresdurchschnitt. Zur Zeit liefern deutlich mehr externe die Weihnachtsgeschenke an die Haustüre.
Das System, Post-Zusteller als Scheinselbständige anzustellen, wird bei der Post immer wichtiger: „Der Druck auf Arbeitnehmer ist enorm, gerade für selbstständige Ein-Personen-Unternehmen, die mit ihrem eigenen Fahrzeug zustellen. Wenn sie die enormen Zustellmengen nicht schaffen, gibt es Strafsanktionen. Aufgrund der minimalen Margen, und da sie oft auf Pauschale fahren, schrammen sie ständig an der Insolvenz vorbei“, erklärt Susanne Bauer von der Arbeiterkammer Steiermark. Sie hat 2018 eine Studie über die Arbeit als Zusteller in der Steiermark durchgeführt.
„Seit der Teilprivatisierung wurde reguläres Personal im großen Stil abgebaut und durch Leiharbeitskräfte und Scheinselbstständige ersetzt“, sagt die Gewerkschafterin und Prekarisierungsexpertin Veronika Bohrn-Mena.
Am Ende der Subunternehmer-Kette stehen dann oft scheinselbstständige Postler, die im Akkord – also nach Ergebnis statt nach Arbeitszeit – Lohn bekommen und pro Paket etwa 43 Cent verdienen, so Bohrn-Mena. „In der Praxis heißt das: 150 Pakete pro Tag, sonst bekommen sie keine neuen Aufträge. Am Ende des Tages sind das 75 Euro und Schichten von 12-14 Stunden“, wie die Gewerkschafterin schildert. Wenn sie krank sind und nicht zur Arbeit kommen können, verdienen sie nichts.
Kein Wunder also, dass sie nicht selten auch krank zu Arbeit gingen. In Zeiten von Corona kommt es zu Clustern. An den Arbeitsverhältnissen hat sich aber bis heute nichts geändert.
Die Vorstände der Post sind die Spitzenverdiener der staatsnahen Konzerne. Im Jahr 2020 erhielten die Vorstände der Österreichischen Post AG laut Geschäftsbericht jeweils 2,4 Millionen Euro. Alleine das führt zu eine Wochengehalt von über 46.000 Euro. Mehr als ein Briefträger im Durchschnitt im Jahr verdient. Dabei kommen für die drei Vorstände eine Auszahlung aus dem aktienbasierten Vergütungsprogramm dazu. Insgesamt wurden aus dem Programm 7,5 Millionen ausgeschüttet.
Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…
Die Fraktion der sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) gewinnen trotz leichtem Minus die AK-Wahlen klar. In sieben…
2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…
Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…
Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…
In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…