Arbeit & Freizeit

Weniger Geld, weitere Anreise: ÖVP-Wirtschaftsbund will Schrauben bei Arbeitslosen anziehen

Ende April 2021 waren 433.443 Menschen auf Jobsuche, das AMS hatte 81.028 offene Stellen zu vermitteln. Auf einen Arbeitsplatz kommen fünf Arbeitslose. Der ÖVP-Wirtschaftsbund will trotzdem das Arbeitslosengeld von Langzeitarbeitslosen kürzen und sie zwingen, dass sie für ein Jobangebot in ganz Österreich mobil werden. 

Laut einem internen Papier aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund plant die Teilorganisation der ÖVP weitreichende Verschärfungen für Arbeitslose und Beschäftigte, wie die „Presse“ berichtete. Demnach sollen Langzeitarbeitslose mit einer Unterstützung von 40 Prozent des Letztgehalts abgespeist werden. Außerdem sollen sie im ganzen Bundesgebiet Stellen annehmen müssen.

Der einflussreiche Wirtschaftsbund ist eine Teilorganisation der ÖVP. Der Chef des Wirtschaftsbundes ist Harald Mahrer, der gleichzeitig Wirtschaftskammer-Präsident und enger Vertrauter von Kanzler Kurz ist.

Weniger Arbeitslosengeld, weitere Wege

Der Plan des Wirtschaftsbundes lautet, dass es zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr Arbeitslosengeld, etwa „zwei, drei Monate 70 Prozent vom Letztbezug“, geben soll. Damit das nicht mehr kostet als das aktuelle Modell, „müsste es also in den letzten Monaten auf 40 Prozent oder darunter gehen,“ sagte Kurt Egger, Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes, zur „Presse“. Die Grünen hatten sich einem solchen degressiven Modell gegenüber bereits aufgeschlossen gezeigt. Konkrete Zahlen gab es bisher noch keine.

Zusätzlich soll der Zuverdienst während der Jobsuche verboten werden. Aktuell liegt die Zuverdienstgrenze bei 476 Euro brutto pro Monat. Auch der Notstandshilfe will der Wirtschaftsbund an den Kragen. Nach den zwölf Monaten Arbeitslosengeld-Bezug soll die Notstandshilfe zeitlich begrenzt werden. Danach folgt die Sozialhilfe bzw. die Mindestsicherung. Wer die erhält, darf allerdings kaum etwas besitzen.

Auf der Wunschliste des Wirtschaftsbundes stehen außerdem längere Wege für Arbeitslose. Statt wie bisher eine Stunde sollen Menschen für eine Arbeitsstelle in Zukunft anderthalb Stunden vom Wohnort entfernt zur Verfügung stehen. Bei Menschen, die über ein Jahr auf Jobsuche sind, soll eine Zeitgrenze völlig entfallen.

„Teilkrankenstand“

Nicht nur Arbeitslose, auch Menschen in Beschäftigung will der Wirtschaftsbund in die Mangel nehmen. Erneut fordert die Organisation einen „Teilkrankenstand“. Wer krank ist, soll trotzdem arbeiten, so der Vorschlag. „Wir kennen in Österreich nur die Möglichkeit, entweder krank oder gesund zu sein“, beklagte Egger bereits im Oktober. Nicht jede Erkrankung müsse automatisch zum Krankenstand und damit zum Arbeitsausfall führen. Geht es nach dem Wirtschaftsbund, kann man trotz Krankheit oder Verletzung „eingeschränkt arbeitsfähig“ sein. „Die Entscheidung lautet dann nicht krank oder gesund, sondern beispielsweise: 50 Prozent arbeitsfähig, nur einfache körperliche Tätigkeit.“

Für GPA-Gewerkschaftsvorsitzende Barbara Teiber „zynisch“: „Wer krank ist, ist krank und soll nicht arbeiten gehen. Nicht einmal in einer weltumspannenden Pandemie ist dem Wirtschaftsbund der Wert der Gesundheit bewusst.“

Auf eine Stelle kommen fünf Arbeitslose

Für das Vorhaben hagelt es Kritik von der Opposition. Die SPÖ wirft der Regierungspartei ÖVP „soziale Kälte“ vor. „Die ÖVP hat kein Konzept gegen Arbeitslosigkeit. Derzeit kommt auf fünf arbeitssuchende Menschen nur eine offene Stelle: Angesichts dieses krassen Missverhältnisses muss man kein Raketenwissenschaftler sein, um draufzukommen, dass noch mehr Druck auf arbeitslose Menschen keinen einzigen Arbeitsplatz schafft“, rechnet SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch vor. Er erinnert bei der Gelegenheit daran, dass Pläne wie die Aktion 40.000, der Corona-Beschäftigungsbonus oder die Vier-Tage-Woche seit Monaten von der Regierung abgelehnt werden.

Auch der Koalitionspartner lehnt das ÖVP-Vorhaben ab: „Wer meint, in Zeiten der Krise, in denen ein Arbeitsplatzangebot auf fünf arbeitslose Menschen kommt, mit rein ideologiebegründeten Bestrafungsphantasien irgendein Problem lösen zu können, macht keine ernstzunehmende Politik und braucht sich nicht zu wundern, wenn er mit derartigen Absurditäten politisch baden geht“, sagte Markus Koza, Arbeits- und Sozialsprecher der Grünen.

Auch die FPÖ lehnt die Maßnahmen ab. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ist sich sicher, dass die ÖVP-Führung über „diese verheerenden Pläne“ ihres Wirtschaftsflügels Bescheid weiß.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1528 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1528 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 392 Stimmen
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    392 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 323 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    323 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 231 Stimme
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    231 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 119 Stimmen
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    119 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2593
12. März 2024
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Alina Bachmayr-Heyda

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