Die Beschäftigten der Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe streiken für die 35-Stunden-Woche. Damit soll der Pflegeberuf attraktiver und der Personalmangel in der Branche bekämpft werden. Die ÖVP will verhindern, dass die Arbeitszeitverkürzung im Sozialbereich zum Vorbild für andere Berufsgruppen wird und ihr Klubobmann mischt sich in die Verhandlungen ein. Ein großer Pflegekonzern, will von besseren Arbeitsbedinungen nichts wissen und plant stattdessen Marokkaner nach Österreich zu holen.
Die Beschäftigten der Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe streiken für die 35-Stunden-Woche. Wie wichtig ihnen diese Forderung ist, sieht man auch daran, dass sie die einzige Forderung bei den Kollektivvertragsverhandlungen ist. Und diese Arbeitszeitverkürzung ist dringend nötig:
Wer einen so fordernden Job wie die Pflege hat, schafft es kaum, Vollzeit zu arbeiten. Die Arbeit ist hart und setzt körperlich zu, die Einkommen sind nicht besonders hoch und Schichtdienste und Randarbeitszeiten machen den Beruf schwer für Menschen mit Kindern.
Darum arbeiten schon jetzt 70 Prozent der Angestellten in der Sozialbranche Teilzeit. Das führt aber zu deutlich schlechteren Löhnen und macht das Berufsfeld unattraktiv. Das hat sich zunehmend zum Problem entwickelt – alleine in den nächsten 10 Jahren benötigt Österreich 76.000 neue Pflegekräfte.
Die Gewerkschaft will mit ihrem Vorschlag auch diesem Mangel in der Pflege begegnen.
„Wer Menschen im Pflegeberuf will, der muss den Beruf attraktivieren. Eine 35-Stunden-Woche kann eine solche Attraktivierung sein“, sagt die Chefverhandlerin der Gewerkschaft Eva Scherz.
Einen großen Teil des zusätzlichen Personalbedarfs könnte man tatsächlich so decken. Die freiwerdenden Stellen können auf Teilzeitkräfte verteilt werden, die ohnehin mehr arbeiten wollen. Außerdem gibt es derzeit 40.000 Menschen in Österreich, die eine Pflegeausbildung haben, aber nicht in diesem Bereich arbeiten. Mit besseren Arbeitszeiten könnte man diese Leute wieder für die Pflege gewinnen.
Diese Logik scheint auch viele Vertreter der Arbeitgeberseite zu überzeugen. So stehen Erich Fenninger von der Volkshilfe und Gabriele Graumann von den Wiener Pensionistenwohnhäusern der Forderung offen gegenüber. An der Spitze des Verhandlungsteams steht aber der ÖVPler Walter Marschitz. Marschitz war unter anderem Büroleiter im Generalsekretariat der Österreichischen Volkspartei bevor er in die Sozialbranche wechselte und scheint bis heute gute Kontakte dahin zu haben. So hat es laut Falter ein Gespräch zwischen Marschitz und dem Klubobmann der ÖVP August Wöginger gegeben. Wöginer – eigentlich Chef der konservativen Arbeitern und Angestellten – erinnerte den Verhandlungsführer daran, dass die Einführung der 35-Stunden-Woche die Finanzplanungen der Landeshauptleute durcheinanderbrächte.
Dass ein Parteienvertreter sich in die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialpartner einmischt, ist äußerst selten. Wöginger ging es wohl aber nicht nur um die Budgets der Länder. Die ÖVP will womöglich verhindern, dass die Arbeitszeitverkürzung im Sozialbereich zum Vorbild in anderen Branchen wird. Schließlich setzte die vergangene schwarz-blaue Regierung vor nicht einmal zwei Jahren erst die 60-Stunden-Woche gegen den Widerstand der Gewerkschaft durch.
Marschitz‘ strikte Weigerung über die 35-Stunden-Woche zu verhandeln, wollen viele Vertreter der Trägerorganisationen aber nicht einfach so hinnehmen und weiter über eine Arbeitszeitverkürzung verhandeln:
„Im Rahmen der KV-Verhandlungen wurde in den vergangenen Wochen ein finanzierbares Gesamtpaket entwickelt, das eine mehrjährige und schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche gepaart mit einer Reform des Kollektivvertrags und jährlichen Gehaltserhöhungen vorsieht. Offensichtlich aus ideologischen Gründen wird dieses Paket nun von einigen Arbeitgebern abgelehnt“, kritisiert etwas Gabriele Graumann (Pensionistenhäuser Wien).
Dass die Unterstützung gerade von den Pensionistenhäusern kommt, ist kein Zufall. Gerade in der Pflege ist der Personalbedarf dringen und die 35-Stunden-Woche könnte schnell Abhilfe schaffen. Private Anbieter sehen das naturgemäß anders. Der größter Pflegeheimbetreiber SeneCura will Jugendliche aus Rabat in Marokko anwerben und in Niederösterreich weiterbilden.
Das kündigte der Pflegekonzern ausgerechnet am Tag der entscheidenden Verhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche an. Die Gewerkschaft reagierte empört:
Auf der einen Seite stemmt sich das Unternehmen gegen kürzere Arbeitszeiten oder höhere Löhne, um mehr Inländer für Pflegeberufe zu gewinnen. Auf der anderen Seite nimmt man jetzt sehr viel Geld in die Hand, um Pflegepersonal aus dem fernen Ausland anzuwerben, es nach Österreich zu bringen, ihnen Deutsch beizubringen und auszubilden.
„Das ist ja an Absurdität nicht zu überbieten“, heißt es bei der GPA-djp.
Die Personalanwerbungen sollen über österreichisch-marokkanischen Verein AMOROC (Austria Moroccan Chamber) abgewickelt werden. Vizepräsident und damit höchster österreichischer Vertreter in dem Verein ist Harald Haris Janisch. Janisch ist übrigens Kandidat des ÖVP-Wirtschaftsbundes bei den Wirtschaftskammerwahlen.
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