Schüler:innen, Lehrpersonal, Schulleitungen, Eltern, Ärzt:innen und Wissenschafter:innen – sie rechnen mit dem Corona-Management der Regierung ab. Denn dieses, so beklagen über 100 Unterzeichnende in einem offenen Brief, hat beim Schutz von Schulkindern versagt. Über 60.000 Pflichtschüler:innen haben sich seit Schulstart im September mit Covid19 angesteckt. Und sogar jetzt, im neuen Lockdown, gibt die Regierung ihre Verantwortung ab – an die Eltern.
Wie viele Kinder heute, Montag, im mittlerweile 4. Lockdown in die Schule gehen? Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) weiß es nicht. Kinder und Jugendliche mögen bitte zu Hause bleiben und dort lernen – appellliert die Regierung. Flächendeckendes Distance Learning und Sonderbetreuungszeit für Eltern gibt es aber nicht. Dafür sollen Lehrer:innen Lernpakete vorbereiten für Zu Hause. Dezidierte Empfehlungen vom Bildungsminister gibt es keine, die Eltern sollen selbst entscheiden, was gut für ihre Kinder ist. Die Lehrer:innen müssen für beide Varianten ihren Unterricht vorbereiten.
Mati Randow ist Schulsprecher des GRG Rahlgasse im 6. Wiener Gemeindebezirk. Er und andere Schulsprecher:innen haben schon im September darauf hingewiesen, dass sich Schulen zu Infektionsherden entwickeln, wenn man nicht mehr in den Schutz von Kindern und Jugendlichen investiert.
„Schulen könnten ein relativ sicherer Ort“ und ein „gut kontrollierter Raum in der Pandemiebekämpfung“ sein, wenn man die Vorschläge aus der Wissenschaft konsequent umsetzen würde, sagt der Mikrobiologie und Erfinder der Schul-Gurgeltests Michael Wagner von der Universität Wien.
Drei Mal pro Woche müssten die Schülerinnen und Schüler PCR-getestet werden, auch schwach positive Resultate müssten ernst genommen werden, so Wagner. Das ist bei weitem nicht an allen Schulen in Österreich der Fall. Derzeit variiert die Testweise. Es gibt neben den PCR- auch Antigen-Nasenbohrer-Tests. In den Bundesländern variieren auch die Testrhythmen.
Randow machte sich schon vor Monaten Sorgen – um sich und seine Freund:innen. Für eine breite Impfkampagne für die Jungen oder für Luftfilter war offenbar kein Geld da. Zusätzlich zur Angst vor einer Infektion leiden Schüler:innen unter dem Druck, trotz Pandemie volle Leistung bringen zu müssen. Randow und viele andere haben Entlastung gefordert – beispielsweise durch das Streichen von Lernstoff. Passiert ist nichts. „Die Stimmung in den Schulen war von Anfang an bedrückend“, erzählt Mati Randow von den letzten Wochen seit Semesterstart. Dass die Maßnahmen, die es für Schulen gab, nicht ausreichend waren, war laut ihm offensichtlich. Die Infektionszahlen sind rasant bei den Jungen gesteigen, „aber die Politik hat das nicht gesehen“.
Die Lage an den Schulen ist laut Randow mittlerweile „katastrophal“, erklärt er in der ZiB. Mit Stand 21. November 2021 haben sich in Österreich über 120.000 Kinder und Jugendliche im Pflichtschulalter mit Covid19 infiziert – über die Hälfte davon allein seit Schulbeginn in diesem Jahr. „Die Situation ist außer Kontrolle“, stellt er fest. Man hätte den Sommer besser nützen müssen – oder zu Schulstart auf bessere Maßnahmen setzen müssen. An Distance Learning führt kein Weg vorbei, folgert Randow. Und damit ist er nicht allein. Er und 26 Schulsprecher:innen und jeweils Dutzende Eltern, Lehrer:innen, Ärzt:innen und Wissenschafter:innen fordern in einem offenen Brief mehr Maßnahmen, um Schulkinder besser zu schützen – und Familien zu entlasten. Darunter auch einen flächendecken Ausbau von PCR-Tests für Pflichtschüler:innen und Sonderbetreuungszeiten für Eltern, damit Kinder nicht in Klassenzimmern sitzen müssen.
Unverständlich ist für Randow, warum man nicht mehr getan hat, um Impfungen voranzutreiben.
„Gerade bei jüngeren Schüler:innen hat die Regierung in Sachen Impfkampagne versagt – also jenen im Pflichtschulalter. Es gab schlicht keine. Man hat während der Pandemie immer so getan als wäre das Virus nicht gefährlich für uns. Dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn nicht von Haus aus eine Riesen-Impfbereitschaft in dieser Altersgruppe gegeben ist. Eine Kampagne, um das auszugleichen, hat gefehlt“, kritisiert der Schulsprecher.
Während sich Lehrerinnen und Lehrer bemühen, ihren Stoff durchzubringen und gleichzeitig alten, veräumten Stoff nachzuholen, vermisst Randow die Umsichtigkeit bei den Regierenden. „Ich wünsche mir für die Zeit nach dem Lockdown, dass man endlich Schutzmaßnahmen setzt, damit Distance Learning nicht mehr notwendig wird“, sagt Randow. Dazu zählt auch, dass es in ganz Österreich für Schüler:innen drei PCR-Tests pro Woche gibt.
Die Konsequenzen ihres Handelns sind erschreckend. Laut AGES haben sich in Österreich insgesamt rund 120.000 Pflichtschüler:innen mit Covid angesteckt. 52% dieser Infektionen haben seit Schulbeginn stattgefunden, allein letzte Woche haben sich im Schnitt 2 Schüler:innen pro Minute infiziert.
Die Inzidenz bei 5-14-Jährigen beträgt, Stand 19.11, österreichweit 2.123. Und auch auf den Intensivstationen liegen zunehmend Kinder und Jugendliche. Sie sprechen davon, dass Schulen „kontrollierte Räume“ seien. Die Zahlen beweisen das Gegenteil: Die Situation ist außer Kontrolle. Ihr Konzept der offenen Schulen wird den Gegebenheiten nicht gerecht. Zunächst sorgte die unklare und sich widersprechende Ankündigung, die Schulen blieben offen, man solle aber nicht hingehen, für Verwirrung und Chaos. Hunderttausende Schüler:innen wussten nicht, ob sie am Montag in die Schule gehen sollen, dürfen oder müssen – Ein inakzeptabler Zustand in ohnehin turbulenten Zeiten.
Dann wurde klar: Der Status Quo hat sich, wenn überhaupt, verschlechtert. Die Entscheidung darüber, ob ein Kind weiter in die Schule geht, wird jetzt feig an Eltern und Schüler:innen abgeschoben. Wer zuhause bleibt, sammelt nicht nur Fehlstunden, sondern verpasst auch Schulstoff und muss ihn selbstständig nachlernen. Gesundheitlicher Schutz also nur für die, die es sich schulisch leisten können.
Demgegenüber sind alle, die in die Schule gehen, einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt und haben weiterhin täglich Kontakt mit dutzenden Menschen – mitten im Lockdown. Auch epidemiologisch ist die Wirkung des Lockdowns mit offenen Schulen mehr als fraglich. Die erforderliche Kontaktreduktion wird so nicht erreicht werden können. Einschneidende Maßnahmen an Schulen sind alternativlos geworden. Daher fordern wir:
Sehr geehrter Herr Schallenberg, sehr geehrter Herr Faßmann, sehr geehrter Herr Mückstein, übernehmen Sie jetzt Verantwortung. Ergreifen Sie die notwendigen Schritte, damit der Rest des Schuljahres sicher in Präsenz stattfinden kann. Schützen Sie die, die sich selbst nicht schützen können. Sie stehen ihnen in der Pflicht. Mit freundlichen Grüßen Die Schüler:innen und Schulsprecher:innen
Die Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen Dr. Daniela Litzlbauer, HNO-Ärztin, Niederösterreich – Dr. Eva Potura, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin, Niederösterreich – Dr. Peter Haidenthaler, Allgemeinmediziner, Oberösterreich – Dr. David Noisternig, Anästhesist, Oberösterreich – Sophie Parragh, PhD, Wirtschaftswissenschaftlerin, Oberösterreich – Dr. Elke Schüßler, Wirtschaftswissenschaftlerin, Oberösterreich – Raphael Berger, Chemiker, Salzburg – Patrick Wimmer, MA, Soziologe, Salzburg – Dr. Katharina Zeppezauer-Wachauer, Digital Humanist, Salzburg – Dr. Martin Alge, Anästhesiepfleger, Vorarlberg – Elisabeth Glitzner-Zeis, PhD, Molekularbiologin, Wien – Ingomar Gutmann, Physiker, Wien – Dr. Wolfgang Hagen, Internist, Wien – Dr. Sebastian Reinfeldt, Politikwissenschaftler, Wien – Ing. Michaela Stainer, Chemikerin, Wien – MMag.a Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin, Wien – Christine Syrowatka, PhD, Evolutionsbiologin, Wien – Mag. Felix Welzenbach, Meteorologe, Wien – Dr. Barbara Zeitlinger, HNO-Ärztin, Wien Die Lehrer:innen und Direktor:innen Isabelle Bauer (APS), Niederösterreich – Susanne Gratzer (BHS), NÖ – Philip Markanovic-Riedl (AHS), NÖ – Richard Blach (APS), Oberösterreich – Renate Brunnbauer (APS), OÖ- Josef Fuchsbauer (BMHS), OÖ – Elisabeth Hasiweder (BMHS), OÖ – Barbara Heigelmayer (BMHS), OÖ – Katharina Hollnbuchner (APS), OÖ – Franz Kaiser (APS), OÖ – Peter Novak (APS), OÖ – Wilfried Prammer (PH), OÖ – Michael Schmida (BMHS), OÖ – Anna Url-Prall (AHS), OÖ – Martin Wachauer (AHS) OÖ – Alexander Wagner (MS), OÖ – Thomas Wintersberger, Direktor (PTS), OÖ – Monika Basler (PTS), Salzburg – Enikö Schneidergruber (AHS), Sbg – Irina Maria Antesberger, Steiermark – Bettina Dauphin (MS), Stmk – Hannes Grünbichler (BMHS), Stmk – Veronika Hartinger (MS), Stmk – Ute Hulatsch-Pietsch (AHS), Stmk – Christine Ludwig (MS), Steiermark – Bernhard Pukl (PTS), Stmk – Karlheinz Rohrer (BHS), Stmk – Andrea Wohltran (MS), Stmk – Bernhard Wronski (BS), Stmk – Silvia Ganner (MS), Tirol – Gerhard Pušnik (AHS), Vorarlberg – Beate Sonnweber (BS), Vbg – Bernadette Anzengruber, Wien – Claudia Astner (APS), W – Iris Bauer (AHS), W – Anna Bergmann (AHS), W – Johanna Doppler (AHS), W – Aaron Gärtner, W – Ursula Göltl (AHS), W – Anita Groissmayer (AHS), W – Bernd Kniefacz (APS), W – Ute Kolb (APS), W – Veronika Kunnert (BMHS), W – Katrin Kirchberger (APS), W – Daniel Landau (AHS), W – Alexandra Leopoldseder (AHS), W – Vedrana Markanovic (AHS), W – Georg Merza (MS), W – Noemi Müller-Vana (AHS), W – Christoph Träumer (APS), W – Susanne Vrchoticky (AHS), W – Anja Weikertschläger (VS), W – Julian Wiederin (AHS), W – Bettina Schricker (AHS), W Die Eltern Julia Fröhlich, Niederösterreich – Nadine Fürst-Afra, NÖ – Eva Hottenroth, NÖ – Claudia Janecek, NÖ – Markus Madner, NÖ – Andrea Freilinger, Oberösterreich – Johannes Freilinger, Oberösterreich – Christoph Musik, OÖ – Helene Musik, OÖ – Heidemarie Eder, Salzburg – Caroline Giesinger, Vorarlberg – Thomas Binder, Wien – Alexander Bracher, W – Simone Feichtner, W – Hannes Fleischer, W – Jana Herwig, W – Silvana Heylik, W – Natascha Hochenegg, W – Dagmar Höpfel, W – Andres Imnitzer, W – Simone Krüger, W – Tanja Maier, W – Anabel Rasper, W – Andreas Scharf, W – Michael Strassnig, W Michael Syrowatka, W – Benedikt Völker, W – Barbara Weber, W – Nicola Werdenigg, W – Thomas Winter, W 21.November 2021
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