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Kaum geimpfte Kinder, keine Luftfilter: Schüler:innen wollen sichere Klassenzimmer und Impfkampagne für Junge

In ganz Österreich sitzen Schüler:innen wieder dicht an dicht in Klassenzimmern. Nur ein Bruchteil ist immun gegen Corona, für die Jungen steht noch kein Impfstoff zur Verfügung. Sie sollen weiterhin Leistung bringen, mitten in der Krise. Ausreichend geschützt fühlen sie sich nicht. Jetzt wenden sich Schulsprecher:innen an die Regierung: Sie wollen, dass ihre Gesundheit endlich ausreichend geschützt wird und dass man ihnen die Solidarität entgegenbringt, die sie monatelang den älteren Mitmenschen gegenüber gelebt haben.

Die Jungen haben genug. Nachdem sie in der Pandemie zugunsten ihrer älteren Mitmenschen monatelang zurückstecken mussten, fühlen sie sich von der Regierung im Stich gelassen. Die Covid-Infektionen an den Schulen steigen rasant. Teenager sind erst zu einem Bruchteil geimpft. Für die Jüngeren ist noch gar kein Impfstoff zugelassen. Dennoch sitzen die Schüler:innen in Österreich dicht an dicht in Klassenräumen – und sollen weiterhin Leistung bringen. Denn der Schulstoff muss durchgebracht werden, Pandemie hin oder her.

Die Hoffnung, dass dieser Herbst besser läuft als der Herbst im letzten Jahr, ist schnell verflogen, erzählt Mati Randow, Schulsprecher des GRG Rahlgasse im 6. Wiener Gemeindebezirk. Er findet: Die Regierung hat den Sommer verschlafen. Schon wieder.

Mati Randow spürt jeden Tag Unbehagen, wenn er in die Schule geht. „Meine größte Sorge ist, dass sich nicht genug Schüler:innen impfen lassen und es dadurch wieder zu vielen Infektionen kommt. Und die „kontrollierte“ Durchseuchung, die die Regierung durchführt macht mir große Sorgen, da sie brandgefährlich und unverantwortlich ist.“ Zudem kritisiert er, dass es weder gezielte Informationen noch Impfkampagnen für Schüler:innen gibt. „Für den Ninja-Pass im Frühjahr hat die Regierung 400.000 Euro ausgegeben. Für eine gute Impfkampagne gibt es offenbar kein Geld“, sagt Randow.

Doch der Schulsprecher will sich nicht still ärgern. Darum hat er mit 31 weiteren Schulsprecher:innen einen offenen Brief an die Regierung geschrieben. Konkret an Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Minister Heinz Faßmann und Wolfgang Mückstein. Was sie wollen, ist simpel: Sie wollen, dass die Gesundheit von Kindern geschützt wird.

Der offene Brief im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz,

sehr geehrter Herr Bundesminister Faßmann,

sehr geehrter Herr Bundesminister Mückstein,

sehr geehrte Damen und Herren,

heute beginnt im Westen Österreichs die Schule wieder, im Osten läuft der Betrieb schon seit einer Woche. Klar ist: Es ist ein Schulstart in der Krise. Daher war es der größte Wunsch von uns Schüler:innen, so sicher und beständig wie möglich starten zu können. Stattdessen begleiten vor allem großes Unbehagen und Unsicherheit unseren Schulbeginn. Wir richten uns nun in diesem offenen Brief an Sie, da Sie die Einzigen sind, die dies wirksam bekämpfen können.

Erneutes Distance Learning muss verhindert werden, da sind wir alle uns einig. Umso mehr können wir nicht verstehen, wieso Sie Maßnahmen forcieren, die uns direkt auf Schulschließungen zusteuern lassen. Schon seit Monaten wird von Expert:innen, Lehrergewerkschafter:innen und Schülervertreter:innen die flächendeckende Anschaffung von Luftreinigungsgeräten gefordert. Erst nach der Hälfte der Sommerferien wurde hierfür ein bürokratisch kompliziertes Verfahren eingeleitet.

Bis heute ist an unseren Schulen kein einziger Luftfilter angekommen. Noch nicht impfbare Kinder und Risikokinder werden seit Monaten nicht geschützt, der längst überholte Irrglaube, Corona wäre für Kinder nicht gefährlich, spukt wohl noch immer in Ihren Köpfen.

Ihr unverantwortliches Handeln schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Die 7-Tages-Inzidenz bei ungeimpften 12-17-Jährigen liegt österreichweit bereits jetzt – vor dem Schulstart in 6/9 Bundesländern – über 400, auch bei Geimpften ist sie mit über 60 vergleichsweise hoch. Nun die Schulen ohne auch nur annähernd ausreichende Schutzmaßnahmen starten zu lassen, ist Gemeingefährdung von uns Schüler:innen. Die „kontrollierte“ Durchseuchung der Jugend verstößt klar gegen Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention, der festlegt, dass alle Kinder ein Recht auf das „erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ haben. Es ist also nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch kinderrechtswidrig, Masseninfektionen bei Schüler:innen wissentlich in Kauf zu nehmen.

Monatelang haben Sie propagiert, man dürfe den Sommer nicht verschlafen und die Fehler des letzten Jahres nicht wiederholen, bloß um dann den Sommer zu verschlafen und die Fehler des letzten Jahres zu wiederholen.

Während wir Schüler:innen seit Juli auf einen Sicherheit und Orientierung gebenden Plan gewartet haben, wurde das endgültige Konzept erst in der letzten Ferienwoche vorgelegt. Weder die Bundesländer noch die Schulen, geschweige denn die Schüler:innen hatten so genug Zeit, sich vorzubereiten. Die Folge: Überlastete Test-Plattformen, organisatorisches Chaos und große Unsicherheit. Die Situation der Jugend in Österreich ist prekär. Unsere Anliegen werden gekonnt ignoriert, ständiger Leistungsdruck wird aufrecht gehalten.

Die Solidarität, die wir am Anfang der Pandemie den Älteren gegenüber gezeigt haben, wird uns nun nicht gezeigt.

Kinder- und Jugendpsychiatrien sind weiterhin überlastet. Und auch unser Bildungssystem ist sozial noch ungerechter geworden, als es schon vor der Krise war. Schuld daran ist aber nicht das Coronavirus, sondern Ihr Unvermögen, damit umzugehen. Es ist Zeit, Ihrer Ankündigung, die Jungen in den Mittelpunkt zu stellen, nun endlich nachzukommen.

Daher fordern wir:

  • Flächendeckende Anschaffung von Luftfiltern zur Sicherheit aller Schüler:innen
  • Konsequenten Schutz von ungeimpften Kindern, etwa durch eine Impfpflicht für Kindergarten- und Volksschulpersonal
  • Entlastung durch die Streichung von Lehr- und Maturastoff
  • Die Bekanntgabe eines coronagerechten Fahrplans für die Matura 2022 noch in diesem Jahr
  • Die Rückkehr der FFP2-Maskenpflicht im Schulgebäude
  • Klare Quarantäneregelungen bei Corona-Positiven in der Klasse
  • Mehr Einbindung und Mitspracherecht für Schüler:innen auf allen Ebenen, vom Corona-Krisenteam an jeder Schule bis zu Verhandlungen im Bildungsministerium

Sehr geehrter Herr Kurz, sehr geehrter Herr Faßmann, sehr geehrter Herr Mückstein, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht. Schützen Sie uns, hören Sie uns zu, entlasten Sie uns und sorgen Sie dafür, dass niemand mehr auf der Strecke bleibt. Sie sind es uns schuldig.

Mit freundlichen Grüßen

Die Schulsprecher:innen

Mati Randow, GRG6 Rahlgasse

David Fischer, RG1 Schottenbastei

Theo Haas, GRG1 Stubenbastei

Mohammed Ahmed, RG2 Lessinggasse

Leon Urani, GRG2 Wohlmutstraße

Esther Györi, PRG2 Simon-Wiesenthal-Platz

Alina Sablatnig, GRG3 Boerhaavegasse

Xiaolong Yin, GRG3 Radetzkystraße

Melissa Plunger, PG3 Sacre Cœur

Klara Pernsteiner, GRG3 Kundmanngasse

Leonie Ikic, GRG3 Hagenmüllergasse

Nino Kornfeld, RG4 Waltergasse

Katharina Eiselsberg, GRG5 Rainergasse

Jakob Serdaroglu, GRG6 Amerlingstraße

Tracy-Cindy Agbogbe, GRG8 Albertgasse

Mirjam Berner, RG8 Feldgasse

Theo Löcker, GRG9 Wasagasse

Nico Müller, GRG10 Pichelmayergasse

Sihaam Abdillahi, GRG11 Geringergasse

Nino Kölliker, BG13 Fichtnergasse

Yoko Zyka, GRG14 Steinbruchstraße

Danijel Jovanovic, GRG15 Diefenbachgasse

Edlyn Shahbazian, GRG15 Auf der Schmelz

Ilia Pashaeinia, GRG16 Schuhmeierplatz

Sarah Baumgartner, GRG16 Maroltingergasse

Paul Walder, GRG17 Geblergasse

Liam Noori, GRG20 Karajangasse

Flora Gürth, GRG21 Ödenburger Straße

Leya Hampel, GRG21 Gerasdorfer Straße

Marina Uhlmann, GRG22 Polgarstraße

Felix Niederhuber, PGRG St. Ursula

Maria Marichici, GRG23 Anton-Krieger-Gasse

13.September 2021

 

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